Am 28. April 2011, einem denkwürdigen Tag in der Geschichte von Bitcoin, erklärte ein früher Entwickler der Bitcoin-Community, Kiba, diesen Tag zu Satoshi Disappear Day – dem Tag, an dem der anonyme Schöpfer von Bitcoin, Satoshi Nakamoto, endgültig aus der Öffentlichkeit verschwand. Der Aufruf von Kiba war ein Aufruf zur Selbstständigkeit der Community: Da Satoshi nicht zurückkehren werde, müsse die Bitcoin-Gemeinschaft eigenständig ohne ihren Gründer fortbestehen können. Diese Selbstverpflichtung hat sich als wahr erwiesen, denn mehr als ein Jahrzehnt nach diesem Tag wächst Bitcoin weiter – größer und einflussreicher als viele es damals erwartet hätten. Im Zusammenhang mit diesem historischen Moment rückt ein vergleichsweise wenig bekanntes Ereignis zunehmend in den Fokus: Die Begegnung zwischen Gavin Andresen, dem damaligen führenden Entwickler von Bitcoin, und einem Vertreter der CIA.
Diese Begegnung fand nur wenige Tage vor dem offiziellen Rückzug Satoshis statt und führte zu einem besonderen Austausch, bei dem Andresen Bitcoins tatsächlich an einen CIA-Agenten verkaufte. Dieses Detail wirft ein faszinierendes Licht auf die Beziehung zwischen dem US-Geheimdienst und der aufkommenden Kryptowährung. Gavin Andresen, der nach dem Rückzug Satoshis zum Hauptentwickler wurde, hatte seine Bekanntschaft mit der CIA öffentlich auf dem Bitcointalk-Forum diskutiert. Im Juni 2011 nahm er an der jährlichen Konferenz von In-Q-Tel teil, einem Venture-Capital-Unternehmen, das von der CIA gegründet wurde, um in zukunftsweisende Technologien zu investieren, die für US-Behörden von Nutzen sein könnten. Das Thema der Konferenz lautete „Mobility of Money“.
Hier bot sich ihm die Gelegenheit, Bitcoin vor einem ausgewählten Expertenkreis zu präsentieren und seine potenziellen Anwendungsmöglichkeiten zu erläutern. Andresen veröffentlichte seine Präsentation zwar kurz danach öffentlich und sprach sogar in Podcasts über die Begegnung, doch die Sache erlangte erst viele Jahre später größere Bekanntheit. Die CIA zeigte offenbar Interesse an Bitcoin als neuartiger Zahlungsweg, vermutlich insbesondere aufgrund seiner pseudonymen, schnellen und relativ kostengünstigen Transaktionen. Laut Andresens eigenen Aussagen bestand für die CIA möglicherweise Interesse daran, Bitcoin für verdeckte Zahlungen und Operationen zu nutzen, was angesichts der Art der Arbeit der Agentur durchaus nachvollziehbar ist. Im Rahmen der Konferenz bot sich eine bemerkenswerte Situation: Ein CIA-Mitarbeiter wollte ein Exemplar von Bitcoin physisch besitzen, um es seinem Vorgesetzten zu zeigen.
Andresen hatte sogenannte Bitbills bei sich – physische Repräsentationen von Bitcoins, vergleichbar mit einem Geldschein, jedoch mit einem digitalen Wert im Hintergrund. Er verkaufte dem Agenten ein Bitbill-Bitcoin zum damaligen Preis von rund 15 US-Dollar. Damit könnte man sagen, dass der CIA offiziell eine der ersten Institutionen wurde, die Bitcoin in der Praxis erwarb. Die Bedeutung dieses Verkaufs liegt nicht nur im monetären Wert – der sich bis heute um ein Vielfaches vervielfacht hat –, sondern vor allem in den Implikationen für die Wahrnehmung und Entwicklung von Bitcoin. Bis dahin galt Bitcoin bei vielen noch als Obskurität, gesehen von Enthusiasten als eine rebellische Technologie gegen herkömmliche Finanzsysteme und staatliche Kontrolle.
Die Beteiligung einer wichtigen US-Behörde signalisiert, dass Bitcoin schon früh auf dem Radar wichtiger Akteure war. Doch trotz dieses Interesses intervenierte die CIA nie öffentlich in die Entwicklung oder den Betrieb von Bitcoin. Dies könnte daran liegen, dass Bitcoin offen zugänglich und quelloffen ist – jeder kann die Software verwenden, überprüfen und weiterentwickeln. Das dezentrale Wesen von Bitcoin bedeutet, dass eine einzelne Organisation oder Regierung keine unmittelbare Kontrolle erlangen kann. Gavin Andresen war sich dessen bewusst und äußerte, dass er die Transparenz gegenüber der CIA für nützlich hielt, um Vorurteile und Missverständnisse zu minimieren.
Die Zeit nach Satoshis Verschwinden war von intensiver Weiterentwicklung geprägt. Die Bitcoin-Software wurde über 70 Mal aktualisiert, Entwickler weltweit arbeiteten gemeinsam an der Verbesserung von Skalierbarkeit, Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit. Entscheidend war dabei die Erkenntnis, dass Bitcoin mehr als ein Projekt eines lonely geniuses ist – es ist ein Gemeinschaftswerk mit einer aktiven Entwickler- und Nutzerbasis. Die Mythologisierung von Satoshi Nakamoto als mysteriöse, fast verschleierte Figur hat allerdings nicht nur zur Faszination beigetragen, sondern auch für zahlreiche Spekulationen gesorgt. Autoren und Medien porträtierten Bitcoin wiederholt als Werkzeug von Kriminellen und als Experiment von Cypherpunks, die das etablierte System unterwandern wollten.
Satoshi selbst hatte in privaten Emails versucht, diesem Bild entgegenzuwirken und betonte die Wichtigkeit einer breit akzeptierten, offenen Projektentwicklung, die der Gemeinschaft den gebührenden Raum gibt. Die Tatsache, dass ein CIA-Agent Bitcoin kaufte, passt zu verschiedenen Theorien über mögliche Verbindungen zwischen staatlichen Institutionen und Bitcoin. Von manchen als „Lab Leak“-Theorie verspottet, behaupten Anhänger dieser Idee, dass Bitcoin genetisch mit Input oder Wissen aus der US-Regierung oder deren Agenturen entstanden sei. Eine harte Belastbarkeit für diese These gibt es nicht, doch das Interesse der CIA an Bitcoin zeigt, dass zumindest Beobachtung und Mitarbeit von Seiten der US-Regierung früh bekannt waren. Mit Blick auf den heutigen Stand von Bitcoin ist klar, dass das Fehlen Satoshis keineswegs zu einem Rückschritt führte.
Im Gegenteil, Satoshi Disappear Day stellt eine Art Symbol für die Reife und Stabilität der Bitcoin-Community dar. Die Fähigkeit, auch ohne den Erfinder zu gedeihen, hat Bitcoin zu einem Vermögenswert mit einer Marktkapitalisierung im Billionenbereich gemacht. Gavin Andresens Rolle in dieser Entwicklung bleibt ein wichtiger Baustein der Bitcoin-Geschichte. Er war nicht nur als Entwickler aktiv, sondern auch als Bindeglied zwischen der geheimnisvollen Anfangsphase und der breiten Popularisierung. Seine offene Kommunikation hinsichtlich des Kontakts zur CIA sowie der Verkauf von Bitcoins an staatliche Vertreter verleihen der Geschichte eine neue, spannende Dimension.
Interessanterweise blieb dieses Ereignis lange Zeit eher ein Nischenthema, bis es im Rahmen der wiederkehrenden Feierlichkeiten zu Satoshi Disappear Day beleuchtet wurde. Gerade an Tagen wie diesem zeigt sich, wie weit Bitcoin gekommen ist – von einem experimentellen Projekt eines anonymen Entwicklers zu einer globalen, digitalen Währung, die sogar offiziell durch eine der eingangs erwähnten großen Geheimdienste Berücksichtigung findet. In der heutigen Zeit, in der Kryptowährungen zunehmend in den Fokus von Regierungen, Zentralbanken und internationalen Organisationen rücken, bietet der Blick zurück auf diese frühe Episode wertvolle Einsichten. Er offenbart, dass die Debatte um die Rolle von Bitcoin fernab von bloßer Ideologie von Beginn an auch von pragmatischen Überlegungen über Sicherheit, Effizienz und Geldpolitik begleitet war. Abschließend ist Satoshi Disappear Day mehr als nur eine Erinnerung an einen anonymen Gründer.
Er ist ein Tag, der zeigt, dass eine Idee, die in den Händen vieler entfaltet wird, stärker ist als jede einzelne Person. Die Interaktion zwischen Gavin Andresen und dem CIA-Agenten symbolisiert zudem eine der spannendsten Schnittstellen zwischen Technologie, Geheimdienst und Wirtschaft. Es bleibt faszinierend, inwieweit diese Beziehung Bitcoin weiterhin beeinflusst und wie die digitale Währung die zukünftige Landschaft von Geld und Macht formen wird.