Die Welt der Kunst erlebt derzeit einen tiefgreifenden Wandel, der durch die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz (KI) befeuert wird. Immer mehr Künstler integrieren KI-Tools in ihren kreativen Prozess, doch dabei stellt sich eine entscheidende Frage: Wer ist eigentlich der wahre Schöpfer – die Maschine oder der Mensch dahinter? Dieser Frage widmet sich der südkoreanische KI-Künstler Yoon Seok-kwan, besser bekannt unter seinem Pseudonym Keepkwan, mit einer klaren Haltung und einem festen Grundsatz, der ihn von vielen anderen unterscheidet. Er weigert sich, sich von der KI verschlingen zu lassen und setzt auf Eigenständigkeit und Authentizität in seinen Werken.Der Boom von KI-generierten Bildern, insbesondere jene, die stark vom Stil des bekannten Studio Ghibli beeinflusst sind, hat die Diskussion über Kreativität und Originalität in der Kunstwelt neu entfacht. Viele Künstler und Kritiker beobachten mit Sorge, dass sich in dieser Flut von leicht reproduzierbaren, stilisierten Bildern die individuelle Handschrift verliert.
Keepkwan äußert dezidiert seine Bedenken: „Was mich am meisten beunruhigt, ist das Fehlen von Originalität in den aktuellen Ghibli-ähnlichen Bildtrends. Es wäre großartig, wenn man durch die Zusammenarbeit mit KI etwas Einzigartiges schaffen könnte, stattdessen greift man oft nur den bequemsten oder besten Look auf.“Was macht aber den Unterschied bei Keepkwan aus? Er setzt sich bewusst Grenzen im Umgang mit der KI und definiert eine eigene kreative Methodik, die seine Werke unverwechselbar macht. Dabei verzichtet er strikt auf vorgefertigte Stile oder bekannte Vorbilder. Weder Ghibli-Stil noch Star Wars-Ästhetik sind für ihn eine Option.
Stattdessen entwickelt er seine eigenen Mood- und Farbpaletten und arbeitet an einer eigenen visuellen Sprache, die sich mit jedem Bild weiter entfaltet. Durch diese künstlich-intellektuelle Selbstverpflichtung schlägt er eine Brücke zwischen Technologie und individueller Kunstfertigkeit.Die Komplexität der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine ist für ihn dennoch eine Herausforderung. Er stellt die grundlegende Rolle des menschlichen Künstlers in Frage: „Wenn die KI in den kreativen Prozess einsteigt, müssen wir uns fragen: Was genau ist die Rolle des menschlichen Künstlers?“ Für ihn steht Transparenz an erster Stelle. Es geht darum offen zu legen, wie viel vom Endergebnis wirklich dem Menschen zuzuschreiben ist, und diesen kreativen Beitrag nachvollziehbar zu dokumentieren.
Deshalb hält er jeden Schritt seines Schaffensprozesses fest – von der ersten Ideenskizze bis hin zu den letzten Handgriffen.In der Praxis beschreibt Keepkwan den kreativen Prozess mit der KI als eine Art „Fangspiel“. Er beginnt immer selbst, formt die erste Eingabe und entscheidet, wie lange das Spiel dauert. Für ihn liegt die kreative Autorität beim Menschen: „Es beginnt immer damit, dass ich den Ball werfe, also mit meiner Idee. Wenn ich nur die KI frage und sie das Werk von Anfang bis Ende generiert, dann würde ich das nicht als mein Werk betrachten, sondern als das der KI.
“Dazu kommt eine intensive Vorarbeit. Bevor er auch nur einen Knopf drückt oder einen Befehl eingibt, recherchiert er wochenlang und klärt den Zweck seines Werks bis ins Detail. Dieses Fundament aus Wissen und Vision ist unerlässlich, um die KI zielgerichtet und effektiv als Werkzeug einzusetzen. Nur so entstehen durchdachte und bedeutungsvolle Werke und keine bloßen Ästhetik-Imitationen.Ein eindrucksvolles Beispiel für seinen Ansatz ist ein jüngstes Projekt, in dem er mit KI Bilder von Frauen im traditionellen koreanischen Hanbok erschuf.
Sein tiefes Verständnis der kulturellen Unterschiede half ihm, Fehler der KI zu erkennen und zu korrigieren: „Die KI präsentierte einen Entwurf, der eine vermischte Kombination aus chinesischen und japanischen Elementen zeigte. Aber weil ich die kulturellen Unterschiede kenne, konnte ich die Darstellung präzise anpassen.“ Solche Details zeigen, warum KI ohne menschliches Wissen und Fingerspitzengefühl nicht auskommt.Der finale Schliff sei immer vom menschlichen Künstler, betont Keepkwan. Trotz mehrfacher Überarbeitungen durch die KI sind es am Ende seine Hände, die das Bild vollenden.
Sein Künstlername „Keepkwan“ symbolisiert diese Haltung – das „Keep“ steht für das Bewahren seines Selbst, das „Kwan“ stammt aus seinem eigenen Namen und ist Ausdruck seiner Identität. Sein erklärtes Ziel ist es, sich nicht von der KI verschlucken zu lassen, sondern die Kontrolle über den künstlerischen Prozess zu bewahren.Diese konsequente Haltung und sein innovativer Stil haben Keepkwan internationale Anerkennung eingebracht. Seine Arbeiten wurden unter anderem bei Art Basel Miami Beach und in der Superchief Gallery in New York ausgestellt – Orte, an denen Kunst neue Richtungen zeigt und sich mit Zukunftstechnologien auseinandersetzt.Keepkwans Weg zum KI-Künstler begann weniger mit der Kunst als vielmehr mit einer Vision, die er schon in der Schulzeit hatte.
Seine anfängliche Beschäftigung mit Geschichten und Fiktion mündete später in eine Karriere in der strategischen Planung bei SM C&C, einem Tochterunternehmen von SM Entertainment. Dort entdeckte er 2021 die Möglichkeiten der KI und begann, sie als kreatives Werkzeug zu erforschen. Die schnelle Entwicklung und die Möglichkeit, Ideen umzusetzen, ohne auf gewohnte Medien beschränkt zu sein, veranlassten ihn, seine alten Geschichten neu zu interpretieren und so eine Brücke von der literarischen Vision zur visuellen Kunst zu schlagen.Sein ursprüngliches Konzept handelte von einem imaginären Museum, in dem Artefakte verschiedenster Zeitepochen – Vergangenheit und Zukunft – nebeneinander existieren, jedes mit seiner eigenen Geschichte. Durch KI begann dieser Traum, greifbar zu werden.
Dies zeigt, wie KI nicht nur Hilfsmittel, sondern auch Inspirationsquelle und Umsetzer für kreative Ideen sein kann, die zuvor undenkbar schienen.Neben seiner künstlerischen Arbeit engagiert sich Keepkwan auch als Dozent und Berater, etwa bei Cheil Worldwide und SM C&C, wo er Unternehmen über die kreativen Potenziale von KI aufklärt. Sein Credo lautet: KI ist ein Werkzeug, das Kreativität verstärken kann. Es steht jedem offen, mit KI sinnvolle Werke zu schaffen, vorausgesetzt man bringt eigene Vision und Wissen ein. Genau diese Haltung vermittelt er seinem Publikum: Kunst entsteht durch die Zusammenarbeit von Mensch und Technologie, nicht durch Ersetzen des Menschen.
In der heutigen Kultur, in der Algorithmen oft anonym und unkontrolliert Inhalte generieren, setzt Keepkwan ein deutliches Zeichen für Verantwortung und Authentizität. Er hält fest, dass die menschliche Kreativität und das Bewahren der eigenen künstlerischen Handschrift im Zeitalter der KI wichtiger denn je sind. Diese Philosophie könnte als Leitbild für viele andere Künstler dienen, die sich im Spannungsfeld zwischen Tradition, Innovation und Automatisierung bewegen.Der Weg von Keepkwan zeigt, dass sich Technik und Kreativität nicht ausschließen müssen. Im Gegenteil kann die bewusste Nutzung von KI als Werkzeug die künstlerische Ausdruckskraft erweitern, wenn die menschliche Perspektive und der Wille zur Authentizität gewahrt bleiben.
Für die Zukunft der Kunst bedeutet dies eine neue Ära, in der Künstler ihre eigene Rolle redefinieren und im Zusammenspiel mit Technologien neue, faszinierende Welten erschaffen können – ohne sich selbst dabei zu verlieren.