Die technologische Landschaft befindet sich im Wandel – und Microsoft steht erneut im Zentrum dieser Entwicklung. Mit seiner jüngsten Vision, einem offenen Internet für KI-Agenten, verfolgt das Unternehmen einen mutigen und vielseitigen Ansatz, der weit über einfache Anwendungen von Künstlicher Intelligenz hinausgeht. Unter der Leitung von CTO Kevin Scott hat Microsoft auf der Entwicklerkonferenz Build 2025 eine Manifestierung dieses Zukunftsbildes präsentiert, das einen Paradigmenwechsel sowohl in der Nutzung als auch in der Integration von KI verspricht. Der Kern von Microsofts Vision ist einfach, aber ambitioniert: KI-Agenten sollen als eigenständige, aktive und interoperable Akteure im Internet agieren, ähnlich wie Browser es heute bereits mit Servern tun. Dabei sprechen Agenten nicht nur mit Menschen, sondern auch miteinander – ein vernetztes Ökosystem, das die Arbeit von Unternehmen, Entwicklerinnen und Entwickler sowie Endnutzerinnen und Endnutzern grundlegend verändert.
Der Schlüssel zum Erfolg dieser Agenten liegt in ihrem Zugang. Ohne eine umfassende Erlaubnis, nicht nur auf lokale Computerressourcen, sondern auch auf weitere Anwendungen und Datenquellen im Internet zugreifen zu können, bleiben KI-Modelle isolierte Werkzeuge ohne volle Wirkungskraft. Microsoft beschreibt KI-Modelle treffend als „Jet Engines“ – mächtige Antriebssysteme, die aber ohne das passende Flugzeug kaum sinnvoll eingesetzt werden können. In diesem Bild sind die Agenten die Piloten, die diese Engines steuern und ihnen Zugang zu den richtigen Daten verschaffen. Eine wichtige technologische Grundlage für diese offene Agenten-Revolution bildet der sogenannte Model Context Protocol (MCP).
Ursprünglich von Anthropic entwickelt, fungiert MCP als offener Standard, der es groß angelegten Sprachmodellen (LLMs) ermöglicht, auf verschiedenste Datenquellen zuzugreifen und so ihre Antworten kontextuell zu optimieren. Microsoft implementiert MCP nicht nur in seinen Cloud-Diensten wie Azure, sondern integriert das Protokoll tief in die Windows-Plattform, um eine nahtlose Verbindung zwischen KI und Anwendungen auf dem Endgerät zu garantieren. Parallel dazu startet Microsoft mit NLWeb eine innovative Lösung, die bestehende Websites automatisiert für KI-Agenten zugänglich macht. Durch die Erstellung strukturierter Daten, die Chatbots leicht interpretieren können, wird der bislang oft fragmentarische und schwer zugängliche Content im Web zu einem einheitlichen Informationsangebot. Dieser Ansatz erinnert an die Vision des Semantic Web, das schon vor Jahren große Hoffnungen geweckt hatte, nun aber erst durch KI eine praktische Umsetzung findet.
Somit können Nutzerinnen und Nutzer künftig mit ihren Agenten direkt auf die Inhalte von Websites zugreifen und diese intuitiver nutzen. Ein weiterer essenzieller Baustein der Microsoft-Strategie ist der Aufbau einer „Runtime“-Schicht, die die Funktionalität von Agenten erst ermöglicht und zugleich ihre Effizienz steigert. Diese Schicht beinhaltet Komponenten wie ein Gedächtnis für Agenten, um Kontext über längere Interaktionen hinweg zu speichern, sowie Berechtigungssysteme, die den kontrollierten Zugriff auf Daten regeln. Dadurch können Agenten nicht nur Informationen vermitteln, sondern aktiv Aufgaben übernehmen, wie etwa das Management von Terminen, das Filtern von E-Mails oder das Ausführen von Onlinerecherchen – natürlich alles unter der Kontrolle des Nutzers. Was Microsoft mit diesem Vorhaben anstrebt, ist mehr als die bloße Verbesserung einzelner KI-Funktionen.
Satya Nadella, CEO von Microsoft, und Kevin Scott betonen immer wieder die Bedeutung eines offenen Ökosystems. Das Ziel ist ein Agentic Web, in dem verschiedene KI-Anbieter, Dienste und Anwendungen nahtlos miteinander interagieren, ohne von proprietären Plattformen eingeschränkt zu werden. Diese Offenheit kann ein Innovationsmotor werden: Startups und Entwicklerteams erhalten die Freiheit, auf der Infrastruktur von Microsoft aufzusetzen, gleichzeitig aber ihre eigenen kreativen Ideen umzusetzen und zu skalieren. Im Rahmen der Build-Konferenz wurde zudem eine bedeutende Neuerung im Bereich der Softwareentwicklung vorgestellt: Github Copilot erhält einen eigenen KI-Agenten. Copilot, ein Tool zur Unterstützung von Entwicklern beim Programmieren, war bereits eine der ersten erfolgreichen Anwendungen von KI im Coding-Bereich.
Mit dem Agenten wird die Bedienung noch intuitiver und effektiver, da Nutzer direkt in der Entwicklungsumgebung mit ihrem virtuellen Assistenten interagieren können. Der Copilot-Agent basiert dabei nicht mehr auf Modellen von OpenAI, sondern auf „Claude Sonnet 3.7“, was eine spannende Entwicklung im Wettbewerb zwischen großen KI-Anbietern markiert. Diese Erweiterung bringt eine neue Dimension für Entwicklerinnen und Entwickler mit sich: Fehlersuche, Codeerstellung oder Featureerweiterungen werden durch den Agenten intelligenter und maßgeschneiderter. Ebenso wird erwartet, dass durch die Integration des Agenten im Github-Ökosystem sich die Produktivität und Kreativität von Teams deutlich steigert.
Die Bedeutung von Microsofts Vorstoß spiegelt sich nicht zuletzt im Umfang wider: Millionen von Nutzern greifen täglich auf Microsoft-Produkte zurück, von Windows über Office bis zu Cloud-Diensten. Die Grundinfrastruktur der digitalen Welt ist damit für die Integration von Agenten optimal vorbereitet. Zudem hält Microsoft eine strategische Beteiligung an OpenAI und profitiert von der Wechselwirkung zwischen eigenen Entwicklungen und den Fortschritten bei OpenAI-Sprachmodellen. Allerdings ist Microsofts Vision nicht nur technologiegetrieben, sondern auch kulturell tief verankert. Kevin Scott zeigt in Interviews, wie wichtig ihm Handwerk und kreative Tätigkeiten neben der Technologie sind.
Seine Leidenschaft für handgemachte Taschen und Keramik steht exemplarisch für einen Ansatz, der Technologie als Werkzeug zur Erweiterung menschlicher Fähigkeiten sieht und nicht als Ersatz. Dieser Mensch-zentrierte Fokus ist essenziell für das Vertrauen in KI und die Akzeptanz in der breiten Bevölkerung. Mit dem offenen Agenten-Netzwerk wird ein Fundament geschaffen, das nicht nur die Produktivität steigert, sondern auch neue Formen der Informationsbeschaffung und Zusammenarbeit ermöglicht. Insbesondere Unternehmen profitieren davon, indem sie interne Prozesse automatisieren, Kundenkommunikation intelligenter gestalten und Datenquellen direkt über KI-Agenten erschließen können. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Microsoft mit seiner AI Vision ein mutiges und zukunftsgerichtetes Konzept verfolgt, das die Grenzen zwischen Mensch, Maschine und Internet neu definiert.
Die Verbindung von offenen Standards, Infrastrukturkomponenten und Nutzbarkeit auf Millionen von Geräten macht diese Vision realistisch und praktikabel. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie breitflächig und wirkungsvoll dieses agentenbasierte Internet implementiert wird. Klar ist jedoch heute schon: Microsoft setzt mit seiner Strategie einen Meilenstein, der die Art und Weise, wie wir mit Technologie interagieren, grundlegend verändern wird.