Die Baubranche steht vor einer bedeutsamen Herausforderung: Die Herstellung von Beton trägt weltweit erheblich zu den CO2-Emissionen bei. Traditioneller Portlandzement, der Hauptbestandteil von herkömmlichem Beton, verursacht allein rund sieben bis acht Prozent der globalen Kohlendioxidemissionen. Aufgrund der energieintensiven Herstellung und des Kalkabbaus entstehen bewährte, jedoch nicht nachhaltige Umweltbelastungen. Vor diesem Hintergrund gewinnt Bio-Beton zunehmend an Bedeutung, da er eine nachhaltige, CO2-neutrale Alternative darstellt, die für unterschiedlichste Bauzwecke eingesetzt werden kann. Bio-Beton basiert auf einem faszinierenden Prozess, der mikrobiell induzierten Calciumcarbonat-Prezipitation (MICP).
In diesem Verfahren werden kalkartige Verbindungen durch spezielle Bakterien gebildet, die Calciumcarbonat produzieren und dadurch die Baustoffe festigen. Im Vergleich zur klassischen Zementherstellung entfällt bei diesem Ansatz die Freisetzung von Prozess-CO2. Stattdessen wird Kohlendioxid in Form von Carbonat gebunden, was den ökologischen Fußabdruck wesentlich reduziert. Die Mikroorganismen, meist ureaseaktive Bakterien aus der Gattung Sporosarcina, spalten Urea enzymatisch und fördern so die Bildung von Calciumcarbonatkristallen, die als Bindemittel wirken. Ein besonderer Fortschritt in der Bio-Betonforschung liegt in der Nutzung von ureaseaktivem Calciumcarbonatpulver (UACP) anstelle von freien Bakterienkulturen.
Dieses Pulver kombiniert die enzymatischen Funktionen mit Calciumcarbonatpartikeln und sorgt für eine verbesserte Stabilität und Lagerfähigkeit des Bindemittels. Ein kritischer Faktor für die Herstellung von hochfestem Bio-Beton ist die Optimierung der Kornpackungsdichte des Materials. Durch die Verwendung eines sorgfältig abgestimmten Gemisches unterschiedlicher Quarzsandfraktionen gelingt es, die Hohlräume im Material zu minimieren und somit eine dichte und widerstandsfähige Struktur zu schaffen. Dieses Vorgehen reduziert nicht nur den Bedarf an Bio-Zement, sondern erhöht auch die wirtschaftliche Effizienz des Prozesses. Die Herausforderung bei der Herstellung tiefer und dennoch homogenen Bauteile aus Bio-Beton besteht darin, die Versorgung des Materials mit der Zementlösung kontinuierlich zu gewährleisten.
Die Zementlösung, bestehend aus Harnstoff und Calciumionen, wird unter kontrolliertem Druck in den Baustoff gepresst. Durch eine automatisierte, druckbasierte Stop-Flow-Injektionsmethode lässt sich eine gleichmäßige Verteilung der Biomineralisationsreaktion im Innern des Bauteils sicherstellen. So konnten in aktuellen Studien Erhärtungstiefen von bis zu 140 Millimetern erreicht werden, was den Weg für größere und tragfähigere Bauelemente ebnet. Die mechanischen Eigenschaften des Bio-Betons sind ein entscheidendes Kriterium für seinen Einsatz im Bauwesen. Druckfestigkeiten von über 50 Megapascal konnten für die biomineralisierten Proben nachgewiesen werden, was vergleichbar ist mit konventionellem Beton mittlerer Festigkeitsklasse.
Dies wird insbesondere durch die Kombination aus hoher Kornpackung und der effizienten Calciumcarbonatbindung erreicht. Optisch und materialtechnisch ähnelt der Bio-Beton damit kalkgebundenem Sandstein und bietet beste Voraussetzungen für den Einsatz als tragendes Bauteil. Ein weiterer Vorteil des Bio-Betons liegt in seiner Reparatur- und Selbstheilungsfähigkeit. Aufgrund der biologischen Komponente können Risse durch erneute Aktivierung der Mikroorganismen geschlossen werden. Dies erhöht die Lebensdauer der Bauteile und reduziert langfristig Wartungs- und Instandhaltungskosten.
Trotz der vielversprechenden Ergebnisse stellen sich noch einige Herausforderungen, insbesondere in der Skalierung und Umweltauswirkung der eingesetzten Rohstoffe. So ist beispielsweise die industrielle Produktion von Harnstoff energieintensiv, und die Verwendung von Calciumchlorid als Calciumquelle birgt Korrosionsrisiken bei Stahlbewehrungen. Alternativen Calciumquellen und organische Materialien wie Urin werden als nachhaltige Rohstoffoptionen erforscht, um auch die Umweltauswirkungen weiter zu minimieren. Zusätzlich wird momentan untersucht, wie die im Herstellungsprozess entstehenden Nebenprodukte wie Ammonium und Chlorid nachhaltig recycelt oder genutzt werden können. Das Herstellungsverfahren selbst setzt eine präzise Steuerung der Materialflussraten und Kompaktionsprozesse voraus.
Die Anwendung von hydraulischem Pressen zur Verdichtung des Sand-UACP-Gemischs hat sich als effizient erwiesen. Durch die Schichtung und das mechanische Verfestigen wird eine optimale Dichte erreicht, die die mechanische Leistungsfähigkeit erhöht und die gleichmässige Mineralisation fördert. Die Erforschung von Vibrations- und Kombinationsmethoden zur Kompression verfolgt das Ziel, die Materialeigenschaften weiter zu optimieren. Zur Sicherstellung der Qualität werden verschiedene messtechnische Verfahren angewandt. Die Ultraschallwellengeschwindigkeit dient als nichtzerstörendes Prüfinstrument zur Beurteilung der Homogenität und Dichte des biomineralisierten Materials.
Die Messungen haben gezeigt, dass die Eigenschaften von Bio-Beton anisotrop sein können, vergleichbar mit natürlichen Sandsteinen. Verbesserungen in der Verdichtungstechnik sind daher ein Forschungsgegenstand, um gleichmäßige Materialeigenschaften in alle Richtungen zu gewährleisten. In der Gesamtbetrachtung eröffnen die Fortschritte im Bereich des hochfesten Bio-Betons neue Perspektiven für die Bauindustrie. Die Möglichkeit, CO2-Emissionen bei der Herstellung deutlich zu reduzieren und gleichzeitig Bauteile mit ausreichend hoher Festigkeit zu produzieren, macht diesen Baustoff attraktiv für den Einsatz in vorgefertigten Gebäudeelementen. Dabei kann Bio-Beton konventionellen Beton zumindest teilweise ersetzen, ohne Abstriche bei der Tragfähigkeit in Kauf nehmen zu müssen.
Auch die potenzielle Integration von Recycling- und Kreislaufwirtschaftskonzepten stärkt die Umweltbilanz dieses innovativen Baustoffs. So können Nebenprodukte und Abfälle aus der Biomineralisierung nutzbringend eingesetzt werden, und erneuerbare Energien zur Herstellung der Rohstoffe die Klimabilanz weiter verbessern. Zukunftsweisende Forschungen zielen darauf ab, die Rezeptur des Bio-Betons durch die Einbindung grober Gesteinskörnungen und bestimmter Feinanteile weiter zu verbessern. Dadurch kann nicht nur die mechanische Performance gesteigert, sondern auch die Verarbeitungseigenschaften für den Baustelleneinsatz optimiert werden. Letztlich bietet die Kombination aus Mikrobiologie, Materialwissenschaft und Verfahrenstechnik die Chance, nachhaltiges Bauen neu zu definieren.
Hochfester Bio-Beton verbindet ökologische Verantwortung mit technischer Leistungsfähigkeit und kann so einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz und zur Ressourcenschonung in der Baubranche leisten. Die fortschreitende Entwicklung und industrielle Umsetzung werden wegweisend für innovative und umweltfreundliche Bautätigkeiten sein.