Scrum als agile Methode hat in der Softwareentwicklung und darüber hinaus weitreichende Verbreitung gefunden, da sie Teams dabei unterstützt, flexibel auf wechselnde Anforderungen zu reagieren und kontinuierlich Wert zu liefern. Entwicklern kommt dabei eine zentrale Rolle zu, denn sie sind die treibende Kraft hinter der Umsetzung der Produktziele. Doch häufig treten in der Praxis sogenannte Anti-Pattern auf, also Verhaltensweisen oder Vorgehensweisen, die zwar beliebt, aber kontraproduktiv sind und den Erfolg von Scrum-Teams beeinträchtigen können. Ein genauer Blick auf diese Herausforderungen hilft dabei, sie frühzeitig zu erkennen und zu adressieren. Einer der klassischen Anti-Pattern im Sprint ist das Fehlen von Work-in-Progress (WiP) Limits.
Ohne diese Beschränkung arbeiten Entwickler oft an zu vielen Aufgaben gleichzeitig, was die Fokussierung und letztlich die Produktivität senkt. Die Theorie des Flusses zeigt deutlich, dass zu viele parallele Arbeiten die Durchlaufzeit verlängern und die Effizienz mindern. Ein weiteres häufiges Problem ist das sogenannte Cherry-Picking, bei dem einzelne Entwickler beliebige, meist leichte Aufgaben wählen, anstatt gemeinsam als Team die Sprintziele zu verfolgen. Diese Selbstselektion führt zu unausgewogenem Arbeitsfortschritt und zeigt oft eine mangelnde Selbstorganisation an. Ein gut gepflegtes Sprint-Board wird häufig vernachlässigt, indem Entwickler Aufgaben nicht zeitnah aktualisieren.
Dies trägt nicht nur zu einem Informationsdefizit im Team bei, sondern schädigt auch das Vertrauen der Stakeholder in den Entwicklungsprozess. Neben diesen praktischen Herausforderungen taucht oft das Phänomen der sogenannten Side-Gigs auf, bei denen Entwickler parallel an nicht abgestimmten Arbeiten oder gar an eigenen Projekten tätig sind, die nicht auf dem Sprint-Board sichtbar sind. Diese verdeckten Aktivitäten untergraben die Teamtransparenz und können die gemeinsame Zielverfolgung gefährden. Gold-Plating ist ein weiteres bekanntes Anti-Pattern: Entwickler erweitern den Umfang von Aufgaben eigenmächtig, fügen zusätzlichen Code oder Features hinzu, ohne dies mit dem Product Owner abzustimmen. Obwohl aus technischer oder gestalterischer Sicht gut gemeint, führt es zu einer Verschwendung von Zeit und Ressourcen und kann die Sprintplanung durcheinanderbringen.
Das wichtigste Qualitätssicherungsinstrument im Scrum-Kontext ist die Definition of Done (DoD). Es ist fatal, wenn diese Standards bewusst oder aus Zeitdruck unterschritten werden, etwa um eine Deadline einzuhalten. Solches Handeln erzeugt technische Schulden und riskiert die langfristige Produktqualität, was letztlich zu höheren Kosten und weniger Innovation führt. Die Vernachlässigung von technischen Schulden ist eng damit verbunden, wenn Entwickler keine Zeit fordern, um Bugs zu beheben oder den Code zu refaktorieren. Der Zwang, ausschließlich neue Features zu liefern, verwandelt Teams in sogenannte Feature-Fabriken.
Ein gesundes Scrum-Team sollte hingegen etwa zwanzig Prozent seiner Kapazität für Wartung und Qualitätsverbesserung einplanen, um agil und robust zu bleiben. Ein weiteres strukturelles Problem entsteht, wenn Entwickler keinen Puffer für unvorhergesehene Aufgaben verlangen. Teams, die zu hundert Prozent ausgelastet sind, verlieren an Flexibilität und Zusammenarbeit, da alle nur noch auf die eigene Erledigung ihrer Aufgaben fokussiert sind. Die Sprintplanung ist der Moment der Abstimmung zwischen Product Owner und Entwicklern. Anti-Pattern wie eine überschätzte Kapazität führen dazu, dass die getroffenen Zusagen nicht haltbar sind.
Ebenso schädlich ist eine zu detaillierte Planung, die alle Aufgaben vorab akribisch festlegt und somit den emergenten Charakter des Sprint-Backlogs vernachlässigt. Auf der anderen Seite werden manchmal Planungsschritte komplett übersprungen, was zu einem unsauberen Start in den Sprint führt und die gemeinsame Zielverfolgung erschwert. In manchen Teams existiert noch der archaische „Team Lead“ der die Aufgaben verteilt und das komplette Sprint-Backlog plant. Das widerspricht der Selbstorganisation, auf der Scrum beruht, und hemmt sowohl Eigenverantwortung als auch Motivation. Im Daily Scrum sind typische Anti-Pattern, dass dieses Meeting nicht regelmäßig oder zum falschen Zeitpunkt stattfindet, sodass wichtige Informationen erst verspätet fließen.
Häufig fungiert das Daily Scrum fälschlicherweise als Statusbericht, bei dem Entwickler nacheinander ihre Arbeit vorgaukeln, anstatt sich auf den aktuellen Fortschritt in Richtung Sprintziel zu fokussieren. Monologe, Abschweifen in Problemlösungen oder ständige Kritik führen dazu, dass das Meeting seine eigentliche Funktion als schneller synchronisierender Check verliert. Einige Entwickler nutzen die kurze Daily-Zeitbox zudem nicht effektiv, indem sie nicht vorbereitet sind oder zu allgemeine Updates geben, die keinen Mehrwert für die Kollegen haben. Wichtige Erkenntnisse wie etwa Schwierigkeiten bei Aufgaben bleiben oft unangegangen, weil niemand diese anspricht oder das Vertrauen fehlt, um Hindernisse offen zu diskutieren. Im Sprint Review kann sich zeigen, wie ernst das Team seine Transparenz nimmt.
PowerPoint-lastige Präsentationen langweilen die Teilnehmer und verhindern eine aktive Einbindung der Stakeholder. Es ist essenziell, dass alle Entwickler teilnehmen, um gemeinsam den Fortschritt zu reflektieren und die nächsten Schritte zu planen. Werden hingegen nur einzelne Teammitglieder eingebunden oder tauchen unangekündigte Side-Gigs auf, leidet die Zusammenarbeit deutlich. Es ist wichtig, dass im Review nur wirklich fertige Arbeit gezeigt wird, um die Glaubwürdigkeit und den Prozess nicht zu untergraben. Die Retrospektive ist das Herzstück der kontinuierlichen Verbesserung.
Sie darf nicht ausgelassen oder als verzichtbarer Puffer genutzt werden. Werden wiederkehrende Probleme nicht angegangen oder ständig nur beklagt, ohne umzusetzen, bleibt der Verbesserungsprozess oberflächlich. Ebenso sollten Teams offen sein, ihre Definition of Done regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen und anzupassen, um Qualität und Effizienz zu steigern. Auf der Ebene des Product Backlogs zeichnen sich ebenfalls Anti-Pattern ab. Wenn Entwickler nicht ausreichend Zeit für die Pflege des Backlogs aufwenden, werden die Anforderungen unklar und minderwertig, was zu Verschwendung und Missverständnissen führt.
Zu viel Refinement kann allerdings zu einer unnötigen Verzettelung führen, bei der man wertvolle Zeit in Details investiert, ohne tatsächlich Fortschritte zu ermöglichen. Eine überladene Aufgabenliste ist ebenso problematisch, denn sie führt zu Überforderung und erschwert Priorisierung und fokussiertes Arbeiten. Zu guter Letzt ist ein Team, das allen Anforderungen des Product Owners kritiklos folgt, nicht im Sinne von Scrum. Entwicklungsteams sollten ermutigt werden, zu hinterfragen, warum bestimmte Aufgaben ausgewählt werden und sicherstellen, dass der größte Wert erzeugt wird. Entwickler sind nicht bloße Ausführer, sondern aktive Mitgestalter des Produkts.
Letztlich liegt es in der Verantwortung des Scrum-Teams, diese Anti-Pattern zu erkennen und gemeinsam anzugehen. Nur durch regelmäßige Reflexion, offene Kommunikation und die Bereitschaft, eingefahrene Muster zu durchbrechen, kann langfristig eine hohe Produktqualität, Teamzufriedenheit und unternehmerischer Erfolg erzielt werden. Scrum lebt von der Selbstorganisation und dem kontinuierlichen Lernprozess – Entwickler spielen dabei eine tragende Rolle, die weit über reine Codeumsetzung hinausgeht. Sich der typischen Fallstricke bewusst zu sein und diese konsequent zu eliminieren, ist daher ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu exzellenten, agilen Teams.