Der indische Venture Capital-Markt durchläuft im Jahr 2025 eine Phase tiefgreifender Veränderung. Nach Jahren, die von einer Überversorgung mit Kapital und einer daraus resultierenden Unterbewertung von Risiken geprägt waren, zeigt das erste Quartal des Jahres eine Rückkehr zu disziplinierteren Investitionsentscheidungen. Diese Entwicklung ist eng verbunden mit strikteren Benchmarks, einem Fokus auf fundamentale Geschäftskennzahlen und einer umfassenden Neuausrichtung der Kapitalflüsse. Um die Stimmung und strategischen Verschiebungen innerhalb der indischen VC-Landschaft besser zu verstehen, haben die Unternehmen Taghash und Datum gemeinsam eine Umfrage unter mehr als 50 Venture Capital-Firmen durchgeführt. Die gewonnenen Daten bieten wertvolle Einblicke in die aktuellen Trends, die sektoralen Präferenzen und die strukturellen Herausforderungen, die die Zukunft des indischen Risikokapitalmarktes prägen werden.
Die Umfrageergebnisse verdeutlichen zunächst, dass Kapital wieder fließt, jedoch deutlich selektiver als in früheren Phasen. Im ersten Quartal 2025 wurden insgesamt rund 3,2 Milliarden US-Dollar investiert, was einen moderaten Aufwärtstrend im Vergleich zu den schwachen Jahren 2023 und 2024 darstellt. Die Investitionen konzentrieren sich hauptsächlich auf Bereiche wie Künstliche Intelligenz (KI), Finanztechnologie-Infrastrukturen, Deeptech und Direct-to-Consumer (D2C) Geschäftsmodelle. Bemerkenswert ist, dass sekundäre und strategische Transaktionen mittlerweile mehr als zwanzig Prozent des investierten Kapitals ausmachen, was auf eine zunehmende Reife und Diversifikation der Finanzierungsformate hinweist. Das Investorenvertrauen hat sich in den letzten Monaten spürbar verbessert.
Rund 68 Prozent der befragten Venture Capitalists zeigen sich optimistisch hinsichtlich der Fundraising-Bedingungen in 2025. Diese Zuversicht ist vor allem auf eine Stabilisierung der globalen makroökonomischen Rahmenbedingungen, verstärkte sektorale Überzeugungskraft und das Entstehen neuer heimischer Kapitalquellen zurückzuführen. Ein prominentes Beispiel ist der mit 10.000 Crore indischen Rupien ausgestattete Fund of Funds, der als stimulierender Faktor für die nächste Finanzierungsrunde gilt. Die Künstliche Intelligenz bleibt das zentrale Investitionsthema und bildet das Kernelement vieler Investmentstrategien.
So priorisieren mittlerweile etwa 74 Prozent der VC-Fonds KI-First-Startups. Gleichzeitig zeigt sich eine zunehmende Differenzierung bei der Kapitalvergabe: Finanzmittel werden bevorzugt an Unternehmen mit proprietären Daten, integrierten Anwendungsfällen und klar verteidigbaren geistigen Eigentumsrechten vergeben. Die Zeit der oberflächlichen, auf Hype beruhenden KI-Modelle scheint vorüber zu sein, was auf eine kritische und langfristig ausgerichtete Due Diligence hindeutet. Die Benchmark-Anforderungen haben sich spürbar verschärft. Insbesondere bei Series A Finanzierungen sind die Erwartungen an das Annual Recurring Revenue (ARR) deutlich gestiegen.
Wo früher circa eine Million US-Dollar ARR als Einstiegsschwelle galt, verlangen Investoren heute für viele Kategorien mindestens fünf Millionen US-Dollar. Darüber hinaus müssen Startups bereits früh im Lebenszyklus operative Hebelwirkungen und Kapital-Effizienz demonstrieren. Diese Entwicklung spiegelt eine strengere Selektion wider, die darauf abzielt, nachhaltige und skalierbare Geschäftsmodelle zu fördern. Trotz dieses positiven Trends bleibt die Exit-Option eine der größten strukturellen Herausforderungen. Rund 68 Prozent der Risikokapitalgeber sehen den Mangel an geeigneten Exit-Möglichkeiten als limitierenden Faktor für ihre Investitionsentscheidungen.
Die M&A-Infrastruktur in Indien gilt weiterhin als unterentwickelt, und die Börsenfenster für IPOs sind sehr eng gefasst. Strategische Käufer agieren zurückhaltend und fokussieren sich vor allem auf wenige Kernbranchen. Um dies zu adressieren, rücken General Partners verstärkt schon in der Deal-Phase den Exit-Plan in den Fokus und gestalten Beteiligungen so, dass spätere Ausstiege leichter zu realisieren sind. Die Bildung von Kapital ist vor allem für aufstrebende Manager eine anhaltende Herausforderung. Fast die Hälfte der Befragten (45 Prozent) sieht die Akquise sogenannter Limited Partners (LPs) als großes Hindernis.
Der inländische LP-Markt ist noch immer zersplittert, wenig institutionell geprägt und besonders für Fonds mit einem Volumen unter 100 Millionen US-Dollar schwer zugänglich. Häufig greifen kleine Fonds auf opportunistische Mittel von Family Offices zurück, deren Wiederbeteiligung nicht verlässlich prognostizierbar ist. Neben den verschärften Kapitalbedingungen zeigt sich eine deutliche Verschiebung in den Portfolio-Konstruktionsstrategien. Die Ära „Wachstum um jeden Preis“ scheint in Indien zu Ende zu gehen. Stattdessen rückt die Profitabilität als Standardfokus in den Vordergrund.
Die Mehrheit der Investoren bevorzugt nun marginsteigernde Geschäftsmodelle mit klarer Perspektive auf mindestens eine Gewinnschwelle. Unternehmer ohne diszipliniertes Kostenmanagement werden zunehmend abgelehnt. Zudem gewinnen Investitionen in Tier-2- und Tier-3-Städten sowie in spezialisierten Mikro-Fonds für vertikale Märkte an Bedeutung. Diese adressieren bislang unterversorgte Nischen und Industriebereiche. Ein weiterer bemerkenswerter Trend ist das verstärkte Interesse am Hardtech-Sektor und der Fertigungsindustrie.
Robotertechnik, Photonik und Quanteninfrastruktur erfahren wachsende Aufmerksamkeit bei Early-Stage-Investoren, auch wenn Folgefinanzierungen hier noch nicht in großer Zahl vorgesehen sind. Zahlreiche Persönlichkeiten aus der VC-Branche äußern sich mit großer Zuversicht zu den neuen Entwicklungen. Ein Partner von 3one4 Capital betont die wachsende Bedeutung von Deeptech, die durch geopolitische Veränderungen und den steigenden Bedarf an technologischer Unabhängigkeit motiviert ist. Die indischen Anreizsysteme wie Steuervergünstigungen für Halbleiter, nationale KI-Strategien und Produktionsförderprogramme schaffen ein günstiges Umfeld für langfristige Innovationen. Besonders spannend sei jedoch der Wandel von Software-basiertem Skalieren hin zu Kerntechnologien mit IP-Verteidigung und hochwertigem Talentchasing im Bereich Quantencomputing, Robotik und Chipdesign.
Der Co-Gründer von Blume Ventures hebt den Wandel im Konsumentenmarkt hervor, der sich nun durch systematische Markenbildung auszeichne. Segmente wie Multi-Category D2C und Food Brands gewinnen an Dynamik, da sie durch innovative, schnelle und kundennahe Frauen und Männer Startup-Teams traditionelle Marktteilnehmer herausfordern. Mit steigendem Pro-Kopf-Einkommen und wachsendem diskretionärem Konsum sind diese Geschäftsmodelle gut positioniert für langfristige M&A-Aktivitäten. Der Partner von Riverwalk Holdings reflektiert die Evolution indischer Startups, die bisher vor allem aus der erfolgreichen Anpassung westlicher und chinesischer Modelle entstanden sind. Für die künftige Entwicklung bis 2047 sieht er einen grundlegend neuen Ansatz, der spezifische indische Herausforderungen mit tiefgehenden Lösungen adressiert.
Ein Vertreter von Artha99 betont, wie wichtig die Investitionen in die Fertigungsbranche sind, um die weitgehend unterversorgte Industrie zu stärken. Er sieht Vorstöße im Bereich der Hardtech und Fertigung als essentiell für die nationale Weiterentwicklung an. Investoren im SaaS-Sektor passen sich ebenfalls an und verschieben den Fokus verstärkt auf KI und Deeptech, getrieben durch den disruptiven Aufstieg großer Sprachmodelle (LLMs), der viele ursprüngliche Investmentannahmen verändert hat. Abschließend unterstreicht der Managing Partner von Suvan Ventures die Herausforderungen des noch undurchsichtigen LP-Marktes in Indien. Ein Teil der Family Offices und High Net Worth Individuals (HNIs) hat bereits mehrfach investiert, während andere den Venture Capital-Sektor erst noch kennenlernen müssen.
Bildung und Aufklärung über die charakteristischen Chancen und Risiken von VC-Investments sind essenziell, um neues Kapital langfristig zu binden. Die Analyse des Indian VC Survey 2025 zeigt somit ein spannendes Bild eines Marktes im Wandel: Mehr Disziplin bei der Kapitalvergabe, stärkere Fokussierung auf Profitabilität, wachsendes Interesse für tiefergehende Technologien und präzisere Investitionsstrategien prägen den aktuellen Zyklus. Die Herausforderungen beim Exit und die LP-Struktur bleiben Dauerthemen, doch die fundamentalen Signale sprechen für eine nachhaltige Reifung des indischen Risikokapital-Marktes, die Investoren und Gründer gleichermaßen neue Chancen bieten wird.