Der Mars fasziniert Wissenschaftler und Laien gleichermaßen: Der Rote Planet, heute eine kalte, trockene Wüste, war einst möglicherweise ein deutlich lebensfreundlicherer Ort. Lange Zeit dominierte unter Fachleuten die kontroverse Diskussion, ob der antike Mars überwiegend frostig und trocken oder warm und feucht gewesen ist. Eine frische Studie von Forschern der University of Colorado Boulder stellt die bisherigen Sichtweisen infrage und bringt neue Hinweise auf die klimatischen Verhältnisse vor mehr als drei Milliarden Jahren, im sogenannten Noachium, auf den Punkt: Damals könnte es tatsächlich geregnet oder geschneit haben. Die Arbeit wurde im April 2025 im Journal of Geophysical Research: Planets veröffentlicht und basiert auf detaillierten Landschaftsmodellen und Satellitendaten, die das Marsgelände nachbilden und die Prozesse der Erosionsbildung simulieren. Die Vorstellung eines Mars mit fließenden Gewässern, die Täler und Deltas formen, ist nicht neu, wurde jedoch lange von der Unsicherheit begleitet, wie dieser Niederschlag zustande kam – ließen sich die geologischen Spuren allein durch Schmelzwasser von Eisfelder erklären oder war es tatsächlich ein komplexeres, klimatisches Szenario mit Regen und Schnee? Die Forscher um Amanda Steckel und Brian Hynek gingen dieser Frage mit modernen digitalen Simulationsverfahren nach, indem sie verschiedene Klimamodelle testeten.
Sie wandten geologische Landschaftsmodelle an, die ursprünglich für Erdwissenschaften in ähnlichen Interventionen entwickelt worden waren, um die Wirkung fallender Niederschläge und das Schmelzen von Eiskappen auf einen künstlich erzeugten Mars-Äquator herzustellen. Eine zentrale Erkenntnis der Simulationen war, dass die Entstehung der Talnetze bei einem System, in dem Niederschlag als Regen oder Schnee verteilt auf ein ausgedehntes Areal fiel, eine viel breitere Streuung der Quellgebiete für Flüsse und Bäche ergab. Dies stand im Gegensatz zum Szenario eines primär von Eisschmelze gespeisten Wasserkreislaufs, bei dem sich Quellgebiete fast ausschließlich an den Rändern großer Eisdecken bildeten und somit Region und Höhenlage sehr eingeschränkt waren. Die datenbasierte Bewertung dieser Modelle mit tatsächlichen Höhenvermessungsdaten des Mars – erfasst durch Instrumente wie den Mars Orbiter Laser Altimeter (MOLA) an Bord der Mars Global Surveyor Mission – ergab eine deutlich bessere Übereinstimmung mit von Niederschlag beeinflussten Landschaftsnetsystemen. Damit legt die Studie überzeugende Argumente vor, dass die Wasserspuren der urzeitlichen Marslandschaft nicht allein mit episodischem Abschmelzen von Gletschern erklärbar sind, sondern dass ein Klima mit zeitweiser Temperaturerhöhung bestand, die Schnee oder Regen ermöglichte.
Vor dem Hintergrund, dass die Sonne zur Zeit des Noachiums rund 25 Prozent weniger Licht aussandte als heute, ist dies besonders bemerkenswert, weil es schwieriger ist, warme, feuchte Bedingungen bei einem schwächeren Sonnenoutput aufrechtzuerhalten. Die Forscher räumen zwar ein, dass die Frage, wie genau der Mars diese Wärme erhielt, noch offen ist. Mögliche Erklärungen umfassen eine dichtere frühere Atmosphäre mit einer höheren Konzentration an Treibhausgasen, vulkanische Aktivität oder klimatische Verstärkungsmechanismen, die zusammenwirkten, um lokal Temperaturen über den Gefrierpunkt ansteigen zu lassen. Die Untersuchungen dieser Forschungsgruppe bieten darüber hinaus faszinierende Einblicke in die Dynamik der Erosion auf dem Mars. Die Ausbildung verzweigter Täler, die heute viele Gebiete des Planeten prägen, erinnert stark an erdtypische Landschaftsmuster, insbesondere an jene in den Trockentälern von Utah.
Die Tatsache, dass die Flusssysteme überall in unterschiedlichen Höhenlagen beginnen, spricht gegen eine Entstehung ausschließlich durch Schmelzwasser aus Eisfeldern, da diese normalerweise eng begrenzte Gebiete speisen. Solche Unterschiede sind entscheidend, um die Entstehung der komplexen Flusssysteme und großer, einst bestehender Seen, zum Beispiel im Jezero-Krater, zu verstehen – jener Region, in der die NASA-Rover gerade wissenschaftliche Untersuchungen durchführen. Die am Kraterboden abgelagerten Deltas und Sandsteinformationen belegen, dass hier einst signifikante Wassermengen flossen, die Material transportierten und sedimentierten. Die Studie verstärkt somit das Bild eines frühen Mars, der zwar saisonalen und regionalen Schwankungen unterlag, aber insgesamt warm und feucht genug war, um aktiven Niederschlag und einen nachhaltigen Wasserkreislauf zu ermöglichen. Diese Erkenntnisse haben nicht nur Einfluss auf die Planetenwissenschaft, sondern berühren auch Fragen zur potenziellen Habitabilität Mars‘ in der Vergangenheit.
Fließendes Wasser ist eine Grundvoraussetzung für Leben, wie wir es kennen. Die neuen Landschaftsmodelle, die verteilten Niederschlag simulieren, deuten darauf hin, dass Lebensräume mit flüssigem Wasser vermutlich weit verbreitet waren und über ausgedehnte Gebiete existierten. Gleichzeitig steht das Ergebnis exemplarisch für die Fortschritte, die moderne Simulationsverfahren in der Planetenforschung ermöglichen. Indem Wissenschaftler digitale Landschaften erschaffen, die in ihren komplexen klimatischen und geologischen Eigenschaften Mars ähnlich sind, kann man theoretische Szenarien testen und mit beobachteten Daten abgleichen. Das eröffnet tiefere Einblicke in Prozesse, die Milliarden Jahre zurückliegen und nicht direkt beobachtbar sind.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die neuen Erkenntnisse die Marsforschung um eine entscheidende Facette erweitern: Die Beweise sprechen zunehmend dafür, dass der Rote Planet zu einer Zeit, in der die Erde noch in ihrer Entwicklung begriffen war, ein aktives, wasserreiches System besaß, das Niederschlag, fließende Gewässer und üppige Landschaftsformen beförderte. Damit gewinnen nicht nur unser Verständnis von Mars, sondern generell von der Entwicklung planetarer Klimata und möglicher Lebensbedingungen an anderen Welten große Impulse. Zukunftige Missionen und Analysen könnten durch diese Studienleitung noch gezielter nach Spuren solcher klimatischen Bedingungen und damit auch nach Hinweisen auf Leben suchen, die im Gestein verborgen sein könnten.