In der digitalen Bildbearbeitung und Grafikgestaltung spielt die Wahl des Farbraums eine zentrale Rolle. Farben werden nicht nur zur ästhetischen Gestaltung genutzt, sondern beeinflussen Verzerrungen, Farbverläufe und die wahrgenommene Natürlichkeit von Bildern. Seit Jahrzehnten wurde versucht, Farbräume zu entwickeln, die keineswegs nur technisch korrekt, sondern vor allem für das menschliche Auge nachvollziehbar und konsistent sind. Ein Meilenstein in dieser Entwicklung ist der Oklab-Farbraum, welcher seit 2020 zunehmend an Bedeutung gewinnt und sich bereits in professionellen Anwendungen wie Adobe Photoshop, Webbrowsern und Game Engines etabliert hat. Doch was macht Oklab so besonders und warum fordert er traditionelle Modelle wie CIELAB oder HSV auf dem Gebiet der Bildverarbeitung heraus? Zur Erklärung ist zunächst zu verstehen, warum überhaupt ein spezieller Wahrnehmungsfarbraum notwendig ist.
Viele klassische Farbsysteme wie RGB basieren auf technischen Darstellungen von Licht, ohne die menschliche Farbwahrnehmung ausreichend abzubilden. Das bedeutet, dass Farbübergänge, Helligkeitsunterschiede und Sättigungsgrade in der Praxis oft nicht so wirken, wie sie es theoretisch gemäß mathematischer Modelle sollten. Daher sind Farbmodelle, die möglichst „perzeptuell uniform“ sind, besonders für Bildverarbeitungssysteme essentiell. Perzeptuelle Uniformität bedeutet, dass gleiche Abstände zwischen Farben im Farbraum auch als gleiche Unterschiede für das menschliche Auge wahrgenommen werden. Das erleichtert das Bearbeiten, Kombinieren und Skalieren von Farben enorm, wodurch etwa Farbverläufe harmonisch und ohne ungewollte Farbsprünge erscheinen können.
Oklab wurde mit genau diesem Anspruch entwickelt: Ein einfacher, aber äußerst effektiver Farbraum, der menschliche Farbwahrnehmung bestmöglich abbildet – insbesondere in Bezug auf die drei Hauptaspekte Helligkeit (Lightness), Farbton (Hue) und Farbsättigung (Chroma). Dabei orientiert er sich an bewährten Prinzipien wie dem CIELAB-System, unterläuft jedoch dessen Schwächen, indem er präzisere Vorhersagen trifft und numerisch besser arbeitet. Die besondere Stärke von Oklab liegt darin, Helligkeit, Sättigung und Farbton weitgehend unabhängig voneinander und somit orthogonal abzubilden. Dies ermöglicht eine intuitive und verlustfreie Anpassung einzelner Farbkomponenten ohne unbeabsichtigte Veränderungen an den anderen Dimensionen, was bisherige Farbräume oft nur unzureichend gewährleisten konnten. Die technische Grundlage von Oklab basiert auf einer Transformation von XYZ-Farbkoordinaten, welche in der Farbtheorie als Standard zur Abbildung des Farbspektrums genutzt werden.
Durch lineare Matrizenmultiplikationen und eine anschließende kubische Wurzel-Transformation werden die Farbinformationen zuerst in eine Art „Kegelantworten“ (Cone Responses) umgewandelt – das entspricht der biologischen Farbrezeptorstruktur des menschlichen Auges. Anschließend wird eine zweite Matrix angewendet, um die finale Oklab-Darstellung zu erhalten, bestehend aus den drei Kanälen L, a und b. L steht für die wahrgenommene Helligkeit, a beschreibt, wie grün oder rot eine Farbe wirkt, während b den Blau- bis Gelbanteil repräsentiert. Diese Komponenten lassen sich sowohl direkt bearbeiten als auch in eine Polarkoordinate dargestellt werden, wodurch aus a und b die Sättigung (Chroma) und der Farbton (Hue) abgeleitet werden können. Im Gegensatz zu älteren Systemen zeigt Oklab bei Praxisanwendungen herausragende Vorteile.
Farbverläufe mit konstanter Helligkeit und Sättigung wirken deutlich homogener und natürlicher. Dies ist besonders wichtig bei der Erzeugung von Farbverläufen, Graustufenbildern oder Farbsättigungsanpassungen. Während beispielsweise der weit verbreitete HSV-Farbraum häufig ungleichmäßige Helligkeitsverteilungen aufweist und bestimmte Farben wie Gelb oder Cyan verzerrt heller erscheinen lässt, liefert Oklab eine ausgewogene und realitätsnahe Darstellung für alle Farbtöne. Ein weiterer wesentlicher Pluspunkt ist die Skalierbarkeit und Stabilität des Oklab-Farbraumes. Er ist auf das D65-Standardweißpunkt normiert, der in sRGB und vielen modernen Farbsystemen verwendet wird.
Dadurch ist die Interoperabilität mit bestehenden Standards gewährleistet. Zudem ist Oklab numerisch stabil, leicht umzusetzen und differenzierbar, was ihn zu einer hervorragenden Wahl für algorithmische Bildbearbeitung, maschinelles Lernen und Echtzeit-Anwendungen macht. Die Entwicklung von Oklab basierte auf fundierten wissenschaftlichen Methoden und umfangreichen Datenanalysen. Der Entwickler Björn Ottosson nutzte Datensätze basierend auf dem CAM16-Modell, das eine präzise moderne Umwandlung von Farben unter definierten Lichtbedingungen ermöglicht, sowie das bekannte IPT-Farbsystem, das für seine gute Farbtongleichheit geschätzt wird. Durch Optimierung der Transformationsmatrizen und Einbeziehung zusätzlicher Randbedingungen, wie der Orientierung von Farben im Farbspektrum und der Vermeidung nicht-konvexer Gamutbereiche, konnte ein Modell geschaffen werden, das eine exzellente Übereinstimmung zwischen wahrgenommener und darstellbarer Farbe liefert.
In der Praxis finden sich bereits viele Beispiele, wie Oklab heute genutzt wird. Adobe Photoshop verwendet Oklab als Standardverfahren für die Interpolation von Farbverläufen. Das bedeutet, Farbübergänge sowohl zwischen Bildern als auch innerhalb von Grafiken werden nun wesentlich homogener und natürlicher dargestellt. Ebenso wurde Oklab in den CSS Color Level 4 und 5 Spezifikationen der Webtechnologien aufgenommen und wird von modernen Browsern unterstützt. Dies ebnet den Weg für konsistente und hochwertige Farbdarstellung im Internet, unabhängig vom Gerät oder Betriebssystem.
Auch die Gaming-Branche profitiert von Oklab. Spiel-Engines wie Unity und Godot integrieren den Farbraum inzwischen etwa in ihre Farbauswahlinstrumente und Farbverlaufssysteme. Durch das realistischere und gleichmäßigere Mischen von Farben können Entwickler visuell ansprechende Welten erschaffen, die immersiver wirken. Gerade in der Spieleentwicklung, wo Geschwindigkeit und visuelle Qualität essenziell sind, ist die einfache Berechenbarkeit von Oklab ein großes Plus. Neben den Errungenschaften bei der Farbdarstellung bietet Oklab auch praktische Vorlagen für Entwickler.
Die Transformationsformeln von linearem sRGB in Oklab und zurück sind präzise definiert und im Quellcode frei verfügbar – sowohl als Public-Domain-Software als auch unter MIT-Lizenz. Dies ermöglicht es Softwareentwicklern aller Art, Oklab unkompliziert in eigene Projekte zu integrieren, die Genauigkeit der Farbabbildung zu verbessern und so neue Qualitätsstandards in der visuellen Darstellung zu setzen. Die Vorteile von Oklab lassen sich auch an verschiedenen Vergleichsdaten ablesen. So zeigen Experimente mit dem Munsell-Farbsystem, einem historischen Farbschema, dass Oklab die Farbsättigung und damit die Farbkraft der Farben vielfach genauer abbildet als andere Farbräume. Bei Farbmischungen entstehen weniger ungewollte Farbverschiebungen, was erstklassige Voraussetzungen für Farbkorrektur und digitale Restaurierung bedeutet.
Zudem demonstrieren Diagramme, welche die farblichen Übergänge und Abstände innerhalb des Farbraums veranschaulichen, dass Oklab Ellipsen mit gleichmäßigen Abständen erzeugt. Das ist ein Zeichen für hohen Grad visueller Gleichmäßigkeit, die in der Praxis unbedingt benötigt wird. Alle diese Eigenschaften stärken einen zentralen Vorteil von Oklab: Es ist nicht nur ein Farbraum, sondern ein Werkzeug zur Optimierung der visuellen Arbeit mit Farbe. Designer, Fotografen, digitale Künstler und Entwickler erhalten damit präzise Kontrolle über Farbelemente mit der Gewissheit, dass die Resultate der menschlichen Wahrnehmung entsprechen und technisch messbar sind. Die Arbeit wird effizienter, visuelle Qualitätsunterschiede werden minimiert und kreative Prozesse profitieren von einer soliden und verlässlichen Farbgrundlage.
Natürlich wird der Erfolg von Oklab auch von seiner Verfügbarkeit in Software-Ökosystemen abhängen. Angesichts der Integration in Branchenführer und die Offenheit der Implementierungen ist davon auszugehen, dass sich dieser Farbraum in den kommenden Jahren weiter durchsetzen wird. Seine einfache Handhabung und starke Präzision sind gerade für neue Technologien wie Augmented Reality, Bildanalytik und maschinelles Sehen von unschätzbarem Wert. Abschließend lässt sich sagen, dass Oklab als Wahrnehmungsfarbraum für die Bildverarbeitung ein wichtiger Schritt in Richtung einer konsistenteren, realistischeren und wissenschaftlich fundierten Farbdarstellung ist. Sein Gleichgewicht aus Komplexität und Benutzerfreundlichkeit macht ihn zu einer hervorragenden Alternative für traditionelle Farbsysteme und ebnet den Weg zu einer neuen Ära der digitalen Farbgestaltung.
Ob bei der Erstellung harmonischer Farbverläufe, exakten Farbkorrekturen oder innovativen Anwendungen im Web und Entertainment – Oklab bietet für alle diese Bereiche eine robuste und ästhetisch überzeugende Lösung.