Die Welt der Linux-Smartphones erlebt mit dem Liberux Nexx ein spannendes neues Kapitel, das zeigt, dass hochwertige, offene und in Europa hergestellte Mobilgeräte längst keine Zukunftsmusik mehr sind. Hinter dem Projekt steht das spanische Unternehmen Liberux, das mit seiner Crowdfunding-Kampagne auf Indiegogo für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Das Liberux Nexx ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert – es kombiniert leistungsstarke Hardware mit einem ethisch orientierten Betriebssystem, setzt auf Modifikationsfreiheit und produziert nach eigener Aussage ausschließlich auf europäischen Boden. Doch was macht das Nexx wirklich so besonders, welche Ideen und Herausforderungen stecken dahinter? In einem ausführlichen Interview gab das Team Antworten auf diese und weitere Fragen und gewährte tiefe Einblicke in das spannende Unterfangen, ein freies, sicheres und modernes Linux-Mobiltelefon zu entwickeln. Das Mobiltelefon als Kontrollzentrum des digitalen Lebens ist heute fast immer Synonym für geschlossene Systeme.
Die etablierten Betriebssysteme dominieren den Markt, liefern aber oft weder Transparenz noch Datenschutz, sondern sind vielmehr Black Boxes, die Nutzerdaten und Verhaltensweisen erfassen. Der Wunsch nach einer Alternative, die Privatsphäre respektiert und sich dem frei zugänglichen Quellcode verschreibt, wächst bei vielen technikaffinen Anwendern und Datenschutzbewussten. Das Liberux-Team betont genau diesen Anspruch: Sie wollten ein Gerät schaffen, das echte digitale Autonomie ermöglicht, ohne Backdoors oder geheimnisvolle Systemanteile. Dabei ist das Unternehmen keineswegs ein Newcomer in der Szene. Die erfahrenen Entwickler verfügen über langjährige Expertise in den Bereichen Hardwareentwicklung, Open Source Software und Elektronikfertigung.
Mit Persönlichkeiten, die bereits an Linux Tablets auf x86-Basis oder an mechanischen Tastaturen gearbeitet haben, sowie einem starken Partnernetzwerk, darunter erfahrene Fertigungsbetriebe in Spanien und Entwickler von renommierten Unternehmen wie Collabora, bringt Liberux professionelles Know-how ein. Wichtig ist den Machern, dass sie nicht einfach bestehende Konzepte kopieren, sondern aus den Pionierprojekten der Linux-Handywelt lernen, um Schwächen zu vermeiden und Stärken auszubauen. Das Nexx selbst setzt auf den Rockchip RK3588s – eine Entscheidung, die viel über den Anspruch und die Philosophie des Projekts verrät. Der SoC gilt in der Linux-Community als solide Grundlage mit guter Unterstützung, auch wenn er proprietäre Firmware-Komponenten für GPU und RAM benötigt. Liberux erläutert, dass alternativ genutzte Qualcomm-Chips meist noch geschlossener und weniger kontrollierbar sind.
Die Trennung des 5G-Modems als eigenes, austauschbares Modul ist ein zentraler Sicherheitsaspekt: So lässt sich das Modem physisch abschalten, was bei integrierten Lösungen nur schwer möglich ist. Diese modulare Architektur betont nicht nur Wartbarkeit und Flexibilität, sondern auch die Bedeutung des subjektiven Sicherheitsgefühls der Anwender. Auf die Hardwaredetails wurde ebenfalls Wert gelegt. Ungewöhnlich in der heutigen Smartphone-Welt sind die zwei USB-C-Anschlüsse des Nexx, die sowohl zum gleichzeitigen Laden als auch für Peripheriegeräte genutzt werden können. Einer der Anschlüsse unterstützt das DisplayPort Alt Mode Protokoll, was erlaubt, den Bildschirm ohne weitere Stationen direkt anzusteuern.
So lassen sich das Telefon und ein angeschlossener Desktop-Workflow intelligent verschmelzen – eine Funktion, die Liberux stark betont. Sowohl USB 3.1 als auch Power Delivery sind vorgesehen, wodurch ein modernes Nutzungserlebnis gewährleistet ist. Kosmetik ist bei Liberux nicht einfach ein Beiwerk. Das Design mit auffälligen Elementen wie einem analogen Kopfhöreranschluss soll nicht nur ästhetisch gefallen, sondern auch praktische Bedürfnisse erfüllen – etwa durch das Erhalten von Störgeräusch-freiem Audiogenuss und die Möglichkeit, diverse Legacy-Peripheriegeräte zu nutzen.
Ebenso ist das Gerät modular gestaltet: Speicher, Arbeitsspeicher und das Mobilfunkmodem sind aufsteckbare Komponenten, deren Austausch oder Upgrade die Langlebigkeit des Smartphones deutlich erhöhen können. Zudem wird das Gerät in Spanien gefertigt, was in der zunehmend globalisierten Mobilszene eine Seltenheit darstellt und für kurze Lieferketten, mehr Transparenz und regionale Wertschöpfung sorgt. Der Aspekt der Open Source Hardware (OSHW) ist eines der Herzstücke des Projekts. Die Entwickler planen ausdrücklich, die Schaltpläne und gängige Konstruktionsunterlagen mit der Community zu teilen. Dies entspricht einem Trend, der längst nicht mehr nur Software betrifft, sondern auch physische Komponenten frei zugänglich und überprüfbar machen möchte.
Zwar werden unvermeidbare geschlossene Firmware-Komponenten für GPU und Modem weiter vorhanden sein, doch an anderer Stelle gibt es eine klare Verpflichtung zur Offenlegung und Modularität. Die Vereinbarung auf OSHW-Zertifizierung verstärkt diesen Anspruch und macht das Nexx für Hardware-Enthusiasten und Entwickler besonders attraktiv. Softwareseitig basiert das Nexx auf LiberuxOS, einer eigenen Distribution, die Debian 13 als Grundlage nutzt. Das Betriebssystem versteckt seine Herkunft nicht, sondern setzt genau auf diese bewährte Basis und eine ethische Philosophie. Die Entwickler verzichten gänzlich auf proprietäre Benutzeranwendungen und bieten nur quelloffene Software an.
Geschlossene Firmware bleibt auf das technisch notwendige Minimum beschränkt. Anders als manche andere Linux-Handys, die auf altbewährte, jedoch komplexe Lösungen wie libhybris oder Halium setzen, strebt Liberux eine möglichst mainline-kompatible Kernelbasis an und engagiert sich aktiv in der upstream Entwicklung. Dies bringt langfristig Vorteile in Bezug auf Wartbarkeit und Softwarequalität. Die Wahl der Oberfläche fiel auf GNOME Shell Mobile. Obwohl das Team Phosh und Plasma Mobile ebenfalls genau geprüft hat, bietet GNOME Shell für sie die beste Balance zwischen Erweiterbarkeit, grafischer Gestaltung und langfristiger Entwicklungsfreiheit.
Es wird intensiv daran gearbeitet, eine flüssige und intuitive Touch-Bedienung sowie ein modernes Handling von Fenstern und Gesten zu ermöglichen. Dies steht im Einklang mit dem Anspruch, das Gerät nicht als Bastellösung, sondern als ernsthafte Alternative zu etablieren. Hinsichtlich der Kommunikation ist die Unterstützung von VoLTE ein zentraler Aspekt, da dieser Stand der Technik immer mehr zum Standard wird. Auch die modulare Bauweise und die Abschaltbarkeit von WLAN, Bluetooth und dem Mobilfunkmodem durch echte Hardwareschalter gewährleisten eine bessere Kontrolle der eigenen Datenübertragung als bei den meisten anderen Smartphones. Power Management ist eine weitere Baustelle, auf der Liberux mit spezieller Software gegen den Akkuverschleiß und Energieverschwendung vorgehen möchte – ein Thema, das bei bisherigen Linux-Handys häufig Kritik erntete.
In einem zunehmend skeptischen Markt fällt die Erfahrung Liberux' mit Falschinformationen und Verschwörungstheorien bemerkenswert aus. Das Team sieht darin eher Kuriositäten, verweist aber auch auf seine authentische und langjährige Verantwortung in der freien Softwaregemeinschaft. Die Entwickler haben tief verwurzelte Wurzeln im Open Source Bereich, angefangen mit frühen Linux-Systemen auf veralteten Computern bis hin zu aktiven Beiträgen in der modernen Embedded-Entwicklung. Die Preisgestaltung des Nexx spiegelt die Ambitionen und Realitäten eines europäischen Handys wider. Anders als bei Massenfertigung in Asien entstehen höhere Kosten durch kleine Auflagen, regionale Herstellung und spezielle Hardwarekonzepte.
Liberux relativiert die Preise auch durch den Fokus auf erstklassige Spezifikationen: Bis zu 32 GB RAM, 512 GB Speicher und 5G sind bei Linux-Smartphones selten und erfordern aufwändige Elektronik. Wer Wert auf Transparenz, Handarbeit, hochwertige Module und ein offenes System legt, für den rechtfertigt dies die Investition. Zukunftsbezogen plant das Team neben dem Smartphone auch ein umfangreiches Zubehörprogramm. Die Idee eines Wireless Docks als Einstieg in die Desktop-Nutzung bringt einen innovativen, kabellosen Ansatz mit sich, während klassische USB-Docks mit Kühlung ebenfalls diskutiert werden. Ein weiteres Highlight ist die geplante mechanische Tastatur mit hochwertigen Buckling-Spring-Tasten, inspiriert von legendären IBM-Modellen – ein Traum für Liebhaber echter Tastaturqualität.
Auch wenn das Projekt primär über Crowdfunding hervortritt, betont Liberux seine Offenheit gegenüber der Community. Beiträge in Form von Verbreitung, Code, Designideen oder auch kleineren Spenden sind willkommen. So soll das Nexx nicht nur ein Produkt eines einzelnen Herstellers sein, sondern eine Gemeinschaftsleistung, die die Prinzipien der offenen Technologie lebt. Das Liberux Nexx steht somit für mehr als nur ein weiteres Linux-Smartphone. Es ist ein Statement für digitale Freiheit, für europäische Produktion, für modulare Technik und verantwortungsbewusstes Ökosystemdesign.
Für Nutzer, die Privatsphäre, Kontrolle und Offenheit schätzen, ist es eine spannende Alternative abseits der großen Ökosysteme. Die Kombination aus fortschrittlicher Hardware, einem ethisch motivierten Betriebssystem und der Verpflichtung zur Open Source Hardware macht das Nexx zu einem prominenten Vertreter einer neuen Gerätegeneration. In einer Zeit, in der Datenschutz und Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung gewinnen, unterstreicht Liberux mit seinem europäischen Linux Phone, dass ein Smartphone mehr sein kann als ein austauschbares Massenprodukt – nämlich ein Werkzeug persönlicher Freiheit und technischer Innovation zugleich. Für alle, die neugierig sind auf eine smarte, offene Zukunft, lohnt es sich, die Entwicklungen rund um das Nexx genau zu verfolgen.