In den letzten Jahrzehnten ist die männliche Fruchtbarkeit weltweit deutlich zurückgegangen. Verschiedene Studien dokumentieren einen kontinuierlichen Abwärtstrend bei Spermienzahl und -qualität seit den 1940er Jahren, mit einem Anstieg der Infertilitätsraten bei Männern um fast 80 Prozent zwischen 1990 und 2019. Die Ursachen für diese alarmierende Entwicklung sind komplex und bisher nicht vollständig geklärt. Neben bekannten Faktoren wie Übergewicht, schlechter Ernährung und Umweltgiften rücken nun auch infektiöse Erkrankungen stärker in den Fokus der Forschung. Ein besonders überraschender neuer Akteur in diesem Bereich ist der Einzeller Toxoplasma gondii, ein Parasit, der bis zur Hälfte der Weltbevölkerung dauerhaft infiziert.
Toxoplasma gondii ist ein mikroskopisch kleiner Parasit, der sich vielseitig verbreitet und vielfältige Übertragungswege nutzt. Katzen spielen hierbei eine zentrale Rolle: Sie sind die Hauptwirte des Parasiten und scheiden dessen Eier über den Kot aus. Diese können in der Umwelt überleben und Menschen oder andere Tiere anstecken, wenn sie etwa Gartenboden, Wasser oder Lebensmittel kontaminieren. Neben der Aufnahme von Katzenkot kommen auch der Verzehr von ungekochtem oder unzureichend gegartem Fleisch sowie der Kontakt mit Erde und verschmutztem Wasser als Infektionsquellen infrage. Einmal infiziert, verbleibt der Parasit lebenslang als Zysten in verschiedenen Geweben des Körpers, insbesondere im Gehirn, in Muskeln und im Herz.
Bei gesunden Menschen verläuft die Infektion häufig symptomlos oder äußerst mild, doch die Persistenz der Zysten kann bei geschwächter Immunabwehr oder durch Reaktivierung ernsthafte gesundheitliche Folgen haben.Neuere wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Toxoplasma gondii nicht nur vielfältige Organe befällt, sondern auch direkt die männlichen Fortpflanzungsorgane attackieren kann. Bereits in der Zeit der AIDS-Pandemie der 1980er Jahre wurde bei einigen Patienten mit stark geschwächtem Immunsystem ein Befall der Hoden durch den Parasiten festgestellt. Diese Entdeckung wirft die Frage auf, ob Toxoplasma auch bei immunologisch gesunden Menschen in den Hoden oder anderen Teilen des männlichen Reproduktionssystems vorhanden sein kann. Experimentelle Studien an Mäusen bestätigten, dass der Parasit in kürzester Zeit nach einer Infektion das Hodengewebe erreicht und dabei auch Nebenhoden befällt, ein Organ, in dem die Spermien heranreifen und gelagert werden.
Ein besonders besorgniserregendes Ergebnis einer internationalen Studie aus dem Jahr 2025 zeigt, dass der Parasit in direkten Kontakt mit menschlichem Sperma eine regelrechte "Entkopplung" verursachen kann. Innerhalb von nur fünf Minuten wurden über zwanzig Prozent der Spermien in vitro durch den Parasiten „entköpft“. Bei längerem Kontakt erhöht sich dieser Anteil noch weiter. Nicht nur verlieren die Spermienzellen ihre Köpfe, die für die Befruchtung unerlässlich sind, sondern auch viele der verbliebenen Köpfe weisen Schädigungen und Verformungen auf. An einigen Stellen wurden sogar Öffnungen in den Köpfen der Spermien sichtbar, die darauf hindeuten, dass der Parasit versucht, in diese Zellen einzudringen – ähnlich wie er es in anderen befallenen Organen tut.
Neben der direkten Schädigung durch Toxoplasma spielen auch die chronischen Entzündungsreaktionen eine wichtige Rolle. Anhaltende Entzündungen im männlichen Genitalbereich beeinträchtigen die Spermienproduktion und deren Qualität erheblich. Da Toxoplasma eine langanhaltende persistente Infektion hervorruft, kann dies zu einer dauerhaften Belastung des Hormon- und Immunmilieus des Fortpflanzungssystems führen. Solche chronischen Zustand verschlechtern die Fruchtbarkeit zusätzlich und können langfristigen Schaden verursachen.Unterstützt werden diese experimentellen Befunde durch epidemiologische Studien, auch wenn die Datenlage noch nicht überall eindeutig ist.
So zeigte eine Untersuchung in Prag aus dem Jahr 2021, dass mehr als 86 Prozent der Toxoplasma-infizierten Männer an abnormen Befunden im Sperma litten. Andere Studien aus China lieferten Hinweise darauf, dass bei unfruchtbaren Paaren eine deutlich höhere Infektionsrate mit Toxoplasma vorliegt als bei Paaren mit normaler Fertilität. Männer, die als steril gelten, testeten demnach häufiger positiv auf den Parasiten als gesunde Kontrollgruppen. Dagegen gibt es auch Studien, die keinen klaren Zusammenhang zwischen der Infektion und der Spermienqualität finden konnten, was auf die Komplexität des Themas und mögliche regionale Unterschiede hinweist.Aufgrund der hohen weltweiten Verbreitung von Toxoplasma gondii, die je nach Region zwischen 30 und 50 Prozent der Bevölkerung liegt, hat der Parasit ein signifikantes Potenzial, die globale Rückentwicklung der männlichen Fruchtbarkeit zumindest teilweise mitverursacht zu haben.
Auch wenn weitere groß angelegte Studien notwendig sind, um den kausalen Zusammenhang endgültig zu bestätigen, sollten die gesundheitlichen Risiken des Parasiten nicht unterschätzt werden. Neben der möglichen Beeinträchtigung der Fertilität ist bekannt, dass eine Erstinfektion während der Schwangerschaft zu schweren Schädigungen des ungeborenen Kindes führen kann. Ebenso kann die Infektion bei immungeschwächten Personen lebensbedrohlich verlaufen.Daher ist die Prävention von Toxoplasmose von großer Bedeutung. Vor allem im Umgang mit Haustieren, insbesondere Katzen, sollten Hygienemaßnahmen strikt eingehalten werden.
Regelmäßiges und gründliches Händewaschen nach Kontakt mit Katzenkot oder Erde mindert die Ansteckungsgefahr erheblich. Das sorgfältige Waschen von Obst und Gemüse sowie das ausreichende Kochen von Fleisch sind weitere wirksame Schutzmaßnahmen. Auch der Verzicht auf den Verzehr von rohen oder unzureichend gegarten tierischen Produkten und Rohmilchprodukten empfiehlt sich, um das Risiko einer Infektion zu vermindern.Zusätzlich sollten vor allem Risikogruppen wie Schwangere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem über die Gefahren der Toxoplasmose aufgeklärt werden. Eine frühzeitige Diagnostik und Behandlung erlaubt, mögliche Komplikationen zu reduzieren.
Durch die zunehmende Aufmerksamkeit, die der Rolle von Toxoplasma in der Fruchtbarkeitsforschung geschenkt wird, könnte sich zukünftig auch in der medizinischen Praxis ein besseres Verständnis und gezieltere Therapieansätze entwickeln.Abschließend lässt sich festhalten, dass Toxoplasma gondii als unterschätzter Faktor im komplexen Geflecht der Ursachen männlicher Infertilität an Bedeutung gewinnt. Seine Fähigkeit, direkt menschliche Spermien zu schädigen und die Fortpflanzungsorgane zu infiltrieren, eröffnet neue Forschungsfelder und unterstreicht die Notwendigkeit von Prävention und Aufklärung. Die Sorge um die Fruchtbarkeit vieler Männer weltweit erfordert daher eine intensivere Auseinandersetzung mit den biologischen Auswirkungen dieses Parasiten. Gleichzeitig bleibt die Haltung zu Haustieren, insbesondere Katzen, ein Thema, das mit verantwortungsvollem Umgang und Wissen um die Übertragungswege zu einer gesünderen und sichereren Umwelt beiträgt.
Nur durch umfassende Maßnahmen und ein besseres Verständnis der vielfältigen Einflussfaktoren lässt sich dem Trend sinkender männlicher Fruchtbarkeit wirksam begegnen.