Die jüngste Klage einiger republikanisch geführter Bundesstaaten, angeführt vom texanischen Generalstaatsanwalt Ken Paxton, wirft den weltweit größten Vermögensverwaltern BlackRock, Vanguard und State Street vor, im Kohlemarkt eine kartellartige Marktbeherrschung zu betreiben. Der Vorwurf lautet, dass diese drei Finanzgiganten, oft als die ‚Großen Drei‘ bezeichnet, ihre bedeutenden Beteiligungen an Kohleunternehmen genutzt hätten, um die Kohleproduktion künstlich zu beschränken und dadurch Preise und Marktstrukturen zu verzerren. Im Mittelpunkt der Kontroverse steht zugleich die Frage, wie moderne Asset-Manager im Spannungsfeld zwischen passivem Investieren, Shareholder-Aktivismus und Wettbewerbsschutz agieren dürfen, ohne gegen geltendes Kartellrecht zu verstoßen. Die grundlegende Basis dieser Klage liegt in der Annahme, dass BlackRock, Vanguard und State Street durch die Koordination ihrer Investitionen in Kohleunternehmen eine Art Oligopol gebildet haben, das Marktentwicklungen im Energiesektor nicht nur beeinflusst, sondern aktiv manipuliert haben soll. Dabei wird argumentiert, dass durch das Zurückfahren der Kohleförderung nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit dieses traditionellen Energiesektors beeinträchtigt wird, sondern auch die Energiepreise für Verbraucher und Unternehmen ansteigen.
Die Kläger sehen hier eine erhebliche Beeinträchtigung der inländischen Energieproduktion und damit der Energiesouveränität der Vereinigten Staaten. Für die Klägerseite ist die Sache klar: Wer als Vermögensverwalter Millionen von Aktienpositionen an direkten Konkurrenten hält und gleichzeitig Einfluss auf deren Geschäftsstrategie und Ausstoßmengen nimmt, muss sich fragen lassen, ob hier die Grenzen legalen Investments überschritten werden. Die zentrale Behauptung lautet, die Asset Manager hätten sich zu einer Art Kartell zusammengeschlossen, um gemeinsam Entscheidungen zu treffen, die den Wettbewerb ausschalten oder zumindest erheblich einschränken. Die Zusammensetzung der drei beschuldigten Parteien ist dabei geradezu emblematisch für die Machtkonzentration auf den Finanzmärkten. BlackRock, Vanguard und State Street verwalten gemeinsam Billionen von US-Dollar in Anlagevermögen.
Ihre Beteiligung an Unternehmen aller Sektoren ermöglicht es ihnen, auf Unternehmensebene mitzuentscheiden – sei es durch Stimmenrechtsausübung oder den direkten Dialog mit dem Management. Dieses Ausmaß an Einfluss, so die Meinung der Kläger und mittlerweile auch der US-amerikanischen Wettbewerbsbehörden FTC (Federal Trade Commission) und DOJ (Department of Justice), kann nicht ohne Kontrolle bleiben, da es potenziell die Funktionsweise des Wettbewerbs in wichtigen Wirtschaftszweigen verzerren könnte. Interessant ist, wie die FTC und das DOJ ihre Unterstützung für die Klage formulieren. In einer gemeinsamen Erklärung betonten die Behörden, dass sie ein starkes Interesse an der korrekten Anwendung des Kartellrechts haben, insbesondere in den energiepolitisch sensiblen Märkten. Die Behörden stellen heraus, dass Wettbewerbsbeschränkungen in der Energieproduktion nicht nur wirtschaftliche Schäden verursachen, sondern auch energiepolitische Ziele der USA gefährden.
Die Vereinigten Staaten streben derzeit eine Stärkung ihrer Energieunabhängigkeit an, und wettbewerbswidriges Verhalten, das die Produktion in zentralen Sektoren wie der Kohle beeinträchtigt, steht diesem Ziel entgegen. Dieses behördliche Statement ist bemerkenswert, weil es gleichzeitig traditionelle wirtschaftliche Argumente mit jüngeren politischen Initiativen verknüpft. Die Unterstützung der Klage durch die FTC und das DOJ erfolgt vor dem Hintergrund einer präsidentiellen Durchführungsverordnung aus der Zeit der Trump-Administration, die explizit Maßnahmen gegen staatliche Klima- und ESG-Politiken (Environmental, Social, Governance) vorsieht. Diese Verordnung soll sicherstellen, dass Energieressourcen nicht unnötig durch politische Initiativen eingeschränkt werden, und sieht die Wettbewerbsregeln als ein Mittel zum Schutz der nationalen Energiesicherheit. Die Position der ‚Großen Drei‘ hingegen ist eine Abwehrhaltung, die die Anschuldigungen als unbegründet zurückweist.
Die beteiligten Vermögensverwalter argumentieren, dass ihre Investitionen im Einklang mit geltendem Recht und Marktprinzipien stehen und dass sie weder eine koordinierte Strategie zur Beschränkung der Kohleproduktion verfolgen noch ein illegaler Kartellvertrag geschlossen wurde. Aus ihrer Sicht handelt es sich bei den Investitionen um passives Management und legitime Unternehmensführung, die innerhalb der bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen liegt. Ihre im März eingereichte Anfechtung der Klage betont, dass die vorgelegten Fakten keine stichhaltige Grundlage für die erhobenen Anschuldigungen bieten und es vielmehr um eine komplett unbelegte Verschwörungstheorie gehe. Das Verfahren zeigt exemplarisch, wie schwierig es ist, die Grenzen zwischen legaler Einflussnahme von Großanlegern und unzulässiger Marktabsprachen zu definieren. In einem globalisierten Kapitalmarkt, in dem institutionelle Investoren häufig große Mehrheitsbeteiligungen an miteinander konkurrierenden Unternehmen halten, kann es zu Situationen kommen, in denen die Kartellrechtsprinzipien neu interpretiert werden müssen.
Die Frage, ob passives Investieren Grenzen hat und ob gemeinsames Aktionärseinflussnehmen auf Wettbewerber bereits eine Form der Koordination darstellt, wird in diesem Kontext intensiv diskutiert. Darüber hinaus verdeutlicht der Fall die wachsende politische Dimension von ESG-Themen. Während ESG-Investitionen oft als Weg zu nachhaltigerer Wirtschaft gepriesen werden, sehen einige politische Akteure hier eine Einschränkung der wirtschaftlichen Freiheit und Wettbewerbsfähigkeit traditioneller Sektoren. Insbesondere in republikanisch geführten Bundesstaaten wird der Klimaschutz teilweise als Bedrohung der industriellen und energetischen Basis interpretiert, weshalb Verfahren wie das vorliegende auch als politische Kampfzonen zwischen unterschiedlichen Wirtschafts- und Umweltideologien gelten. Die gerichtliche Entscheidung über die Klage wird somit nicht nur erhebliche Folgen für die drei beteiligten Vermögensverwalter haben, sondern auch wegweisend für die künftige Wettbewerbs- und Energiepolitik in den USA sein.
Ein Erfolg der Klage könnte zu schärferen Regulierungen führen, die Vermögensverwalter stärker in die Verantwortung nehmen hinsichtlich ihrer Aktienhaltungen bei Wettbewerbern und deren Einfluss auf Marktstrukturen. Gleichzeitig könnte eine Abweisung den Handlungsspielraum institutioneller Investoren weiter stärken. Neben den rechtlichen und politischen Implikationen steht die Energiebranche vor der Herausforderung, wie sie sich in einem zunehmend regulierten und politisierten Umfeld behaupten kann. Die Kohleindustrie, die seit Jahren sowohl durch Marktkräfte als auch durch politische Programme unter Druck steht, muss sich nun zusätzlich gegen Kartellvorwürfe und regulatorische Maßnahmen verteidigen, die ihre Existenzweise und Produktionsstrategie massiv beeinflussen könnten. Auf der anderen Seite stehen Verbraucher und Unternehmen, die auf eine stabile und bezahlbare Energieversorgung angewiesen sind.
Wettbewerbsbeschränkungen, die zu Angebotsverknappungen führen, können Preise in die Höhe treiben. Die staatlichen Wettbewerbsbehörden sehen daher in der Durchsetzung von Kartellgesetzen eine wichtige Schutzfunktion, die nicht nur wirtschaftliche Fairness, sondern auch die nationale Energieversorgungssicherheit gewährleistet. Insgesamt zeigt der Fall, wie eng Wirtschafts-, Energie- und Wettbewerbspolitik heute miteinander verflochten sind. Die Rolle großer Vermögensverwalter im Markt wird dabei zunehmend kontrovers diskutiert, da ihre Machtposition weit über traditionelle Investmentfunktionen hinausgeht und als potenzielle Gefahr für die Marktdynamik wahrgenommen wird. Der juristische Prozess wird Aufschluss darüber geben, wie traditionelle kartellrechtliche Prinzipien in einem höchst komplexen, modernen Umfeld angewendet werden können.