Computerwissenschaftliche Konferenzen haben seit jeher eine außergewöhnliche Rolle innerhalb der akademischen Welt eingenommen. Anders als in anderen Wissenschaftsdisziplinen, in denen Zeitschriften oft das Hauptmedium für die Publikation von Forschungsergebnissen sind, sind sie in der Informatik primär Plattformen, auf denen neue Erkenntnisse erstmalig vorgestellt werden. Diese Sonderstellung ist jedoch in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik geraten, da viele Experten und Forscher beobachten, wie sich Konferenzen in ihren eigenen bürokratischen Strukturen verfangen und damit ihre eigentliche Mission – die Förderung von Innovation und wissenschaftlichem Austausch – bedroht wird. Die Frage ist daher, wie man die „Fossilisierung“ dieser wichtigen Institutionen umkehren kann, um ihre Relevanz und ihr Potenzial wiederherzustellen.Der Kern der Problematik liegt in der zunehmenden Bürokratisierung und Karriereorientierung der Konferenzen.
Ursprünglich sollten diese Veranstaltungen in erster Linie dazu dienen, neue Ideen zu präsentieren und zu diskutieren. Heute sind sie oft zu einem jährlichen Bewertungs- und Leistungstest für Forschende verkommen, bei dem es weniger um die Qualität und Kreativität der Arbeit geht, sondern vielmehr darum, formale Kriterien zu erfüllen und Punkte für berufliche Fortschritte zu sammeln. Diese Dynamik führt dazu, dass viele wichtige, aber unvollständige oder experimentelle Studien abgelehnt werden, obwohl sie das Potenzial haben, das Forschungsfeld entscheidend voranzutreiben.In der Praxis bedeutet das, dass der Zulassungsprozess bei Konferenzen zunehmend von strengen, oft pedantischen formalen Anforderungen geprägt wird. Jede Konferenz entwickelt ihre eigene Subkultur von Regeln, die bestimmen, wie ein akzeptables Paper auszusehen hat – von der Zitierweise bis hin zu Sprachstil und Formatierung.
Solche Vorschriften sind meist wenig nachvollziehbar in Bezug auf ihre Bedeutung für die Forschungsqualität, dennoch können sie zur Ablehnung von innovativen Arbeiten führen, die nicht exakt dem vorgegebenen Muster entsprechen. Die Literatur zeigt deutlich, dass dieser standardisierte Ansatz oftmals den geistigen Entdeckungsprozess behindert, da echte Innovationen traditionell durch das Verlassen ausgetretener Pfade entstehen.Eine weitere Facette dieses Problems ist die Einbindung von Nachwuchswissenschaftlern in Positionen der Programmkomitees, oft unter dem Eindruck, dass diese eine Karrierestufe sind, die im Lebenslauf glänzen soll. Leider sind junge Gutachter manchmal weniger erfahren darin, wichtige wissenschaftliche Beiträge von konformen Arbeiten zu unterscheiden. Dies kann ebenso zu strengen und eher willkürlichen Ablehnungen führen, gerade wenn es darum geht, Abweichungen von der Norm zu bewerten.
Dabei sollte die Begutachtung eher als Dienst an der Gemeinschaft verstanden werden – eine Möglichkeit, echte Innovation gezielt zu fördern und nicht ausschließlich Nachwuchskarrieren zu unterstützen.Die starke Betonung auf Evaluation und Empirie innerhalb der Informatik, besonders in Teilgebieten wie der Softwaretechnik, trägt zudem dazu bei, dass theoretische oder konzeptuelle Forschung häufig unterrepräsentiert oder abgelehnt wird. Obwohl empirische Methoden die Wissenschaft zweifellos vorangetrieben haben, muss bedacht werden, dass manche Durchbrüche zunächst rein theoretisch und ohne die heute üblichen Messmethoden möglich sind. Ein gesundes Forschungsumfeld sollte Raum für beide Herangehensweisen bieten, um allumfassend Fortschritte zu ermöglichen.Um den aktuellen Zustand der Computerwissenschaftskonferenzen zu verbessern, ist ein mentaler Wandel im Umgang mit der Rolle der Programmkomitees und der Konferenzleitung erforderlich.
Die Verantwortlichen müssen sich darauf besinnen, dass sie nicht als Förderer von Karrieren agieren, sondern im Dienst des wissenschaftlichen Fortschritts stehen. Das bedeutet, Innovationskraft zu erkennen und auch unvollständige, aber vielversprechende Ideen zu fördern, anstatt sie strikt nach dem Buchstaben konventioneller Regeln abzulehnen. Zudem sollten bürokratische Hürden so weit wie möglich abgebaut werden, um den Forschenden mehr Freiheit und Kreativität bei der Darstellung ihrer Arbeit zu ermöglichen.Die Organisation und Leitung von Konferenzen sollte verstärkt von etablierten Experten übernommen werden, die das nötige Urteilsvermögen besitzen, um Substanz vor Form zu stellen. Die oft damit verbundenen administrativen Aufgaben dürfen dabei nicht fälschlicherweise als Karriereschritte gewertet werden, sondern sollten als ehrenamtliche Dienste ohne direkten persönlichen Nutzen für den wissenschaftlichen Prozess betrachtet werden.
Die Erholung der Konferenzformate und deren immense Bedeutung wurde zuletzt in der Zeit nach der Covid-19-Pandemie deutlich, als die wissenschaftliche Gemeinschaft ein starkes Bedürfnis zeigte, sich wieder persönlich zu treffen, auszutauschen und zu debattieren. Dies belegt, wie sehr Konferenzen über reine Publikationsplattformen hinausgehen und soziale wie intellektuelle Begegnungsorte sind. Durch die Fokussierung auf Inhalte statt formaler Zwänge kann diese zentrale Aufgabe wieder voll erfüllt werden.Beispiele aus der Vergangenheit wie die Publikationen von bahnbrechenden Arbeiten zeigen, dass viele Meilensteine nicht reibungslos durch Verfahren der heutigen Konferenzen gekommen wären. Das sollte uns dazu anregen, die Selektionsmechanismen so zu gestalten, dass sie Innovationen nicht in den Hintergrund drängen.