Die demografische Entwicklung und steigende Lebenserwartungen verändern die Art und Weise, wie Menschen ihre finanzielle Zukunft planen müssen. Besonders die Generation der Babyboomer steht vor einer Herausforderung, die viele unterschätzen: Ein Ruhestand, der 30 Jahre oder länger dauern kann. Obwohl zahlreiche Studien darauf hinweisen, dass ein bedeutender Teil dieser Generation bis ins hohe Alter aktiv ist und lebt, bereiten sich erstaunlich wenige tatsächlich auf eine solch langwierige Ruhephase vor. Diese Diskrepanz in der Rentenplanung birgt Risiken, die nicht ignoriert werden dürfen. Schon heute zeigt sich, dass die durchschnittliche Lebensdauer deutlich gestiegen ist.
War es vor wenigen Jahrzehnten noch üblich, mit etwa 65 Jahren in Rente zu gehen und nur eine relativ kurze Phase des Ruhestands zu erleben, so haben verbesserte medizinische Versorgung und ein gesünderer Lebensstil die Lebenserwartung maßgeblich erhöht. In der Praxis bedeutet dies, dass viele Menschen heute auf eine Zeitspanne von 30 Jahren oder mehr im Ruhestand vorbereitet sein müssen. Das überraschte Ergebnis: Rund 57 Prozent der Babyboomer planen ihren Ruhestand zwischen 60 und 69 Jahren, und fast die Hälfte rechnet damit, 90 Jahre oder älter zu werden. Dennoch bereiten sich lediglich neun Prozent tatsächlich auf eine Rente vor, die so lange dauert. Die Folgen dieser Kluft können gravierend sein.
Einer der größten Fehler ist dabei, die Rentenphase zu kurz zu kalkulieren und sich dadurch einer finanziellen Gefahr auszusetzen. Wenn die Ersparnisse und Einkommensquellen für den Zeitraum eines viel kürzeren Ruhestands ausgelegt sind, reicht das Geld bei einer längeren Lebensdauer einfach nicht aus. Das ist vergleichbar mit einer langen Fahrt, für die man nur halb so viel Benzin geplant hat – spätestens auf der Hälfte der Strecke kommt man nicht mehr weiter. Diese Analogie beschreibt der CEO von TIAA Retirement Solutions, Kourtney Gibson, anschaulich und macht deutlich, dass eine realistische Einschätzung der eigenen Lebenserwartung für die finanzielle Planung unerlässlich ist. Ein weiterer Punkt, der häufig vernachlässigt wird, ist die sogenannte „Langlebigkeitsrisiko“.
Während mentale Risiken wie kognitive Abnahme, Marktvolatilität und Inflation in der Regel schon im Blick sind, wird das Risiko, einfach länger zu leben, zu oft unterschätzt oder gar ignoriert. Dabei stellt die längere Lebenszeit eine der größten Bedrohungen für die finanzielle Sicherheit im Ruhestand dar. Eine frühzeitige und umfassende Planung kann dieses Risiko jedoch deutlich mindern. Wer plant, auf ein gesichertes monatliches Einkommen für 30 Jahre oder länger zu setzen, ist besser geschützt vor unangenehmen Überraschungen und finanziellen Engpässen. Neben den rein finanziellen Aspekten spielt die psychologische Vorbereitung auf eine längere Rentenzeit eine wichtige Rolle.
Viele Menschen gehen instinktiv davon aus, dass der Ruhestand eher eine Phase von einigen Jahren ist, nach der sie auf Hilfe oder andere Unterstützung angewiesen wären. Die Realität sieht heute jedoch anders aus. Dank medizinischem Fortschritt und einem aktiv gelebten Ruhestand ist die Lebensqualität im Alter oft höher als erwartet, sodass viele Rentner sich auch mit 80 oder 90 Jahren noch aktiv beteiligen wollen und können. Diese veränderte Lebensrealität widerspricht der gängigen Planung, die auf kürzere Zeiträume ausgelegt ist. Ein weiterer entscheidender Faktor ist die sich ändernde Struktur der Renteneinnahmen.
Traditionelle sichere Einkommensquellen wie die gesetzliche Rente oder Betriebsrenten sind teilweise eingeschränkt oder unter Druck durch demographische Veränderungen und wirtschaftliche Faktoren. Gleichzeitig sind private Altersvorsorgeformen oft nicht ausreichend, um den gesamten Bedarf im Ruhestand abzudecken, gerade wenn die Lebenszeit stark überschätzt wurde. Hier müssen Babyboomer strategisch nachdenken und möglicherweise früher mit Zusatzvorsorge, cleverer Vermögensverwaltung oder flexiblen Entnahmeplänen beginnen, um den Herausforderungen von längeren Rentenphasen gerecht zu werden. Die Inflation ist ein weiterer unsichtbarer Gegner im Ruhestandsleben. Selbst wenn eine ausreichende Summe angespart wurde, kann der Wert des Geldes über Jahrzehnte an Kaufkraft verlieren.
Das bedeutet, dass der Euro von heute in 20 oder 30 Jahren deutlich weniger wert sein wird, was sich direkt auf die dafür verfügbaren Güter und Dienstleistungen auswirkt. Eine vorausschauende Planung muss deshalb auch inflationsgeschützte Anlagen oder regelmäßige Anpassungen der Entnahmen berücksichtigen, um den Lebensstandard langfristig zu sichern. Ein Pluspunkt der länger werdenden Lebenserwartung ist allerdings auch die Möglichkeit, die längere freie Zeit aktiv und erfüllt zu gestalten. Wer sich entsprechend vorbereitet, kann die Jahre nach der Berufstätigkeit genießen – sei es durch Reisen, neue Hobbys, gesellschaftliches Engagement oder die Pflege sozialer Kontakte. Dieses Potenzial bleibt jedoch nur dann verfügbar, wenn die finanzielle Basis stimmt und nicht durch unzureichende Vorsorge gefährdet wird.
Abschließend lässt sich sagen, dass die Generation der Babyboomer ihre Planung mental sowie finanziell überdenken muss. Ein Ruhestand von 30 oder mehr Jahren ist keine Ausnahme mehr, sondern für einen großen Teil Realität. Ausreichend zu sparen, Risiken differenziert zu betrachten und auf verschiedene Szenarien vorbereitet zu sein, sind unerlässliche Bausteine für eine sichere und entspannte Altersphase. Es ist immer besser, eher übervorsichtig und gut vorbereitet zu sein, als unterversorgt und unvorbereitet in eine lange Lebensphase zu starten. Die Erkenntnis, dass sich die Lebensrealitäten ändern, muss sich in der Altersvorsorge widerspiegeln.
Nur so kann der Traum vom sorgenfreien Ruhestand auch langfristig Wirklichkeit werden. Damit der Ruhestand also zur längsten Phase des Lebens wird, die in vollen Zügen genossen werden kann, ist es notwendig, rechtzeitig mit einer realistischen und langfristig angelegten Planung zu beginnen. Die Verschiebung der Lebensspanne verlangt von jeder Generation, sich den neuen Bedingungen anzupassen – Babyboomer sollten dieses Thema nicht auf die lange Bank schieben.