Das James Webb Weltraumteleskop (JWST) hat mit der Veröffentlichung seiner umfassendsten Himmelsaufnahme seit Beginn der offiziellen Beobachtungen einen Meilenstein der modernen Astronomie gesetzt. Das COSMOS-Web Projekt, eine der ehrgeizigsten und umfangreichsten Umfragen des JWST, ist nun für alle zugänglich und präsentiert eine beispiellose, tiefgehende Sicht auf das Universum, die weit über die Grenzen früherer Teleskope hinausgeht. Dank der Kombination von Daten des JWST und des Hubble Weltraumteleskops entsteht ein unvergleichliches Gesamtbild der kosmischen Evolution mit bisher nicht erreichter Präzision und Tiefe. Mit einer Abdeckung von etwa 0,54 Quadratgrad am Himmel, ungefähr dem dreifachen Flächeninhalt des Vollmonds, repräsentiert diese Aufnahme die größte und tiefste Weitfeldaufnahme des Universums, die jemals mit dem JWST durchgeführt wurde. Sie ermöglicht direkte Einblicke in die Struktur und Entwicklung von Galaxien, Galaxiengruppen und Protoclustern sowie in die diffuse Verteilung von Sternenlicht in den ausgeprägten Sternhaufen großer Galaxien.
Das COSMOS-Web Projekt wurde bereits 2021 als Vorzeigeprojekt ausgewählt und erhielt die größte Menge an Beobachtungszeit im Teleskop. Es verfolgt das Ziel, das kosmische Netz – die großräumige Verteilung von Materie und Strukturen im Universum – in bisher unerreichter Detailtiefe abzubilden. Die Ergebnisse ermöglichen es Wissenschaftlern und der breiten Öffentlichkeit, die Entwicklung von Galaxien im Laufe der kosmischen Zeit besser zu verstehen. Die jetzt verfügbare 166-Megapixel-Abbildung zeigt, wie sich Entfernungen und damit vergangene Zeitebenen anhand von Infrarotdaten identifizieren lassen. Dadurch kann man nah gelegene, mittlere und sehr weit entfernte Galaxien unterscheiden und so die Prozesse entdecken, die an deren Entstehung und Wachstum beteiligt waren.
Diese Aufnahme zeigt nicht nur einzelne Galaxien, sondern auch große Strukturen wie Galaxienhaufen, deren Licht uns von Epochen erzählt, in denen das Universum nur wenige Milliarden Jahre alt war. Im Zentrum der Aufnahme dominiert ein besonders massereicher Galaxienhaufen, der aus einer Kette gasreicher Galaxien besteht, die vor etwa 6,5 Milliarden Jahren existierten. Die massiven Sternhaufen und ihre äußeren, diffusen Halos sind detailliert sichtbar und geben Aufschluss über das Zusammenwachsen galaktischer Strukturen. Gravitationslinseneffekte, die sich durch die Verzerrung von Hintergrundgalaxien zeigen, machen die Anwesenheit massereicher Objekte wie supermassereicher Schwarzer Löcher und dichter Galaxienhaufen deutlich und bieten wertvolle Hinweise auf die Verteilung von Dunkler Materie und die Dynamik des frühen Universums. Die Aufnahmen zeigen zudem Sterne unserer Milchstraße, gekennzeichnet durch die charakteristischen achtzackigen Beugungsspikes, die durch die Konstruktion von JWSTs Primärspiegel und dessen Haltestrukturen verursacht werden.
Neben den Sternen erkennt man auch kosmische Leerräume, sogenannte Voids, Regionen am Himmel, in denen sich nur wenige oder keine Galaxien befinden. Solche scheinbar „leeren“ Flecken erlauben Forschern einen unverstellten Blick auf vereinzelte galaktische Objekte und deren Umgebung. Die Nutzung multipler Infrarotfilter des JWST macht Details sichtbar, die Hubble nicht erreichen konnte. Das JWST verfügt über Filter, die bis zu 2,0 Mikrometer Wellenlänge reichen und somit kältere und weiter entfernte Objekte abdecken. Dadurch können Forscher die ältesten und am weitesten entfernten Galaxien aufspüren und analysieren, die nur wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall bestanden.
Diese tiefgehenden Infrarotaufnahmen erlauben es, auch Galaxien zu studieren, deren Licht aufgrund kosmischer Rotverschiebung ins längere Wellenlängenspektrum verschoben ist. Vor dem Start des JWST wurden Simulationen mit umfangreichen Galaxienkatalogen durchgeführt, um die zu erwartenden Beobachtungen zu planen. Das COSMOS-Web Projekt erfüllt und übertrifft nun diese Erwartungen mit einer Datendichte, die selbst Hubbles tiefste Bilder um ein Vielfaches übertrifft. Insgesamt wurden 255 Stunden Beobachtungszeit investiert, um die immense Menge an Daten zu erfassen, die jetzt öffentlich zugänglich sind. Ein besonders bemerkenswerter Fund im Rahmen dieser Umfrage ist der identifizierte Protocluster A2744z7p9OD, der mit einem Alter von etwa 650 Millionen Jahren nach dem Urknall als ältester bisher gefundener Galaxienprotocluster gilt.
Das Erkennen solcher frühen Strukturen hilft dabei, Theorien über die Entstehung und Entwicklung großer kosmischer Strukturen zu bestätigen oder zu verfeinern. Ein weiteres Highlight der COSMOS-Web Aufnahmen sind die Interaktionen verschiedener Galaxientypen, von ruhigen Spiralgalaxien über elliptische Galaxien bis hin zu unregelmäßigen und miteinander kollidierenden Galaxien. Das ermöglicht neue Einblicke, wie solche Kollisionen und Verschmelzungen die Struktur und Evolution von Galaxien langfristig beeinflussen. Auch das Zusammenspiel von aktiven Galaxienzentren und umgebenden stellaren Populationen wird so besser verstanden. Für Astronomen bieten die veröffentlichten Daten sowohl einen detaillierten Blick auf einzelne Objekte als auch die Möglichkeit, das große Ganze in der Strukturentwicklung des Kosmos zu erfassen.
Die Verbindung der Daten von JWST, Hubble und sogar Röntgendaten von Teleskopen wie Chandra liefert ein multidimensionales Selbstbild des Universums, das die verschiedensten Energieniveaus und Materiezustände abdeckt. Die allgemeine Öffentlichkeit profitiert ebenfalls von dieser Veröffentlichung, da alle interessierten Menschen nun direkten Zugang zu einer atemberaubenden, reichhaltigen Darstellung unseres Universums haben. Die Bilder laden ein zu Faszinierender Entdeckungsreise durch Milliarden von Lichtjahren und Jahrmilliarden in der Zeit. Insgesamt ermöglicht das COSMOS-Web Projekt dem wissenschaftlichen Betrieb aber auch Laien, die Komplexität und Schönheit des Kosmos neu zu erleben. Es illustriert, wie weit die Technologie des JWST die Grenzen dessen verschoben hat, was wir vom Himmel wissen, und bietet einen fundamentalen Schritt hin zu einem besseren Verständnis der kosmischen Geschichte, von den frühesten Tagen des Universums bis hin zu den heutigen galaktischen Strukturen.