Der US-amerikanische Apothekenmarkt steht vor einem tiefgreifenden Wandel, der mit dem Verkauf von über 1.000 Filialen des einstigen Branchenriesen Rite Aid an Wettbewerber wie CVS, Walgreens und mehrere Lebensmittelketten wie Albertsons, Kroger und Giant Eagle einhergeht. Dieser Schritt, der im Mai 2025 öffentlich wurde, spiegelt nicht nur die turbulente Geschichte von Rite Aid wider, sondern verdeutlicht auch die strukturellen Herausforderungen, denen der stationäre Apothekenhandel in den Vereinigten Staaten gegenübersteht. Rite Aid war über Jahrzehnte hinweg eine feste Größe im amerikanischen Gesundheitssektor. Mit etwa 2.
100 Filialen in 17 Bundesstaaten und einem Jahresumsatz von über 24 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023 galt das Unternehmen als einer der Marktführer. Doch trotz dieser beeindruckenden Zahlen sah sich Rite Aid zunehmenden Problemen gegenüber, die letztlich zu mehreren Insolvenzverfahren und einer tiefgreifenden Umstrukturierung führten. Ein wesentlicher Faktor für die Schwierigkeiten von Rite Aid war das stagnierende Wachstum im Bereich der Erstattungsraten von Versicherern und anderen Kostenträgern. Im pharmazentralen Geschäft, das maßgeblich von Verschreibungen abhängt, nehmen die Margen immer weiter ab. Gleichzeitig treiben steigende Lohnkosten das Unternehmen in die roten Zahlen.
Hinzu kommt, dass die Nachfrage nach Produkten im Bereich Frontstore – also Artikel außerhalb der rein medizinischen Versorgung, wie Kosmetika, Lebensmittel oder Haushaltsartikel – zurückging, was weitere Einkommensquellen schwächte. Ein weiterer entscheidender Faktor im Niedergang von Rite Aid waren nicht nur die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, sondern auch rechtliche Herausforderungen. Die Firma sah sich mit auch politischen und gesellschaftlichen Vorwürfen hinsichtlich ihrer Rolle in der US-amerikanischen Opioidkrise konfrontiert. Diese führten zu enormen finanziellen Belastungen aufgrund von massiven Vergleichszahlungen und Klagekosten, die die Liquidität des Unternehmens zusätzlich einschränkten. Im neuen Jahrtausend hat sich die Konkurrenzsituation im Apothekenmarkt wesentlich verschärft.
Disruptive Akteure wie Amazon traten in den Markt für Arzneimittel und Gesundheitsdienstleistungen ein und stellten etablierte Geschäftsmodelle infrage. Amazon Pharmacy und vergleichbare Anbieter revolutionierten den Zugang zu rezeptpflichtigen Medikamenten mit hohen Komfortstandards, niedrigeren Preisen und innovativen Logistiklösungen. Diese Entwicklungen sorgten für zusätzlichen Druck auf stationäre Apothekenketten wie Rite Aid. Im Jahr 2023 meldete Rite Aid nach jahrelangen finanziellen Problemen Insolvenz nach Chapter 11 an. Ziel war es, durch eine Restrukturierung und Reduzierung der Schuldenbasis von rund 4 Milliarden Dollar eine nachhaltige Zukunft zu sichern.
Das Unternehmen setzte auf eine Verkleinerung seiner Ladenfläche, eine neue Organisationsstruktur und einen Führungswechsel. Auch die Abgabe unrentabler oder wenig profitabler Filialen stand auf der Agenda, allerdings wurden hier Fortschritte durch schwierige Vertragslagen – etwa durch langfristig gebundene Mietverträge – zusätzlich erschwert. Trotz dieser Maßnahmen war die finanzielle Erholung von Rite Aid nur von kurzer Dauer. Bereits im Frühjahr 2025 musste das Unternehmen erneut Insolvenz anmelden, nachdem unerwartete Liquiditätsprobleme auftraten. Im Rahmen dieser zweiten Insolvenz erfolgte die Ankündigung, über 1.
000 Apotheken an Konkurrenten und weitere Branchenplayer zu verkaufen. Diese Asset-Verkäufe erfolgten im Mai 2025 im Zuge einer Auktion, die auch digital abgehalten wurde, um eine möglichst breite Interessentenschaft zu erreichen. CVS Health gehört zu den größten Investoren bei diesem Prozess. Das Unternehmen sicherte sich nicht nur die Übernahme der Rezeptdateien von 625 Filialen in 15 Bundesstaaten, sondern auch den Kauf und Betrieb von 64 kompletten Geschäften in Idaho, Oregon und Washington. Die Übernahme der Rezeptdateien ist insbesondere ein strategischer Schachzug, da sie es CVS ermöglicht, den Kundenstamm in geografisch bereits erschlossenen Gebieten zu erweitern und somit eine stärkere Präsenz im ambulanten Gesundheitsbereich zu erzielen.
Neben CVS sind auch Walgreens sowie die Lebensmittelhandelsketten Albertsons, Kroger und Giant Eagle am Kauf beteiligt. Diese Discounter und Supermärkte setzen vermehrt auch auf das Apothekengeschäft als eine ergänzende Dienstleistungsquelle und verstehen den stationären Apothekensektor als Chance zur Erweiterung ihres Serviceportfolios. Damit spiegelt die Transaktion einen branchenweiten Trend wider, bei dem Gesundheits- und Einzelhandelsunternehmen zunehmend miteinander verschmelzen. Die Genehmigung dieses umfangreichen Verkaufs steht noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung eines New Jersey Konkursgerichts. Die entsprechende Anhörung wurde für den 21.
Mai 2025 angesetzt. Sollte die Zustimmung erteilt werden, dürfte sich die Marktdynamik in den betroffenen Regionen deutlich verändern. Insbesondere CVS und Walgreens würden ihren Marktanteil weiter ausbauen und damit ihre Verhandlungsstärke gegenüber Herstellern, Kostenträgern und Patienten erhöhen. Die Hintergründe der massiven Restrukturierung bei Rite Aid lassen auf vielfältige Probleme im Apothekengeschäft in den USA schließen. Dazu gehört die zunehmende Reglementierung im Gesundheitssektor, die steigende Digitalisierung und die veränderten Bedürfnisse der Kunden.
Die Verlagerung von stationären zu Online-Angeboten, der Trend zu Telemedizin und die wachsende Bedeutung von patientenorientierten Dienstleistungen erfordern eine erhebliche Anpassung der Geschäftsmodelle. Darüber hinaus spielt die Optimierung der Logistik eine große Rolle. Das Management von Medikamentenbeständen, die Einhaltung von Sicherheitsstandards und die effiziente Verwaltung von Rezeptdateien sind zentrale Elemente im Wettbewerb. Die Übernahme solcher Rezeptdateien durch CVS zeigt, wie wichtig die Kundenbeziehungen und Datenbestände geworden sind, die es Konkurrenten ermöglichen, Wachstum ohne teuren Filialneubau zu realisieren. Auch das Thema Arbeitsplatzgestaltung und Personalkosten wirkt sich auf die Rentabilität der Apotheken aus.
Die Qualifikation des Fachpersonals, insbesondere der Apotheker, sowie die zunehmende Automatisierung und Technologisierung in der Arzneimittelausgabe stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen. Gleichzeitig müssen sie wettbewerbsfähige Löhne und attraktive Arbeitsbedingungen bieten, um Fachkräfte zu binden und die Qualität der Kundenberatung zu sichern. Die Rolle der Versicherungssysteme und der gesetzlichen Rahmenbedingungen ist ein weiterer wichtiger Faktor. In den USA sind viele Apotheken auf entsprechende Erstattungen durch Medicaid, Medicare oder private Versicherungsträger angewiesen. Sinkende Erstattungsraten und komplexe bürokratische Anforderungen reduzieren die Gewinnspannen zunehmend und erhöhen den Verwaltungsaufwand.
Aus globaler Perspektive steht der Apothekenhandel vor ähnlichen Herausforderungen. Der Trend zur Digitalisierung und zur Patientenorientierung wird von allen großen Märkten geteilt, sodass Unternehmen, die jetzt frühzeitig ihre Geschäftsmodelle anpassen, langfristige Wettbewerbsvorteile sichern können. Die Erfahrung von Rite Aid fungiert dabei als Warnung und Weckruf für andere Marktteilnehmer. Abschließend lässt sich sagen, dass der Verkauf von mehr als 1.000 Rite Aid-Filialen nicht nur die Fortführung des Restrukturierungsprozesses eines einzelnen Unternehmens darstellt, sondern ein Spiegelbild der umfassenden Transformation im amerikanischen und weltweiten Apothekenmarkt ist.
CVS Health und Walgreens festigen ihre Marktführerschaft, während neue Akteure und innovative Vertriebswege das Spielfeld nachhaltig verändern. Die Zukunft der Arzneimittelversorgung liegt in der konsequenten Integration von stationären Angeboten mit digitalen Lösungen, einer wachsenden Spezialisierung der Dienstleistungen und der Anpassung an veränderte Kundenanforderungen. Für Unternehmen im Gesundheitssektor gilt es, flexibel zu bleiben und neue Geschäftsstrategien zu entwickeln, um in einem sich rapide verändernden Marktumfeld bestehen zu können.