Der Weltraum fasziniert die Menschheit seit jeher – und unser eigenes Sonnensystem birgt noch immer viele ungeklärte Geheimnisse. Eines der aufregendsten Themen der modernen Astronomie ist die Suche nach dem sogenannten Planet Neun, einem hypothetischen Planeten, der weit jenseits der Umlaufbahnen der bekannten Planeten versteckt sein könnte. Doch die Frage, ob Planet Neun tatsächlich alleine seine Bahnen zieht oder ob weitere, bislang ungesehene Welten in den tiefen Regionen unseres Sonnensystems existieren, wächst stetig an Bedeutung. Die Idee eines neunten Planeten jenseits von Neptun ist nicht neu, aber sie erlangte in den letzten zehn Jahren besonders viel Aufmerksamkeit. Anfang der 2010er Jahre fiel Astronomen auf, dass bestimmte Objekte im Kuipergürtel, einem Randgebiet des Sonnensystems, merkwürdige, zusammenhängende Bahnmuster aufwiesen.
Diese Anomalien konnten am besten durch die Gravitationswirkung eines massiven Körpers erklärt werden, der bisher unsichtbar geblieben war. Einige Wissenschaftler, darunter Mike Brown und Konstantin Batygin vom California Institute of Technology, formulierten die Hypothese von Planet Neun – einem Planeten, der fünf bis zehnmal so massereich wie die Erde sein könnte und sich in einer stark elliptischen Bahn zwischen 400 und 800 Astronomischen Einheiten (AU) von der Sonne entfernt aufhält. Die Suche nach diesem potenziellen Planeten gestaltet sich jedoch äußerst schwierig. Die große Entfernung bedeutet, dass Planet Neun im sichtbaren Spektrum extrem schwach und langsam beweglich erscheint. Klassische optische Teleskope stoßen daher an ihre Grenzen.
Hier kommen Infrarotbeobachtungen ins Spiel, die auf der thermischen Strahlung dieser weit entfernten und kalten Objekte basieren. Historische Datensätze des Infrarot-Weltraumteleskops IRAS aus den 1980er-Jahren wurden kürzlich erneut untersucht. Dabei konnten einige interessante Kandidaten ausgemacht werden, die möglicherweise Planet Neun oder andere große Objekte im äußeren Sonnensystem sein könnten. Ein spektakulärer Fund war die Entdeckung eines beweglichen Infrarotquells, der sich in einer Entfernung von etwa 500 bis 700 AU befand. Diese Daten basierten auf einem Vergleich zwischen IRAS und dem japanischen AKARI-Satelliten, der etwa zwei Jahrzehnte später ähnliche Messungen durchführte.
Die Analyse ergab nur eine begrenzte Anzahl von Quellen, die in beiden Datensätzen als dieselben Objekte erkannt wurden und Bewegungen zeigten, die auf eine tief im Sonnensystem liegende Masse hindeuteten. Trotz dieser Hinweise konnten Forscher auf Grundlage dieser Beobachtungen keine exakten Bahnen bestimmen. Die wissenschaftliche Gemeinschaft steht allerdings noch vor einigen Herausforderungen. So äußerte der Planet-Neun-Entdecker Mike Brown Zweifel daran, dass der identifizierte Infrarotkandidat tatsächlich Planet Neun sein könnte, da die berechnete Bahn des Objekts nicht mit den durch Simulationen erwarteten Einflussgrößen übereinstimmt. Ein Objekt auf einer stark geneigten Umlaufbahn würde nicht die beobachtete Anordnung der Kuipergürtelkörper erklären, und könnte sogar das ganze System instabil machen.
Diese Unsicherheiten führen zu der spannenden Möglichkeit, dass nicht nur ein einzelner großer Planet jenseits von Neptun existieren könnte. Verschiedene Theorien sprechen von einem „Äußeren System“, bestehend aus mehreren kleineren oder mittelgroßen Planeten, die aufgrund massiver Gravitationsprozesse wie dem sogenannten Gravitations-Schleuder-Effekt in weit entfernte, langgestreckte oder geneigte Orbits verdrängt wurden. Diese potenziellen Mitbewohner könnten von Mars- bis Super-Erde-Größe reichen und bislang unentdeckt geblieben sein, da ihre Masse zu gering ist, um große Gravitationsanomalien zu verursachen oder weil sie durch ihre distanzierte Position kaum Licht reflektieren. Ein weiterer faszinierender Aspekt ist die Erklärung der ungewöhnlichen Bahnen von Himmelskörpern wie Sedna, einem transneptunischen Objekt mit stark geneigter und weitläufiger Umlaufbahn. Deren Umlaufbahnen könnten durch die Gravitation eines oder mehrerer großer Unbekannter gesteuert sein.
Hierbei sind nicht nur isolierte Planeten interessant – es werden auch Theorien diskutiert, die sogar schwache Bindungen von Objekten aus anderen Sternsystemen in unserer Umgebung vorsehen, eingefangen durch die frühe Sternentstehungsphase unseres Sonnensystems. Die Suche und Erforschung von Planet Neun und seinen möglichen Begleitern sind nicht nur für die Astronomie von Interesse, sondern haben auch bedeutende Auswirkungen auf zukünftige Raumfahrtmissionen und unser Verständnis der Entstehung und Evolution von Planetensystemen. Geplante Observatorien wie das Vera Rubin Observatory („Large Synoptic Survey Telescope“) mit seiner enormen Reichweite und Bildfrequenz werden die Chancen erhöhen, der Realität dieser Planeten auf die Spur zu kommen. Durch wiederholte Himmelsdurchmusterungen kann das Bewegungssignal solch eines Planeten besser isoliert und Bahnparameter bestimmt werden. Parallel dazu denken Raumfahrtingenieure über Missionen nach, die gezielt in den äußeren Systembereich vordringen könnten.
Die enorme Distanz stellt enorme Herausforderungen an Antriebstechnologien und Missionsdauer. Doch eine gut geplante Sonde könnte, ähnlich wie die Voyager-Missionen, wertvolle Daten zum Aufbau des Sonnensystems und der Verteilung schwerer Objekte liefern. Langfristig wäre sogar denkbar, solch eine Sonde in eine Umlaufbahn um Planet Neun zu bringen oder dessen Schwerkraft für wissenschaftliche Experimente, beispielsweise zur Beobachtung von Gravitationslinseneffekten, zu nutzen. Die Frage, ob Planet Neun alleine seine Bahn zieht oder Teil eines Systems verborgener Welten ist, bleibt also aktuell offen. Die Wissenschaft steht an der Schwelle zu einer neuen Ära planetarer Entdeckungen innerhalb unseres Sonnensystems – möglicherweise vergleichbar mit der Entdeckung Neptuns im 19.