Vor der Küste der indonesischen Insel Java haben Archäologen spektakuläre Entdeckungen gemacht: Fossile Überreste von Homo erectus wurden aus dem Meeresboden geborgen und geben Aufschluss über das Leben dieser frühen Menschheitsform vor etwa 140.000 Jahren. Diese Funde stellen einen Meilenstein in der archäologischen Forschung dar, da sie aus einer bisher wenig erforschten Region namens Sundaland stammen – einem weitläufigen prähistorischen Land, das heute größtenteils vom Meer bedeckt ist. Die Entdeckungen verändern unser Bild von Homo erectus, seiner Verbreitung und seiner Interaktion mit der Umwelt fundamental. Die überraschenden Überreste wurden während Sandgewinnungsarbeiten in der Madura-Straße entdeckt.
Neben den fossilen Fragmenten eines Homo erectus-Schädels fanden die Forscher die versteinerten Knochen von 36 verschiedenen Wirbeltierarten. Dieser Fund aus dem Meeresboden Indonesiens ist einmalig, denn bislang waren derartige Fossilien nur von der Insel Java an Land bekannt. Die bislang berühmtesten Homo erectus-Fossilien stammen von archäologischen Stätten wie Trinil, Sangiran und Ngandong. Die neuen Funde belegen, dass sich die Homini nicht nur auf Java beschränkten, sondern während Phasen niedrigerer Meeresspiegel über das weite aufregende Gebiet von Sundaland ausbreiteten. Sundaland war in der vergangenen Eiszeit ein riesiges zusammenhängendes Tiefland, das durch eine bis zu 100 Meter niedrigere Meeresspiegelhöhe entstanden ist.
Wo heute Ozean dessen Plätze füllt, erstreckten sich einst Flusslandschaften und Savannen, die sich über mehrere der heutigen Inseln Indonesiens erstreckten. Anhand der fossilen Überreste konnten Wissenschaftler zeigen, dass Homo erectus sich entlang dieser Flusssysteme bewegte, die eine reichhaltige Nahrungsquelle mit Fischen, Muscheln, essbaren Pflanzen und Früchten boten. Besonders bemerkenswert sind dabei Bearbeitungsspuren an den Knochen von Flussschildkröten und von großen Huftieren, den Boviden. Diese deutlichen Schnittspuren weisen darauf hin, dass Homo erectus aktiv jagte und sogar Knochenmark konsumierte, was Aufschluss über seine Ernährungsgewohnheiten und seinem technologischen Können gibt. Vorherige Studien vermuteten lange Zeit, dass die Homo erectus-Population auf Java lange isoliert lebte und keinen Kontakt zu anderen homininen Gruppen hatte.
Die neuen Funde legen nun nahe, dass es zumindest zeitweise eine Verbindung und vielleicht einen Austausch von Techniken oder sogar genetisches Material zwischen den Populationen auf Java und auf dem asiatischen Festland gab. Das Verhalten, gejagte große gesunde Boviden zu erlegen, war bislang nur von modernere Menschen auf dem asiatischen Festland bekannt, nicht aber von Homo erectus auf Java. Diese Erkenntnis eröffnet spannende Perspektiven auf mögliche kulturelle oder genetische Interaktionen. Die archäologische Forschung zu diesen Funden erstreckte sich über mehrere Jahre und erfolgte in enger Zusammenarbeit internationaler Expertenteams aus den Niederlanden, Indonesien, Australien, Deutschland und Japan. Dabei wurden nicht nur die bedeutenden Hominidenfossilien veröffentlicht, sondern auch eine Vielzahl weiterer Fundstücke, die ein umfassendes Bild des prähistorischen Ökosystems zeichnen.
So erfährt man nicht nur mehr über die Menschen, sondern auch über ihre Umwelt und die damalige Tierwelt. Die Vielfalt der Tiere aus Sundaland war beeindruckend. Vor 140.000 Jahren ähnelte das Gebiet stark der heutigen afrikanischen Savannenlandschaft mit trockenen Graslandschaften und schmalen Waldstreifen entlang der Flüsse. Neben Homo erectus lebten dort Elefanten, Säugetiere wie verschiedene Rinderarten, Nashörner, Flusspferde, aber auch beeindruckende Reptilien wie Komodowarane und seltene Fluss- und Haifischarten.
Von einigen dieser Tiere existieren heute nur noch Vorfahren oder sie sind bereits ausgestorben. Das Verständnis der damaligen Fauna hilft dabei, nicht nur die Biodiversität des historischen Südostasiens zu rekonstruieren, sondern auch den Einfluss von Umweltveränderungen auf das Überleben bestimmter Arten zu bewerten. Die Fossilien werden heute im Geologischen Museum in Bandung, Indonesien, aufbewahrt und sollen in einer geplanten Ausstellung einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Temporäre Ausstellungen an anderen Orten sind ebenfalls vorgesehen, um die Bedeutung der Entdeckungen hervorzuheben und das Interesse an menschlicher Evolution und prähistorischer Archäologie zu fördern. Die Entdeckung Homo erectus in einer versunkenen Landschaft unterstreicht die Bedeutung der marinen Archäologie in Südostasien.
Oft sind Landfundstellen bekannt und erforscht, doch die Unterwasserforschung eröffnet neue Horizonte und Möglichkeiten, alte Landschaften zu rekonstruieren, die heute vom Meer bedeckt sind. Die Erforschung von Sundaland zeigt, wie dynamisch die Geschichte der Erdoberfläche ist und wie stark sich Lebensräume über Zehntausende von Jahren verändert haben. Für Wissenschaftler ist die Untersuchung von Sundaland nicht nur wegen der menschlichen Fossilien wertvoll. Sie liefert Einblicke in Klimaveränderungen, den Einfluss von Meeresspiegelstiegen und Rückgängen auf die örtliche Flora und Fauna und zeigt, wie Menschen und Tiere auf diese Umweltveränderungen reagierten. Dieser Wissenstransfer ist nicht nur für die Vergangenheit relevant, sondern bietet auch wichtige Anhaltspunkte für das Verständnis heutiger und zukünftiger ökologischer Herausforderungen.
Homo erectus ist eine der Schlüsselarten in der Evolution des Menschen. Mit seinen komplexen Verhaltensweisen, Werkzeugtechnologien und seiner Ausbreitung in verschiedenen Regionen Asiens legt er einen Grundstein für das spätere Auftreten des Homo sapiens. Die neuen Funde aus Indonesien bringen uns diesem faszinierenden Teil der Menschheitsgeschichte näher und zeigen, wie die frühen Menschen hochgradig anpassungsfähig waren und sich neue Lebensräume erschlossen – selbst damals, als große geografische Veränderungen stattfanden. Zusammenfassend zeigen die Entdeckungen vor der Küste Javas, dass Homo erectus nicht nur auf der Insel Java lebte, sondern während der letzten Eiszeit weite Wanderungen entlang der Flusssysteme Sundalands unternahm. Diese Erkenntnis wirft neues Licht auf seine Lebensweise, seine Beziehungen zu anderen frühen Menschen und seine Anpassungen an wechselnde Umweltbedingungen.
Die fossilhaltigen Schlamm- und Sandschichten der versunkenen Landschaft bieten Archäologen ein einzigartiges Fenster zu einer längst vergangenen Welt, das unser Verständnis von menschlicher Evolution nachhaltig prägt. Die Ergebnisse dieser Forschung unterstreichen die Bedeutung internationaler wissenschaftlicher Zusammenarbeit und die Notwendigkeit, auch weniger zugängliche Gebiete wie ehemalige Landflächen unter dem Meeresspiegel sorgfältig zu erforschen. Die Geschichte von Homo erectus in Sundaland ist noch lange nicht vollständig erzählt, doch mit jedem Fund rückt die Menschheitsgeschichte ein Stück weiter ins Licht. Die kommende Ausstellung und die fortlaufende Forschung werden sicherlich dazu beitragen, das Wissen über unsere frühen Vorfahren zu vertiefen und die Faszination an ihren Lebenswelten lebendig zu halten.