Der Internationale Strafgerichtshof (ICC), als höchste Institution für Strafverfolgung bei Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, steht derzeit vor einer beispiellosen Krise. Am 15. Mai 2025 wurde bekannt, dass Karim Khan, der britische Chefankläger des ICC, seinen Zugang zu seiner offiziellen E-Mail-Adresse verloren hat und auch seine Bankkonten eingefroren wurden. Diese drastischen Einschränkungen resultieren aus Sanktionen, die der ehemalige US-Präsident Donald Trump gegen den Gerichtshof verhängte. Die Folgen dieser Sanktionen beeinträchtigen nicht nur die Arbeit des ICC, sondern stellen allgemein die Autorität und Funktionsfähigkeit der internationalen Strafjustiz in Frage.
Karim Khan, ein erfahrener britischer Rechtsanwalt, steht symbolisch für die Schwierigkeiten, denen sich internationale Institutionen gegenübersehen, wenn geopolitische Interessen nationale Rechtssouveränitäten herausfordern. Die Sanktionen wurden im Februar erlassen, nachdem der ICC Anklagebefehle gegen hochrangige israelische Politiker, darunter Premierminister Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant, wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen ausgestellt hatte. Diese Entscheidung löste eine heftige Reaktion seitens der USA aus, die die Auswahl der Fälle und das Vorgehen des ICC scharf kritisierten. Die US-Regierung unter Donald Trump stellte klar, dass sie jegliche Zusammenarbeit sowie finanzielle, materielle oder technologische Unterstützung für den ICC und dessen leitende Mitarbeiter unter Strafe stellen würden. In praktischer Hinsicht bedeutete dies, dass Firmen wie Microsoft die offizielle E-Mail-Adresse von Khan deaktivierten.
Gleichzeitig wurden seine Bankkonten im Vereinigten Königreich gesperrt, was dazu führte, dass Karim Khan auf alternative E-Mail-Dienstleister – etwa den Schweizer Anbieter Proton Mail – ausweichen musste, um seine Arbeit fortzusetzen. Die Sanktionen haben landes- und organisationsübergreifend verheerende Folgen für die Funktionsfähigkeit des ICC. Schon jetzt berichten Mitarbeiter von erheblichen Einschränkungen bei der Zusammenarbeit mit NGO's, Zeugenbefragungen und Sicherheitsmaßnahmen. Da die USA für viele Vertragsdienste und NGOs eine bedeutende Rolle spielen, zeigen sich deren Sorgen vor Repressalien deutlich: Einige Organisationen haben die Zusammenarbeit mit dem ICC gänzlich eingestellt, aus Angst vor strengen US-Strafen. Besonders betroffen sind die amerikanischen Mitarbeiter des ICC, die bei einer Rückkehr in die USA mit Verhaftungen rechnen müssen.
Dies sorgt für einen massiven Personalverlust und erschwert die langfristige Stabilität des Gerichts. Die Untersuchungen des ICC beziehen sich nicht nur auf Israel, sondern umfassen auch andere Regionen mit schweren Menschenrechtsverletzungen. Zum Beispiel hängt die Strafverfolgung ehemaliger Regierungsvertreter im Sudan, wie des ehemaligen Präsidenten Omar al-Bashir, nahezu gänzlich. Obwohl Berichte über neue Gräueltaten im Sudan zunehmen, wurden viele dieser Verfahren durch die Sanktionen praktisch blockiert. Dies verdeutlicht den weitreichenden Schaden, den politische Interventionen und Sanktionen auf die Wahrnehmung und Durchsetzung von internationalem Recht nehmen können.
Menschenrechtsorganisationen, die dem ICC nahestehen, äußern sich zum Teil mit großer Sorge. Liz Evenson von Human Rights Watch betont, dass durch diesen Schutz der Opfer von Kriegsverbrechen und Völkermord massiv behindert werde, was letztlich dazu führe, dass Gerechtigkeit ausbleibt. Aufgrund der Lage werden aktuell erhebliche Zweifel an der Überlebensfähigkeit des ICC unter der politischen Führung der USA gehegt. Einige Insider befürchten sogar, dass die Institution die nächsten Jahre nicht überstehen könnte, wenn der politische Druck anhält bzw. verstärkt wird.
Diese Dynamik birgt Gefahr für das internationale multilaterale Rechtssystem insgesamt, das auf dem Prinzip basiert, dass keine Machthaber über internationalem Strafmaßstab stehen. Die Sanktionen konterkarieren zudem den Grundsatz der unabhängigen Justiz, der im Zentrum des ICC steht. Die Präsidentin des ICC, Richterin Tomoko Akane, bezeichnete die Sanktionen als "ernsthafte Angriffe auf den auf Rechtsstaatlichkeit basierenden internationalen Ordnungsrahmen" und rief zu einer eingehenden Betrachtung der Auswirkungen auf die globale Rechtsgemeinschaft auf. Die Kontroverse um den ICC-Charge Karim Khan zeigt exemplarisch, wie politische Interessen internationale Institutionen untergraben können, insbesondere wenn es um hochbrisante Verbrechen und die Verantwortlichkeit mächtiger Staatsführer geht. Auch die britische Öffentlichkeit und Politiker zeigen sich über die Auswirkungen besorgt, da die Einschränkungen von Khan auch einen Angriff auf die Rolle Großbritanniens in der internationalen Rechtsdurchsetzung darstellen.
Die Debatte berührt somit sowohl geopolitische Fragen als auch fundamentale Rechtsprinzipien. Neben den unmittelbaren Auswirkungen auf den ICC veranschaulicht die Situation die Schwierigkeit, internationale Rechtsprechung in einem höchst fragmentierten globalen Machtumfeld zu etablieren und durchzusetzen. Während Staaten wie die USA ihre Macht zur Abschreckung und Isolation nutzen, stehen Gerichtshöfe wie der ICC vor monumentalen Herausforderungen. Die rechtlichen und politischen Implikationen dieser Krise sind vielfältig: Sie reichen von der Frage, wie solche Sanktionen völkerrechtlich bewertet werden müssen, bis hin zur Erörterung neuer Mechanismen zum Schutz internationaler Justizorgane vor politischer Einflussnahme. Experten fordern daher einen verstärkten internationalen Dialog und Anpassungen in den Rechtsinstrumenten, um Unabhängigkeit und Funktionalität von Strafgerichtshöfen langfristig zu sichern.
Letztendlich steht der ICC als Symbol für internationale Verantwortung und Menschenrechte unter enormem Druck. Die Ereignisse um die Sperrung von Zugangsdaten und Bankkonten des Chefanklägers zeigen, wie verletzlich internationale Institutionen sind, wenn Interessen nationaler Mächte direkt dagegenstehen. Ein nachhaltiger Schutz dieser Einrichtungen ist entscheidend, um langfristig Frieden, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit auf globaler Ebene zu fördern.