In der Welt der Softwareentwicklung und technischen Dokumentation spielt die Kommunikation eine zentrale Rolle. Ob es sich um RFCs, Design-Dokumente, technische Vorschläge oder interne Berichte handelt – der Leser will nicht nur wissen, wie etwas funktioniert, sondern vor allem warum eine bestimmte Lösung gewählt wurde. Dabei begegnet man häufig sogenannten Rechtfertigungsfloskeln, die auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen mögen, bei näherer Betrachtung aber wenig Aussagekraft besitzen und oft eher verwirren als aufklären. Diese Füllwörter oder Phrasen, wie zum Beispiel "Best Practice", "Industry Standard" oder "Security Posture", führen dazu, dass der eigentliche Grund hinter einer Entscheidung verschleiert wird. Statt klare Argumente zu liefern, erzeugen sie eine trügerische Sicherheit und erschweren es dem Leser, die Entscheidung wirklich zu verstehen oder kritisch zu beurteilen.
Ein häufig verwendetes Beispiel ist der Begriff "Best Practice". Er suggeriert, dass eine Methode oder eine Vorgehensweise die beste Lösung darstellt, losgelöst von einem bestimmten Kontext. In Wirklichkeit gibt es kaum universelle Best Practices. Was in einem kleinen Projekt hervorragend funktioniert, kann in einem großen Unternehmen schnell an seine Grenzen stoßen. Innerhalb verschiedener Bereiche der Softwareentwicklung – etwa Enterprise Engineering versus Spieleentwicklung – können die Anforderungen und Herausforderungen so unterschiedlich sein, dass sich eine vermeintliche Best Practice als ungeeignet erweist.
Dieses einfache Schlagwort verdrängt die dringend notwendige Diskussion über die tatsächlichen Vor- und Nachteile einer Methode und reduziert komplexe Entscheidungen auf eine bloße Behauptung. Ebenso taucht die Floskel "Industry Standard" häufig auf, besonders wenn es um Technologieentscheidungen geht. Die Argumentation dahinter ist einfach: Wenn viele Unternehmen eine bestimmte Lösung verwenden, muss diese automatisch die richtige sein. Zwar bringt eine etablierte Technologie zahlreiche Vorteile mit sich – eine große Community, erprobte Erweiterungen oder zahlreiche Dokumentationen –, jedoch wird schnell übersehen, dass sie nicht zwangsläufig für jedes Szenario optimal ist. Die Nachteile, die mit einem Wechsel zu einer solchen Technologie verbunden sind, bleiben oft unsichtbar.
Zudem wird selten erläutert, welche genau positiven Eigenschaften des sogenannten Standards für das eigene Projekt relevant sind. Daher fördert der Begriff eher eine Gruppendenke als eine wohlüberlegte, auf Fakten basierende Entscheidung. Ein weiterer beliebter Rechtfertigungsbegriff ist die "Security Posture". Die Sicherheit eines Systems ist zweifellos von hoher Bedeutung, und es werden zahlreiche Änderungen mit dem Versprechen begründet, die Sicherheit zu verbessern. Doch die bloße Erwähnung, dass eine Maßnahme die Sicherheitslage verbessert, reicht nicht aus.
Wie hoch ist die tatsächliche Risikominderung? Welche Bedrohungen werden konkret adressiert? Zu welchen Kosten und mit welchem Aufwand verbunden? Ohne diese Details bleiben solche Aussagen abstrakt und unzureichend. Das Risiko besteht darin, dass man Sicherheitsmaßnahmen implementiert, die entweder unnötig oder ineffektiv sind oder die Anwender durch zusätzlichen Aufwand und Komplexität demoralisieren. Die Herausforderung bei der Verwendung dieser Rechtfertigungsfloskeln liegt darin, dass sie zwar als rhetorisches Mittel dienen, um Entscheidungen zu legitimieren, jedoch häufig als Deckmantel für mangelnde fundierte Analyse verwendet werden. Dieses „Solutioning“ – also die Auswahl einer Lösung, bevor das Problem klar definiert wurde – führt dazu, dass Dokumente langatmig werden und statt Klarheit und Transparenz Verwirrung stiften. Die Folge ist, dass sowohl Entscheidungsträger als auch Ausführende nicht genau nachvollziehen können, welche Beweggründe eine Maßnahme wirklich hatte und wie die erhofften Vorteile gegen Nachteile abzuwägen sind.
Um diesem Problem entgegenzuwirken, empfiehlt es sich, bei der Erstellung technischer Dokumente und Vorschläge stets auf präzise und kontextbezogene Formulierungen zu setzen. Statt einfach nur einen Begriff wie "Best Practice" oder "Industry Standard" zu verwenden, sollte der Autor die dahinterstehenden Gründe explizit darlegen. Welcher Nutzen wird dadurch erzielt? Welche konkreten Probleme werden adressiert? Welche möglichen Nachteile oder Kompromisse gibt es? Wenn beispielsweise von einer Best Practice gesprochen wird, sollte erläutert werden, weshalb diese Methode als besonders geeignet für das vorliegende Projekt angesehen wird und welche empirischen oder theoretischen Grundlagen diese Einschätzung stützen. Im Fall von Technologien, die als "Industry Standard" bezeichnet werden, ist es sinnvoll, die Vorteile, wie die breite Unterstützung durch die Community, die Ausgereiftheit der Lösung oder die Integrationsmöglichkeiten, klar herauszuarbeiten. Gleichzeitig sollten mögliche Risiken oder Kosten offen angesprochen werden.
Diese Transparenz ermöglicht eine objektive Bewertung und erleichtert den Vergleich mit alternativen Optionen. Was die Sicherheitsaspekte betrifft, ist es notwendig, die Bedrohungsmodelle genau zu definieren und die Maßnahmen darauf abzustimmen. Jede Sicherheitsverbesserung sollte mit einer Einschätzung des Risikominimierungspotenzials versehen sein, begleitet von einer Analyse der Auswirkungen auf Benutzerfreundlichkeit und operative Abläufe. Nur so wird das Balanceverhältnis zwischen Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit nachvollziehbar. Eine bewusste Vermeidung von Rechtfertigungsfloskeln bedeutet nicht, dass Dokumente dadurch unübersichtlich oder komplizierter werden.
Im Gegenteil: Durch explizite und fundierte Begründungen gewinnen sie an Klarheit und Überzeugungskraft. Ein etwas ausführlicherer Text, der den Leser mit auf die Reise nimmt und die Gedankengänge offenlegt, ist wertvoller als eine kurze, aber vage Aussage, die Fragen aufwirft und Zweifel schürt. Darüber hinaus fördert eine solche Herangehensweise den kritischen Diskurs im Team und in der Organisation. Wenn Gründe transparent gemacht werden, können sie hinterfragt, geprüft und gegebenenfalls verbessert werden. So wird der Entscheidungsprozess demokratischer und das Ergebnis tendenziell besser und nachhaltiger.
Es ist jedoch auch wichtig, eine Balance zu finden zwischen Übererläuterungen und zu knappen Ausführungen. Nicht jeder Aspekt muss bis ins kleinste Detail erklärt werden. Die Kunst liegt darin, die wichtigsten Argumente prägnant und verständlich zu präsentieren, ohne den Leser mit unnötigen Informationen zu überfrachten. Ziel ist es, eine nachvollziehbare Argumentationskette zu schaffen, die plausibel macht, warum eine bestimmte Lösung gewählt wurde und welche Erwartungen damit verbunden sind. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Rechtfertigungsfloskeln in technischen Dokumenten zwar häufig vorkommen und scheinbar eine schnelle Erklärung liefern, letztlich aber meist unzureichend sind, um entscheidungsrelevante Klarheit zu schaffen.
Wer in der Dokumentation erfolgreich sein möchte, sollte diese Floskeln bewusst vermeiden und stattdessen auf klare, kontextbezogene und fundierte Begründungen setzen. Durch diese Praxis steigt nicht nur die Qualität der Dokumente, auch die Zusammenarbeit im Team und die Akzeptanz der getroffenen Entscheidungen werden verbessert. Ein bewusster Umgang mit Sprache und Argumentation ist also essenziell für erfolgreiche technische Kommunikation und letztendlich für den Erfolg von Projekten.