Das Spielen und Produzieren von Musik auf einem Linux-System hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Besonders für Gitarristen und Musikproduzenten, die mit kompletten Band-Tabs arbeiten möchten, stellt die Möglichkeit, Guitar Pro Dateien in Echtzeit wiederzugeben, eine große Bereicherung dar. Das Guitar Pro Format ermöglicht es, mehrspurige Kompositionen mit Gitarren, Bass, Schlagzeug und weiteren Instrumenten detailgetreu darzustellen. Für viele Anwender ist die Umwandlung von digitalen Noten in realistische Klänge jedoch eine Herausforderung. Dabei bieten Open-Source-Tools wie Tuxguitar in Kombination mit MIDI-Synthesizern und Audio-Servern leistungsstarke Möglichkeiten, um anspruchsvolle Scores live und qualitativ hochwertig zu bedienen.
Tuxguitar ist eine der vielseitigsten Anwendungen für die Wiedergabe und Bearbeitung von Guitar Pro Dateien unter Linux. Ursprünglich 2008 ins Leben gerufen, nutzt die Software eine Mischung aus Java und C und hat sich durch stetige Weiterentwicklung auf GitHub zu einem professionellen Werkzeug entwickelt. Besonders wichtig für eine hochwertige Audioausgabe ist die Integration von Fluidsynth, einem Software-Synthesizer, der auf der SoundFont-2-Spezifikation basiert. SoundFonts enthalten Sample-basierte Instrumentenklänge, die Tuxguitar in Echtzeit erzeugt und dadurch den Sound der Gitarrenscores lebendig und authentisch macht. Um die Wiedergabequalität zu maximieren, empfiehlt es sich, über die Nutzung von Echtzeitfähigen Kerneln nachzudenken.
Diese bieten niedrigere Latenzen, was insbesondere für Musiker mit USB-Audiointerfaces und Live-Input-Signalen entscheidend sein kann. Die Aktivierung erfolgt über spezielle Kernel-Bootoptionen wie ‚preempt=full threadirqs nopti‘ und ist unter Linux-Distributionen wie Fedora über entsprechende Repositorys erhältlich. Zudem sollten die Systemlimits angepasst werden, um der Audiounterstützung die nötigen Ressourcen für Echtzeitverarbeitung zuzuweisen. Das betrifft RT-Prioritäten, Nice-Werte sowie die Speichersperre für bestimmte Benutzergruppen, etwa die der Pipewire-Gruppe, einem modernen Audio-Server unter Linux. Eine gute SoundFont-Auswahl ist essenziell, um einen möglichst natürlichen und mitreißenden Klang zu erzielen.
Speziell für Genres wie Rock und Metal stehen im Internet, beispielsweise auf der Plattform Musical Artifacts, Sammlungen wie das ‚Xioad Bank Soundfont‘ bereit, welche detaillierte Klänge für Gitarren, Bässe und Schlagzeug bereitstellen. Die Fluidsynth-Plugin-Einstellungen in Tuxguitar bieten eine übersichtliche Oberfläche zur Auswahl und Abstimmung dieser SoundFonts. Die Anpassung von Audio-Parametern und Synthesizer-Einstellungen ermöglicht Feinjustierungen bei Klangfarbe, Hall und Tonhöhe. Für die Verbindung von Tuxguitar zu den Audioausgabegeräten kommt unter modernen Linux-Systemen meist Jack oder Pipewire-Jack zum Einsatz. Diese Modularität erlaubt das flexible Zusammenspiel mehrerer Audioanwendungen.
Ray Session oder qpwgraph sind Hilfsmittel, mit denen sich komplexe Audio- und MIDI-Verbindungen grafisch verwalten lassen. So kann man beispielsweise die Klänge aus Fluidsynth oder anderen Synthesizern gezielt an Lautsprecher oder Aufnahmegeräte weiterleiten. Die Klanggestaltung der Schlagzeugspuren in Guitar Pro Scores kann mit SoundFonts zwar schon gute Ergebnisse liefern, doch für noch realistischere Klänge empfiehlt sich die Integration spezialisierter Drum-Sequencer. Hydrogen ist ein freier, eigenständiger Drum-Sequencer, der hochwertige Drumkits bietet und sich dank MIDI-Anbindung hervorragend als Ergänzung zu Tuxguitar eignet. Alternativ lässt sich DrumGizmo nutzen, eine professionellere Lösung mit aufwändigen Mikrofonaufnahmen jedes einzelnen Schlagzeuginstruments und zahlreichen MIDI-Konfigurationsmöglichkeiten.
Die Kombination aus Tuxguitar, Hydrogen und DrumGizmo erlaubt es, den Schlagzeugpart extrem lebendig und differenziert wiederzugeben. Wer noch mehr Kontrolle über die Klangfarben einzelner Instrumente will, profitiert von Qsynth, einem Frontend für Fluidsynth. Dort lassen sich mehrere Soundfonts parallel laden, sodass Gitarren, Bass und andere Instrumente mit jeweils eigenen Klangbibliotheken angesteuert werden. Das ist besonders hilfreich, wenn man SoundFonts unterschiedlicher Herkunft verwenden oder Klangvariationen gezielt steuern möchte. Die Einrichtung von exklusiven MIDI-Ports und das Filteren störender MIDI-Befehle wie Bank-Changes garantiert eine stabile und individuelle Klangzuweisung.
Als Unterstützung beim MIDI-Management bieten sich Plugins wie MIDI Event Filter an, die über den Carla-Rack-Host verwaltet werden können. Für ambitionierte Nutzer stehen eine breite Palette von Drumsequencer-Plugins bereit, die sich als LV2-Plugins in Carla oder andere Hosts einbinden lassen. Vom klassischen drumkv1 über das vielseitige drumlabooh bis hin zum modernen Drumrox – jedes Plugin bringt unterschiedliche Sounds und modulare Steuerungsmöglichkeiten mit. So können Drumkits komfortabel geladen, bearbeitet und per MIDI angesprochen werden. Der Vorteil liegt darin, dass sich mit diesen Plugins sehr gut integrierte Workflows schaffen lassen, die etwa zu einer Digital Audio Workstation (DAW) kompatibel sind.
Das größte Potenzial von Linux als Musikplattform zeigt sich in der Vernetzung all dieser Tools. Die Kombination aus Tuxguitar für die Score-Verwaltung, Fluidsynth und Qsynth für Klangqualität, Hydrogen oder DrumGizmo für Realismus bei Schlagzeug, und schließlich die flexible Audio-Verbindung mit Jack oder Pipewire liefert ein umfassendes System für die professionelle Songproduktion und Praxis. Ray Session fungiert als Session-Manager, der alle Verbindungen auf Knopfdruck herstellt, wodurch das Setup auch mit vielen Programmen sehr schnell wiederhergestellt werden kann. Wer auf der Suche nach Software ist, die aktuelle Entwicklungen unterstützt und mit viel Liebe zum Detail arbeitet, findet mit Tuxguitar ein sehr solides Grundgerüst. Die Optik und Handhabung der Anwendung wurde in den letzten Versionen deutlich verbessert, sodass sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene von den Funktionen profitieren.