Die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI) und insbesondere von Edge AI verlangt zunehmend nach intelligenten Lösungen, die nicht nur leistungsfähig, sondern auch extrem energieeffizient sind. In diesem Zusammenhang gewinnen neuromorphe Chips, die neuronale Prozesse des menschlichen Gehirns nachahmen, immer mehr an Bedeutung. Im Fokus steht dabei die sogenannte Spiking Neural Network (SNN) Technologie, die vor allem durch ihre Fähigkeit besticht, Rechenoperationen mit deutlich geringerer Latenz und Energieverbrauch durchzuführen. Ein bahnbrechendes Beispiel hierfür ist der neu entwickelte Pulsar-Chip des niederländischen Unternehmens Innatera, der als weltweit erster kommerziell verfügbarer neuromorpher Mikrocontroller für ultraniedrige Leistungsaufnahme und hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit konzipiert wurde. Neuromorphe Chips sind von der Funktionsweise unseres Gehirns inspiriert.
Im Gegensatz zu klassischen Prozessoren, die auf regelmäßige Taktgeber angewiesen sind, kommunizieren SNN-basierte Systeme über diskrete, zeitlich getaktete Impulse, sogenannte „Spikes“. Diese Funktionsweise erlaubt es, nur dann Energie zu verbrauchen, wenn tatsächlich signifikante Informationen verarbeitet werden müssen, was drastische Einsparungen beim Stromverbrauch bedeutet. Zudem minimiert die spärliche Aktivität des Chips den Datendurchsatz und die daraus resultierende Belastung von Speicher und Bandbreite. Mit Pulsar bringt Innatera eine Hybrid-Architektur auf den Markt, die sowohl analoge als auch digitale Spiking-Kerne vereint. Während die analogen Kerne besonders energieeffizient sind, punkten die digitalen Kerne mit hoher Programmierbarkeit und Flexibilität.
Das ermöglicht Entwicklern, je nach Anwendungsfall die passende Kombination aus Performance und Leistung zu wählen. Zusätzlich ist der Chip mit spezialisierten Hardwarebeschleunigern ausgestattet, die klassische KI-Modelle wie Convolutional Neural Networks (CNN) effizient ausführen und komplexe Signalverarbeitung per Fast Fourier Transformation (FFT) unterstützen. Abgerundet wird das System durch einen 32-Bit RISC-V CPU-Kern, der mit einer Taktfrequenz von 160 MHz für Systemmanagement und Steuerungsaufgaben sorgt. All diese Komponenten sind auf einem äußerst kompakten Chip mit Abmessungen von nur 2,8 mal 2,6 Millimetern untergebracht, was Integration in verschiedenste Sensoranwendungen erleichtert. Was Pulsar besonders hervorhebt, ist nicht nur die reine neuromorphe Rechenleistung, sondern vor allem die ganzheitliche Systemintegration.
Oftmals leiden andere neuromorphe Systeme darunter, dass ihr Energieeffizienzvorteil durch hohen Kommunikationsaufwand mit externer Peripherie wieder aufgehoben wird. Innatera hat hier das gesamte Ökosystem konzentriert, sodass der Chip als Komplettlösung fungiert und direkt an Sensoren angeschlossen werden kann. Dies vereinfacht die Hardware-Architektur, bringt schnellere Entwicklungszyklen mit sich und erhöht die Stabilität und Batterielaufzeit von Endprodukten signifikant. Für Anwendungen im Bereich der Sensorik eröffnet Pulsar neue Möglichkeiten insbesondere dort, wo Geräte lange autonom und „always-on“ arbeiten müssen, dabei aber nur minimalste Leistungsaufnahme tolerieren. Beispielhafte Einsatzfelder sind smarte Türsprechanlagen, die in konventionellen Ausführungen oft durch Störungen wie bewegte Bäume oder flackerndes Licht Fehlalarme auslösen und nach wenigen Wochen eine neue Batterieladung erfordern.
Dank der hochpräzisen, radarbasierten Bewegungserkennung auf Pulsar-Basis lassen sich Personen sogar an ihrer Atembewegung erkennen und von anderen Bewegungen in der Umgebung zuverlässig unterscheiden. Dies verlängert die Batterielebensdauer bei solcher Sensorik deutlich – von wenigen Wochen auf bis zu 18 Monate – und schützt gleichzeitig die Privatsphäre, da keine Kameradaten generiert oder in einer Cloud gespeichert werden müssen. Die Herausforderung neuromorpher Systeme war lange Zeit die Komplexität in der Programmierung und Modellentwicklung. Innatera begegnet diesem Problem mit der Einführung des Talamo Software Development Kits (SDK), das eine einfache Modellierung von Spiking Neural Networks in einer PyTorch-basierten Umgebung erlaubt. So senkt das SDK die Einstiegshürde für Entwickler, die noch keine Deep Expertise in neuromorpher Technik besitzen.
Ergänzend dazu hat das Unternehmen ein Entwicklerprogramm gestartet, das Hardware- und Softwarekits für eine wachsende Community bereitstellt, um Innovationen zu fördern und neue Anwendungsgebiete zu erschließen. Unternehmen aus den Bereichen Internet of Things (IoT), industrielle Automation sowie Konsumelektronik können von der Integration solcher intelligenter Sensorchips stark profitieren. Ultrakompakte, energiesparende und dennoch hochperformante neuromorphe Chips erlauben es, komplexe KI-Aufgaben direkt am Netzwerkrand auszuführen, ohne auf entfernte Rechenzentren angewiesen zu sein. Dies reduziert Latenzen drastisch, was in sicherheitskritischen Anwendungen lebenswichtig sein kann, und entlastet gleichzeitig kostspielige Dateninfrastrukturen. Darüber hinaus trägt die energieeffiziente Verarbeitung zu nachhaltigen Lösungen bei, die mit begrenztem Energie- und Ressourceneinsatz lange Betriebszeiten ermöglichen – unabdingbar für den großflächigen Einsatz in Sensoren mit Batterie- oder Energy-Harvesting-Versorgung.