Timothy Friede, geboren um 1968, ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit, deren Leben und wissenschaftliches Engagement seit Jahrzehnten Aufmerksamkeit erregen. Als amerikanischer Mechaniker und leidenschaftlicher Schlangensammler hat Friede sich auf eine einzigartige Reise begeben, die ihn von einem einfachen Enthusiasten zu einem zentralen Akteur in der Erforschung von Schlangengiften und der Entwicklung neuer Antivenome geführt hat. Seine Geschichte ist geprägt von Mut, Hingabe und einem starken Willen, persönliche Grenzen für das Allgemeinwohl zu überschreiten. Seit seiner Kindheit war Tim Friede von Schlangen fasziniert. Bereits im Alter von fünf Jahren wurde er von einer ungiftigen Strumpfbandnatter gebissen – ein Ereignis, das seine lebenslange Leidenschaft prägte.
Seine Jugend verbrachte er im Raum Milwaukee, Wisconsin, wo er aktiv Schlangen jagte und pflegte. Ein geplanter Militärdienst wurde durch eine Verletzung verhindert, sodass er sich in anderen Berufen wie Fensterreinigung hochgelegener Gebäude und Bauarbeiten verdingte. Doch die Faszination für die faszinierenden Reptilien blieb stets ein Teil seines Lebens. Mit Mitte 30 begann eine Wendung, die seine Zukunft maßgeblich prägen sollte: die Teilnahme an einem Giftfang-Kurs. Dort erlernte er die Kunst der Venom-Extraktion, also des Abschöpfens von Schlangengift, und sammelte erste Erfahrungen in diesem hoch riskanten Gebiet.
Getrieben von Wissensdurst und der Idee, sich vor Schlangenbissen besser zu schützen, begann er etwa im Jahr 2000, kleine Mengen von Gift seiner eigenen Schlangen zu injizieren. Diese Praxis, auch als Selbstimmunisierung bekannt, verfolgt das Ziel, den Körper stufenweise an Giftstoffe zu gewöhnen, um eine Resistenz oder Immunität zu entwickeln. Die Risiken waren immens – und sie zeigten sich bald in dramatischer Weise. Am 12. September 2001 wurde Friede innerhalb weniger Stunden von zwei verschiedenen Kobras gebissen.
Obwohl die erste Bissstelle durch seine Frühexpösure nur wenig beeinträchtigt wurde, führte der zweite Biss durch eine Monokel-Kobra zu einer schweren Vergiftung mit vorübergehender Lähmung und einem vier Tage andauernden Koma. Durch schnelle medizinische Hilfe und spezielles Antivenom konnte er gerettet werden, diese lebensbedrohliche Erfahrung aber verstärkte seinen Wunsch, eine noch widerstandsfähigere Immunität aufzubauen. Getrieben von dem Ziel, künftig mehrere Giftbisse ohne fremde Hilfe zu überstehen, begann Friede frühere impulsive Methoden hinter sich zu lassen. Er eignete sich selbst fundiertes Wissen in Immunologie an, studierte Fachliteratur wie das Standardwerk "Vaccines" von Stanley Plotkin und entwickelte ein strikt diszipliniertes Vorgehen bei der Selbstinjektion von Gift. Die Venendosen wurden präzise bemessen und zeitlich abgestimmt, um den bestmöglichen Aufbau der Immunantwort zu gewährleisten.
Seine Vorgehensweise brachte aber nicht nur Fortschritte, sondern auch schwerwiegende Nebenwirkungen mit sich. Immer wieder erlebte Friede anaphylaktische Schocks, allergische Reaktionen und sogar Blackouts. Innerhalb von etwa 18 Jahren spritzte er sich mehr als 800 Mal mit Schlangengift und wurde geschätzt rund 200-mal gebissen. Dabei handelte es sich nicht um harmlose Schlangen, sondern um gefährliche und potenziell tödliche Arten wie Küsten-Taipane, Wasserkobras, Klapperschlangen und alle vier Mamba-Arten. Dieses extreme Engagement trug ihm immer wieder mediale Aufmerksamkeit ein.
National Geographic interviewte ihn bereits 2002, und 2010 wurde er in der TV-Sendung "Stan Lee's Superhumans" vorgestellt. Seine Videos, in denen er sich von verschiedenen Schlangen beißen ließ, verbreiteten sich viral auf YouTube und Facebook. Dadurch entwickelte sich eine Community von Gleichgesinnten, die sich dem Hobby der Selbstimmunisierung widmeten und sich vor allem über soziale Medien organisierten. Das außergewöhnliche Leben und Vorgehen von Tim Friede forderten jedoch auch einen erheblichen persönlichen Tribut. Seine Familie geriet zunehmend in Konflikte mit seiner riskanten Leidenschaft, was schließlich zu einer Trennung von seiner Frau im Jahr 2010 führte.
Er zog in eine entlegene Gegend in Fond du Lac, Wisconsin, richtete dort ein eigenes Labor ein und lebte zeitweise sogar in einem Zelt. Seiner Faszination und seinem Ziel blieb er trotz aller Widrigkeiten und Gefahren treu. Parallel zu seinem fragilen Privatleben entwickelte sich eine bedeutende wissenschaftliche Zusammenarbeit. Schon seit Anfang der 2000er Jahre glaubte Friede daran, dass seine gewonnenen Antikörper aus dem eigenen Blut zur Herstellung eines universellen Antivenoms verwendet werden könnten. Doch anfangs stieß seine Idee bei Fachleuten auf Skepsis.
Erst als der Immunologe und Biotechnologe Jacob Glanville über einen Zeitungsartikel auf Friede aufmerksam wurde, entschied sich dieser 2017 dazu, seine Blutproben für weitere Forschung bereitzustellen. Gemeinsam vereinbarten sie eine Kooperation, bei der mögliche Einnahmen fair geteilt werden sollten. Glanville, der als Forscher an der Columbia University arbeitet und Experte für Impfstoffentwicklung ist, sowie weitere Wissenschaftler wie Peter Kwong begannen, die Antikörper im Blut von Friede zu isolieren und zu charakterisieren. In einer bahnbrechenden Studie, veröffentlicht 2025 in der renommierten Fachzeitschrift Cell, konnten zwei besonders wirkungsvolle Antikörper in Kombination mit dem entzündungshemmenden Wirkstoff Varespladib 13 von 19 getesteten Schlangengiften neutralisieren. Die verbleibenden sechs wurden zumindest teilweise abgeschwächt.
Allerdings zeigte der Ansatz keine Wirkung gegen Vipern-Gift, das andere biologische Mechanismen nutzt und insbesondere Gewebe- und Herz-Kreislauf-System angreift. Diese Forschung hat enormes Potenzial. Das derzeitige Antivenom-Geschäft ist fragmentiert, da viele Produkte nur spezifisch für einzelne Arten oder Artengruppen wirken. Ein breit wirksames Antivenom könnte nicht nur Leben retten, sondern auch die globale Herpetologie und medizinische Behandlung revolutionieren. Nachdem er bis November 2018 aufhörte, sich selbst Gift zu injizieren oder sich beißen zu lassen, arbeitet Friede heute als Leiter der Herpetologie bei der Biotechnologiefirma Centivax, die von Glanville mitgegründet wurde und ihren Sitz in Kalifornien hat.
Tim Friede steht als faszinierendes Beispiel für den unermüdlichen Erfindergeist und die Kraft menschlicher Widerstandsfähigkeit. Sein Weg von einem begeisterten Schlangenliebhaber und Hobby-Experten zu einem entscheidenden Faktor in der Entwicklung eines potenziell lebensrettenden universellen Antivenoms zeigt, wie unkonventionelle Ansätze Wissenschaft und Medizin voranbringen können. Sein Mut, sich immer wieder lebensgefährlichen Situationen auszusetzen, gepaart mit intensiver Eigeninitiative und wissenschaftlichem Diamantenwissen, macht ihn zu einer einzigartigen Figur in der globalen Forschungsgemeinschaft. Während die Herausforderungen bei der Bekämpfung von Schlangenbissen weiterhin groß sind – insbesondere in ländlichen und unterversorgten Gebieten der Welt –, eröffnet die Arbeit von Tim Friede und seinen Partnern neue Hoffnung. Mit einer Kombination aus innovativen Antikörpern und unterstützenden Wirkstoffen sollen in Zukunft mehr Menschenleben gerettet werden können.
Seine Geschichte inspiriert nicht nur Naturliebhaber und Wissenschaftler, sondern auch alle, die daran glauben, dass persönliche Leidenschaft letztendlich der Schlüssel zu bedeutenden medizinischen Durchbrüchen sein kann.