In den letzten Jahren galten die Vereinigten Staaten als eine der attraktivsten Ziele für ausländische Investitionen. Die robuste Wirtschaft, die Innovationskraft vieler Unternehmen und die stabile politische Struktur haben Investoren weltweit Vertrauen geschenkt. Doch in jüngster Zeit mehren sich Zeichen, dass ausländische Kapitalgeber ihre Engagements überdenken und teilweise sogar reduzieren. Die Ursachen hierfür sind vielfältig, reichen von Handelsstreitigkeiten bis zu einer wachsenden Unsicherheit über die Zuverlässigkeit der USA als Wirtschaftspartner. Ein Blick auf diese Entwicklungen zeigt, warum viele ausländische Investoren zögern und welche Auswirkungen dies für den US-Markt haben kann.
Zunächst haben die eingeführten Zölle und Handelsbeschränkungen in den letzten Jahren für erhebliche Unruhe an den globalen Finanzmärkten gesorgt. Diese Maßnahmen wirken sich nicht nur direkt auf Unternehmen aus, die auf Import- und Exportgeschäfte angewiesen sind, sondern erschüttern auch das Vertrauen in die langfristige Planbarkeit von Investitionen. Wirtschaftsexpertin Rebecca Patterson, ehemalige Chefstrategin beim Investmentfonds Bridgewater Associates, wies in einem Interview darauf hin, dass viele Investoren mittlerweile große Skepsis gegenüber den USA zeigen. Besonders Besorgnis erregt die sogenannte „Waffengebrauchung“ von Kapitalmärkten – also die gezielte Nutzung von wirtschaftlichen Instrumenten als politisches Druckmittel. Diese Entwicklung stellt eine fundamentale Herausforderung für das Vertrauen ausländischer Geldgeber dar.
Bei den jährlichen Treffen von bedeutenden internationalen Finanzinstitutionen wie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds wurde deutlich, dass ein „großer Teil der ausländischen Investoren“ Zweifel an der Verlässlichkeit der USA als Handelspartner hat. Die Kombination aus protektionistischen Maßnahmen, unvorhersehbaren politischen Entscheidungen und zusätzlichen regulatorischen Hürden trägt dazu bei, dass Anleger ihre Investitionsstrategien anpassen. Dies wird besonders deutlich vor dem Hintergrund des erheblichen Volumens an US-Vermögenswerten, die sich im Besitz ausländischer Anleger befinden. Allein nach den neuesten Zahlen des US-Finanzministeriums halten ausländische Investoren Vermögenswerte im Wert von etwa 31 Billionen US-Dollar in den Vereinigten Staaten. Die Sorge vieler Investoren besteht darin, dass aufgrund der momentan hohen US-Engagements – über die letzten Jahre sind diese stark angewachsen – ein Rückzug oder die Reduktion der Bestände ein signifikantes Kapitalvolumen freisetzen könnte.
Rebecca Patterson beschreibt diese Dynamik als „Trimmen der Spitzen“ – Investoren würden sich nicht sofort komplett vom US-Markt zurückziehen, sondern ihr Engagement graduell reduzieren, um ein Risiko-Einschluss auf US-Anlagen zu kompensieren. Dabei könnte eine vorsichtige Reduzierung von wenigen Prozentpunkten bei großen institutionellen Anlegern wie Pensionsfonds oder Staatsfonds bereits Milliardenwerte an Kapitalabflüssen bedeuten. Konkret nannte sie eine Summe von bis zu 1,2 Billionen Dollar, die in diesem Szenario innerhalb von Monaten aus US-Aktien und US-Staatsanleihen abfließen könnten. Der Prozess des Kapitalabzugs wird nicht abrupt, sondern eher als „langsames Ausbluten“ beschrieben. Die Entscheidung großer internationaler Fonds, ihre Portfolios anzupassen, benötigt Zeit und sorgfältige Planung.
Dennoch haben erste Indikatoren wie Umfragen von Bank of America Global Research bereits eine Rekordverkäufe von US-Aktien seit Anfang 2025 dokumentiert. In der monatlichen Befragung von Fondsmanagern ist auffällig, dass die Netto-Gewichtung von US-Aktien um etliche Prozentpunkte abgesunken ist. Ein derart starker Rückgang in so kurzer Zeit gilt als Ausnahme und belegt die wachsende Zurückhaltung gegenüber US-Investments. Die Unsicherheit beruht nicht nur auf kurzfristigen ökonomischen Faktoren, sondern auch auf einer langfristigen geopolitischen und regulatorischen Entwicklung. Die Globalisierung durchläuft derzeit eine Phase der Neujustierung, in deren Verlauf traditionelle Handelsbeziehungen und Finanzströme neu überdacht werden.
Die USA sehen sich in einem härter werdenden Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsräumen wie der Europäischen Union und insbesondere China, das seine Finanzmärkte zunehmend öffnet und attraktive Alternativen für Investoren bietet. Zudem sorgt die zunehmende politische Polarisierung in den Vereinigten Staaten für ein instabiles Klima, das wenig Raum für berechenbare wirtschaftspolitische Entscheidungen lässt. Für die US-Wirtschaft könnte ein dauerhafter Rückzug ausländischer Kapitalgeber spürbare Folgen haben. Viele Unternehmen sind auf ausländische Investitionen angewiesen, um Innovationen zu finanzieren, Wachstum zu realisieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Kapitalmärkte verlieren durch den Rückzug an Liquidität und Dynamik, was sich negativ auf die Bewertungen und das allgemeine Investitionsklima auswirken kann.
Gleichzeitig erhöhen sich für die Inlandsmärkte die Zinsen, da die Nachfrage nach Anleihen sinkt. Dies verteuert die Kreditaufnahme für Unternehmen und Haushalte und kann somit die wirtschaftliche Entwicklung abschwächen. Trotz der Herausforderung gibt es auch Chancen für den US-Markt, sich neu aufzustellen. Eine verstärkte Fokussierung auf inländische Investitionen und die Förderung von Innovationen können neue Impulse setzen. Zudem besteht die Möglichkeit, die Handels- und Finanzpolitik transparenter und stabiler zu gestalten, um Vertrauen zurückzugewinnen.