In der heutigen Welt der Künstlichen Intelligenz (KI) sind Chatbots zu unverzichtbaren Helfern geworden, die weit mehr leisten als bloße Textgenerierung. Ein herausragendes Beispiel dafür ist Claude, ein hochentwickelter KI-Chatbot, der durch einen außergewöhnlich umfangreichen und detailreichen Systemprompt gesteuert wird. Mit über 26.000 Tokens beziehungsweise rund 16.739 Wörtern stellt Claudes Systemprompt eine bemerkenswerte technische Errungenschaft dar, die exemplarisch zeigt, wie KI-Anwendungen zunehmend komplexe Anweisungen und Werkzeuge integrieren, um den Nutzern maßgeschneiderte und präzise Antworten zu liefern.
Dieser Artikel beleuchtet die Struktur, den Zweck und die Herausforderungen dieses einzigartigen Systemprompts und erklärt, warum Chatbots wie Claude mehr sind als reine Sprachmodelle. Zunächst ist es wichtig zu verstehen, was ein Systemprompt überhaupt ist. Im Kern handelt es sich dabei um eine Art „Einstellungen“ oder „Vorgaben“ für ein großes Sprachmodell (LLM, Large Language Model). Der Systemprompt legt fest, wie der Bot auf Benutzeranfragen reagieren soll – etwa in welchem Ton, mit welchen Hilfsmitteln oder basierend auf welchen Hintergrundinformationen. Im Fall von Claude ist der Systemprompt außergewöhnlich lang und komplex, fast um ein Vielfaches gegenüber anderen bekannten Chatbots.
Als Beispiel fällt der Vergleich mit OpenAIs ChatGPT ins Auge, dessen Systemprompt lediglich rund 2.218 Wörter umfasst. Diese enorme Ausweitung bei Claude ist kein Selbstzweck, sondern ein Spiegelbild seiner umfassenden Funktionalität. Der größte Teil von Claudes Systemprompt – etwa 80 Prozent – dreht sich um sogenannte „Tool Definitions“. Dabei handelt es sich um detaillierte Angaben und Anweisungen zu verschiedenen eingebundenen Werkzeugen, die Claude in Interaktionen mit Nutzern verwenden kann.
Diese Informationen stammen aus MCP-Servern (Model Control Protocol), welche von einfachen APIs abweichen. MCPs liefern der KI nicht nur die Möglichkeit, ein Werkzeug zu verwenden, sondern geben auch präzise Anweisungen, wann und wie diese Werkzeuge eingesetzt werden sollen. Insgesamt umfasst Claudes Systemprompt Informationen zu 14 unterschiedlichen Tools. Ein einfaches Beispiel ist ein Websuch-Tool, das klar beschreibt, wie bei einer Suchanfrage im Internet vorzugehen ist. Andere Tools sind deutlich komplexer, beispielsweise die Integration von Google Drive-Suchen, bei denen allein die Beschreibung über 1.
700 Wörter lang ist. Diese Tiefe erlaubt es Claude, sehr gezielt und sicher mit den Tools zu interagieren und deren Funktionen optimal zu nutzen. Abseits der MCP-abschnitte finden sich zusätzliche Werkzeuginstruktionen – etwa Hinweise zur Zitierung, Handhabung von Artefakten, Suchstrategien und besondere Vorsichtsmaßnahmen bei Google-Integrationen. Diese Auflistungen verdeutlichen, dass die Nutzung von Tools nicht nur technische Fragen sind, sondern auch eine sorgfältige Anwendungskontrolle benötigen. Zum Beispiel wird mehrfach darauf hingewiesen, dass Claude das Websuch-Tool nicht verwenden soll, wenn Informationen bereits in seinem Wissensfundus vorhanden sind.
Ein scheinbar kleiner Hinweis, doch offenbar eine schwer zu erzielende Verhaltensregel, die gewissenhaft im Prompt verankert ist. Ein besonders interessanter Abschnitt im Systemprompt sind die sogenannten „Google Integration Watchouts“. Obwohl diese nur wenige Zeilen umfassen, sind sie bedeutend für das reibungslose Funktionieren von Claudes Fähigkeiten bei der Google-Anbindung. So wird beispielsweise explizit darauf hingewiesen, dass Claude bei der Suche nach E-Mails für eine bestimmte Person niemals automatisch von deren Vornamen auf die korrekte E-Mail-Adresse schließen darf. Da es häufig Namensdopplungen gibt, muss Claude stattdessen erst eine Suche starten und die Ergebnisse mit dem Nutzer abstimmen.
Solche präzisen, fast schon kleinen Verhaltensänderungen zählen zu den „Hotfixes“, die im Prompt immer wieder auftauchen und zeigen, wie präzise und maßgeschneidert das Verhalten des Chatbots gesteuert wird. Am Ende des Systemprompts befindet sich ein Abschnitt, der als „Claude Behavior“ bezeichnet wird – die Verhaltensregeln des Chatbots. Diese Komponente setzt klare Leitplanken für die Art und Weise, wie Claude auf Eingaben reagieren soll. Sie hilft, typische Schwächen großer Sprachmodelle zu umgehen und ein vertrauenswürdiges Gespräch mit dem Nutzer zu gewährleisten. So wird beispielsweise festgelegt, dass Claude bei der Frage nach der Anzahl von Buchstaben oder Wörtern in einem Eingabesatz einzeln und explizit zählen muss, bevor er antwortet.
Dieses Vorgehen soll Verwirrungen bei kniffligen Anfragen vermeiden. Ein weiteres cleveres Beispiel ist die Handhabung von klassischen Logikrätseln. Claude wird angewiesen, vor einer Antwort jede Einschränkung oder Prämisse des Rätsels wortwörtlich zu zitieren, um sicherzustellen, dass keine Änderungen übersehen werden. Dadurch wird verhindert, dass der Bot eine leicht veränderte Version eines bekannten Rätsels automatisch mit der „Standardversion“ verwechselt und dadurch falsche Antworten gibt. Auch zukünftige Ereignisse werden im Behavior-Teil berücksichtigt: So behauptet der Prompt beispielsweise, Donald Trump sei der amtierende US-Präsident mit einer Amtszeit ab Januar 2025 – ein bewusst eingearbeiteter Hinweis, um den Wissensstand von Claude (bis Oktober 2024) zu simulieren, und vermutlich ein Test, wie der Bot mit Informationen umgehen kann, die außerhalb seines Trainingszeitraums liegen.
Nicht zuletzt findet sich darin eine ästhetisch interessante Anweisung, laut der Claude bei poetischen Anfragen auf abgedroschene Metaphern, Klischees oder vorhersehbare Reimstrukturen verzichten soll. Dieses Detail zeigt, dass der Prompt nicht nur funktional, sondern auch kreativ gestaltet ist, um besondere qualitative Erwartungen zu erfüllen. Die Organisation eines solch umfangreichen Systemprompts stellt für Anthropic, die Entwicklerfirma hinter Claude, eine technische und logistische Herausforderung dar. Damit der Prompt überhaupt handhabbar bleibt, wird eine XML-ähnliche Struktur verwendet, die die verschiedenen Komponenten klar voneinander trennt und für menschliche Bearbeitbarkeit eine bessere Übersicht schafft. Diese Strukturierung ist jedoch nicht nur für Entwickler sinnvoll, sondern unterstützt vermutlich auch die KI selbst, da sie so gezielter auf unterschiedliche Bereiche des Prompts zugreifen kann.
Ein weiteres spannendes Thema ist die Art und Weise, wie die Entwicklung und Pflege des Systemprompts organisiert wird. Aufgrund der vielen kleinen „Hotfixes“, also nachträglich ergänzten Details und Verfeinerungen, stellt sich die Frage, ob diese inkrementell eingepflegt werden oder in größeren Updates erfolgen. Ebenso ist offen, wie oft solch ein riesiges Dokument komplett neu geschrieben oder grundlegend überarbeitet wird. Die Praxis zeigt, dass solche Prompts iterativ weiterentwickelt werden, um stets auf neue Anforderungen und Erkenntnisse reagieren zu können. Abschließend zeigt Claudes Systemprompt eindrucksvoll, dass moderne Chatbots schon lange keine reinen Sprachmodelle mehr sind.
Vielmehr handelt es sich um komplexe Systeme, die aus dem eigentlichen Modell, einer Vielzahl von Werkzeugen sowie einer Vielzahl von Verhaltens- und Nutzungsvorgaben bestehen. Die Kunst der optimalen Interaktion liegt genauso in der Pflege und Gestaltung des Systemprompts wie in der zugrundeliegenden KI-Architektur. Diese Entwicklung ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Zukunft der KI im kombinierten Zusammenspiel von Modellintelligenz, Werkzeugintegration und präziser Nutzersteuerung liegt – ein faszinierendes Feld, dessen weitere Fortschritte mit Spannung zu verfolgen sind.