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Von Philosophie zur Macht: Die Fehlinterpretation von René Girard durch Peter Thiel und J.D. Vance

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From Philosophy to Power: The Misuse of René Girard by Peter Thiel, J.D. Vance

Die politische Relevanz von René Girards Mimese-Theorie im Kontext der amerikanischen Rechten: Wie Peter Thiel und J. D.

René Girard, ein französischer Philosoph und Mitglied der Académie Française, hat mit seiner Mimese-Theorie und seinen Analysen von Opfermechanismen eine bedeutende intellektuelle Hinterlassenschaft geschaffen. Doch während seine Arbeiten vor allem akademisch geschätzt werden, hat sich in den letzten Jahrzehnten eine problematische Vereinnahmung seiner Theorien durch politisch rechte Kreise in den USA entwickelt. Besonders prominente Figuren wie Peter Thiel und J.D. Vance verwenden Girards Ideen auf eine Weise, die den ursprünglichen Sinn verzerrt und dabei ernsthafte politische Implikationen mit sich bringt.

Girards grundlegende These besagt, dass menschliche Wünsche nicht isoliert entstehen, sondern durch Nachahmung anderer – das sogenannte mimetische Verlangen. Diese Imitation führt zwangsläufig zu Rivalitäten, da mehrere Menschen dieselben Objekte oder Status erstreben. Konflikte eskalieren, und traditionell haben Gesellschaften diesen Zustand durch das Opfern eines unschuldigen Sündenbocks zu entschärfen versucht. Dieses Opfer fungiert als Ventil, um kollektive Aggressionen zu bündeln, was aber einen Kreislauf von Gewalt und Ausschlussmechanismen perpetuiert. Girard sieht im Judentum und Christentum einen Wendepunkt, da hier erstmals die Opfermechanismen entlarvt und die Stimme der Opfer sichtbar gemacht wurden, was langfristig den Weg zu ethischen Prinzipien wie Mitgefühl und Gerechtigkeit ebnet.

In der modernen Welt habe sich laut Girard „das Opferprinzip“ transformiert. Die wachsende „moderne Sorge um Opfer“ kennt keine einfachen Sündenböcke mehr, dafür stellt sich das Opfer selbst in den moralischen Mittelpunkt – mit ambivalenten Folgen. Einerseits eröffnet dies neue ethische Sensibilitäten, andererseits birgt es das Risiko, dass das Konzept von Opfersein selbst instrumentalisiert wird, um Aggressionen gegen „andere“ zu rechtfertigen. Gerade diese paradoxe Umkehr, Opferstatus zum Mittel der Marginalisierung und Exklusion zu verwenden, lässt sich bei aktuellen Akteuren der amerikanischen Rechten beobachten. J.

D. Vance etwa, Berühmtheit erlangt durch sein Buch „Hillbilly Elegy“ und jüngst Vizepräsidentschaftskandidat, steht exemplarisch für diese Misinterpretation. Er hat selbst behauptet, Girards Theorie habe ihn zu einem reflektierteren Umgang mit eigener blame-shifting Haltung bewegt – konkret mit dem Bedürfnis, Sündenböcke zu suchen. Dennoch fällt seine spätere politische Praxis anders aus. Während des Präsidentschaftswahlkampfs 2024 verbreitete Vance absurde und haltlose Gerüchte über haitianische Einwanderer in einer Kleinstadt in Ohio.

Die Anschuldigungen reichten von Diebstahl bis hin zu bizarren Unterstellungen, sie würden Haustiere essen, was klar als klassischer Sündenbockmechanismus einzustufen ist. Vance nutzte den Opferbegriff entgegen Girards Lehre, indem er die Einwanderer als vermeintlich schuldige Außenseiter brandmarkte und dabei die tatsächlichen Gefahren, die solche Rhetorik für betroffene Communities birgt, ignorierte. Der populistische Diskurs nutzt dabei symptomatisch die Stereotype, die Girard als „persekutorische Zeichen“ beschreibt: soziale Marginalisierung, kulturelle Andersartigkeit, ökonomische Schwäche, misstrauische Verhaltensweisen. Die betroffenen Gruppen erscheinen so als geeignete Ziele für gesellschaftliche Aggression, was Spiralen der Gewalt und Ausschließung befördert. Indem Vance solche Mechanismen instrumentalisierte und sogar offen zugab, Geschichten zu erfinden, um Aufmerksamkeit für eine bestimmte Klientel zu erzeugen, offenbart sich die Kluft zwischen der theoretischen Reflexion Girards und der politischen Praxis.

Peter Thiel, milliardenschwerer Unternehmer, Investor und ebenfalls ein ehemaliges Mitglied von Girards Lesekreis an der Stanford University, zeigt eine noch komplexere und tiefgründigere Auseinandersetzung mit der Philosophie Girards. In den 1990er Jahren im intimen akademischen Rahmen entwickelte sich unter der Leitung Girards eine Gruppe, die sich mit mimetischer Theorie intensiv beschäftigte. Thiels Respekt und Interesse für Girard waren unbestritten, er bezeichnet sich sogar als „hardcore, unreconstructed Girardian“. Diesem Hintergrund verdankt Thiel eine einzigartige politische und strategische Weltsicht, die jedoch mehrfach Anzeichen einer selektiven und instrumentellen Interpretation aufweist. In Thiels vielbeachteter Abhandlung „The Straussian Moment“ von 2004 verschmilzt er den Blick auf Girards Mimese mit dem politischen Realismus von Carl Schmitt, Leo Strauss und Oswald Spengler.

Thiel kritisiert die liberale Aufklärung scharf und sieht deren Ideale von Rationalität, Toleranz und individueller Freiheit als unzureichend für den Umgang mit existenziellen Gegnern wie dem radikalen Islam. Er übernimmt Schmitts Freund-Feind-Dichotomie und fordert eine Rückkehr zu „entschlossenem“ politischen Handeln, möglicherweise auch außerhalb etablierter demokratischer Regeln und Kontrollen. Diese Haltung steht diametral im Widerspruch zu Girards ethischer Grundhaltung, die auf der Emanzipation von Gewalt und der Auflösung von Sündenbockmechanismen beruht. Girard argumentiert explizit gegen die starre Freund-Feind-Schemata, da diese in der heutigen global vernetzten Welt nur zu mehr eskalierender Gewalt führen. Die moderne Sorge um Opfer, so Girard, unterminiert die Legitimationsgrundlagen für solche Feindbilder, was stattdessen verlangt, dass Differenzen nicht ausgeblendet, sondern reflektiert und reguliert werden.

Doch Thiel übersetzt Girards Erkenntnisse in eine Strategie für den Umgang mit „Existenzfeinden“, bei der er impliziert, es seien autoritäre oder gar elitäre Interventionen notwendig, um die westliche Zivilisation zu schützen. Seine Schriften enthalten Andeutungen zu politischen Rahmen, die über die üblichen Checks and Balances hinausgehen – beispielsweise durch Geheimdienstaktivitäten oder extralegale Maßnahmen. Dies kann als programmatische Rechtfertigung für anti-demokratische Kräfte interpretiert werden. Sein Bezug auf Strausses Konzept der esoterischen Schriften verstärkt diesen Eindruck. Thiel suggeriert, dass wahre Wahrheiten nur einer intellektuellen Elite zugänglich sind und öffentliche Offenlegung gefahrvoll wäre.

Wer Thiels Texte oberflächlich liest, mag eine zurückhaltende Position wahrnehmen, doch die versteckte Botschaft – etwa in einem Zitat von Spengler in Originalsprache – verweist auf eine unumgängliche, schicksalhafte Entwicklung hin zu einem autoritären, elitären Regime, das demokratische Prozesse überwinden wird. Diese Strategie, politische Botschaften hinter verschlüsselten Andeutungen zu verstecken, kennt man aus einer Tradition der Philosophenschrift, die äußerst gefährlich sein kann, wenn sie Machtansprüche legitimiert. Die Einflussnahme, die Thiel auf politische Figuren wie J.D. Vance ausübt, ist bedeutsam.

Vance nutzte nicht nur Girard als moralisches Rahmenwerk, sondern profitierte offenbar auch von Thiels politischer, finanzieller und intellektueller Förderung. In Kombination entstehen so Bewegungen, die das Opferbewusstsein manipulieren, um exclusionäre und autoritäre Politiken zu legitimieren. Die Gefahr besteht darin, dass Girards ethische Lehren zunehmend als intellektuelles Prestigeinstrument dienen, aber pervertiert werden, um reaktionäre Agenden zu befördern. Hinzu kommt der Unterschied zwischen Girards eigener akademischer Praxis und Thiels politischem Handeln. Während Girard stets vor den Risiken mimetischer Dynamiken warnte und auf deren Begrenzung und Kontrolle pochte, scheint Thiel diese Mahnungen einerseits zu kennen, andererseits sie für eigene Zwecke zu instrumentalisieren.

Dies wirft Fragen nach seiner Selbstwahrnehmung als Girardianer auf und illustriert Spannungen zwischen philosophischem Anspruch und politischer Realität. Auch die Rolle von Robert Hamerton-Kelly, einem weiteren Mentor Thiels an Stanford, darf nicht unterschätzt werden. Hamerton-Kelly zeichnete eine schwerwiegende, pessimistische Sicht auf die menschliche Natur und den unentrinnbaren Kreislauf staatlicher Gewalt, die eher mit Calvinistischer Prädestination als mit Girards differenziertem Blick auf mimetische Gewalt harmoniert. Ihm zufolge sind Opfermechanismen und Gewalt reflexartig im Menschen verankert, eine Perspektive, die Thiels streng autoritären und machiavellistischen Äußerungen womöglich zugrunde liegt. René Girard selbst, wie durch seine späteren Arbeiten und auch persönliche Begegnungen belegt, war sich der Möglichkeiten der Fehlinterpretation bewusst.

Er mahnte zu einem verantwortungsvollen Umgang mit seinen Thesen und betonte, dass politische Initiativen im Lichte mimetischer Erkenntnisse stets dem Ziel der Gewaltminderung und der Achtung vor dem Opfer dienen müssen – ein Ziel, das in Thiels und Vances Praxis keineswegs evident ist. Die zentrale politische Gefahr dieser Fehlinterpretationen besteht darin, dass sich aus der Sorge um das Opfer eine Rhetorik der Gegenwehr formt, die neue Opfer schafft und exklusive Freund-Feind-Kategorien zementiert. Mit dem Sieg dieser Haltung droht die Erosion demokratischer Institutionen, die Girard als notwendig ansah, um mimetische Gewalt einzudämmen. Thiels Vision, eine post-liberale politische Ordnung durch eine elitäre, entschlossene Führung zu ersetzen, folgt genau dieser Logik. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die politische Kultur und den gesellschaftlichen Zusammenhalt vor allem in den USA.

Die Verschränkung von Girard-Lektüre mit anti-demokratischen Bewegungen führt zu einer paradoxen Situation: Girards kritische Erkenntnisse über Gewaltkreisläufe werden auch als Begründung für aggressive Politik angeführt, gegen die Girard selbst gewarnt hätte. Während die liberale Demokratie zunehmend in eine Identitätspolitik zerfällt, rumpelt Thiels dramatisch zugespitzte Strategie in den Vordergrund. Seine Forderung nach einem „neuen Kreuzzug“ und der Bereitschaft zu taktischen, auch extralegalen Maßnahmen fällt in eine Zeit, in der das Vertrauen in demokratische Verfahren schwindet und vereinfachte Gegnerschaften zunehmend gesellschaftliche Debatten dominieren. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Instrumentalisierung von Philosophie für politische Zwecke immer mit der Gefahr verbunden ist, den ursprünglichen Sinn der Gedanken zu verfälschen. René Girards Werk bietet ein mächtiges Werkzeug zur Analyse menschlicher Konflikte, doch seine missbräuchliche Vereinnahmung durch Persönlichkeiten wie Thiel und Vance zeigt, wie intellektuelles Kapital für politische Machtspiele missbraucht werden kann.

Damit steht die demokratische Gesellschaft vor der Herausforderung, einerseits die Einsichten Girards in ihr Verständnis von Gewalt und Opfer einzubeziehen, andererseits die Dialektik von Opferbewusstsein und exclusionärer Politik kritisch zu reflektieren. Nur so kann verhindert werden, dass der ausgefeilte philosophische Diskurs zu einem Mittel der Spaltung und Herrschaft wird, anstatt zur Grundlage eines friedlichen und gerechten Miteinanders.

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