Die globale Werbeindustrie durchlebt derzeit eine Phase massiver Umbrüche. Im Juni 2025 wurde bekannt, dass WPP, Großbritanniens größtes Werbeunternehmen, einen seiner prestigeträchtigsten und finanziell bedeutendsten Kunden verloren hat. Der Medien- sowie Marketing-Vertrag mit dem US-amerikanischen Konsumgüterkonzern Mars, der unter anderem Marken wie M&Ms, Snickers und Whiskas umfasst, wurde nach einer Überprüfung an die französische Agentur Publicis vergeben. Dieser Vertragsverlust hat einen Wert von etwa 1,3 Milliarden britischen Pfund (1,7 Milliarden US-Dollar) und unterstreicht nicht nur den Wettbewerbsdruck auf WPP, sondern wirft auch ein Schlaglicht auf die sich wandelnde globale Werbelandschaft. Seit 2018 betreute WPP die globalen Medien- und Marketingaktivitäten von Mars, weshalb der Wechsel zu Publicis einen bedeutenden Einschnitt für das Londoner Unternehmen darstellt.
In den letzten Jahren hatte WPP bereits mehrere bedeutende Kunden verloren, etwa den nordamerikanischen Coca-Cola-Account, der ebenfalls an Publicis ging. Dies sind Zeichen einer wachsenden Dominanz französischer und amerikanischer Werbegruppen, die sich gerade im globalen Kontext neu positionieren. Publicis, das neben Saatchi & Saatchi und Leo Burnett auch weitere namhafte Agenturen besitzt, konnte mit seinem innovativen Ansatz und seinen digitalen Kompetenzen punkten. Das Unternehmen hat im vergangenen Jahr WPP als weltweit größtes Werbeunternehmen in Bezug auf Umsätze überholt. Die Verschiebung an der Branchenspitze wird zudem durch geplante Fusionen wie die zwischen Omnicom und Interpublic verstärkt, die ebenfalls Wettbewerbsvorteile gegenüber WPP schaffen könnten.
Die Übergabe des Mars-Vertrags an Publicis unterstreicht die Herausforderungen, mit denen WPP aktuell konfrontiert ist. Unmittelbar nach der Bekanntgabe des Verlustes gab WPP zudem bekannt, dass sich Mark Read, der seit 2018 als Chief Executive fungierte, zum Jahresende zurückzieht. Mark Read hat das Unternehmen während seiner Amtszeit durch erhebliche Umstrukturierungen geführt, darunter eine schlankere Agenturstruktur, die Erhöhung der Investitionen in Technologie und insbesondere Künstliche Intelligenz (KI). 2021 erwarb WPP das KI-Unternehmen Satalia und kündigte an, rund 300 Millionen Pfund in entsprechende Technologien zu investieren – eine Reaktion auf den wachsenden Einfluss digitaler Plattformen wie Google und Meta auf den Werbemarkt, die traditionelle Agenturmodelle herausfordern. Trotz dieser Bemühungen ist es WPP bisher nicht gelungen, das Wachstum wieder auf den gewünschten Kurs zu bringen, was sich im deutlich gesunkenen Aktienkurs niederschlägt.
Die Werbebranche insgesamt steht vor einer Umwälzung durch technische Entwicklungen, bei der KI zunehmend die Erstellung, Steuerung und Auswertung von Kampagnen automatisiert. Diese Wahl zwischen Innovation und Anpassung hat auch die Position von WPP geschwächt, während Rivalen wie Publicis ihre Digital- und Medienkompetenzen weiter ausgebaut haben. Der Vertrag mit Mars ist umfassend und spricht nicht nur die klassische Medienplanung an, sondern beinhaltet auch Produktion, Social Media, Influencer Marketing sowie den Bereich Commerce in rund 70 Ländern weltweit. Während WPP die kreative Betreuung für Mars Food und Nutrition über seine Agentur T&P weiterhin innehat, ist die strategische und operative Leitung der globalen Medienaktivitäten jetzt bei Publicis konzentriert. Arthur Sadoun, CEO von Publicis, bezeichnete die erneute Zusammenarbeit mit Mars als eine „Neuerfindung des Verbrauchergeschäfts“, die eine bedeutende Wachstumschance darstellt.
Der Verlust dieses wichtigen Kunden zwingt WPP zu einer strategischen Neuorientierung. Die Suche nach einem Nachfolger für Mark Read wird von Philip Jansen, ehemals CEO von BT und seit Anfang 2025 WPP-Vorstandsvorsitzender, geleitet. Jansen würdigte die Leistungen von Mark Read, muss nun aber den Kurs korrigieren, um WPP im globalen Wettbewerb wieder nach vorne zu bringen. Neben der technologischen Herausforderung durch KI und die Dominanz der Tech-Giganten steht WPP auch vor der Aufgabe, seine Kundenbasis weiter zu diversifizieren und bestehende Verträge zu festigen. Der Mars-Vertrag zeigt, wie dynamisch der globale Werbemarkt ist und dass selbst Marktführer wie WPP sich ständig anpassen müssen, um ihre Position zu halten.
Die Übernahme durch Publicis ist ein Beispiel für die wachsende Bedeutung von integrierten und technologiegetriebenen Lösungen, die zunehmend das Maß der Dinge werden. Gleichzeitig spiegeln solche großen Vertragswechsel auch die zunehmende Globalisierung der Marketingbudgets wider, bei der Unternehmen auf Agenturen setzen, die globale Reichweite mit lokaler Expertise und digitaler Innovationskraft verbinden können. Für die gesamte britische Werbebranche hat der Verlust eine Signalwirkung. Die starke Position Großbritanniens in der Werbewelt steht vor Herausforderungen seitens internationaler Wettbewerber, die schneller auf neue Marktanforderungen reagieren. Zudem verschärfen Fusionen innerhalb der Branche den Konkurrenzdruck, wobei Publicis, Omnicom und Interpublic mit ihrer Finanzkraft und ihren skalierbaren Modellen neue Maßstäbe setzen.