In der modernen Softwareentwicklung sind Multithreading und atomare Operationen essenziell, um Datenkonsistenz und Thread-Sicherheit sicherzustellen. Mit der Einführung der C11- und C++11-Standards wurden atomare Operationen mittels _Atomic und std::atomic als Teil der Sprache etabliert, wodurch Entwickler eine elegante und effiziente Möglichkeit erhalten, atomare Operationen direkt in C und C++ durchzuführen. Dennoch stellt sich die Frage, warum Windows ausgerechnet heute, in Zeiten von std::atomic, weiterhin die sogenannten Interlocked-Funktionen zur Verfügung stellt. Eine historische und technische Betrachtung zeigt, warum diese Funktionen nach wie vor relevant sind und welche Vorteile sie bieten.Der Ursprung der Interlocked-Funktionen reicht zurück bis in die frühen 1990er Jahre, lange bevor Multithreading in C und C++ offiziell unterstützt wurde.
Windows NT 3.1, veröffentlicht 1993, war eine der ersten Windows-Versionen mit umfassender Multithreading-Unterstützung. Zu diesem Zeitpunkt verfügten die gängigen Compiler noch nicht über die Möglichkeit, atomare Intrinsics direkt anzubieten. Entwickler hatten daher keine andere Wahl, als auf sogenannte externe Funktionen zurückzugreifen, um atomare Operationen zuverlässig auszuführen. Diese Funktionen wurden als Interlocked-Funktionen bekannt und bildeten die Grundlage für atomare Operationen unter Windows.
Anfangs waren sie auf wenige grundlegende Operationen beschränkt, wie zum Beispiel das inkrementelle oder dekrementielle Verändern von 4-Byte-Daten. Im Laufe der Zeit wurden ihre Fähigkeiten erweitert, und sie unterstützen heute auch Operationen auf Zeigergrößen und komplexere atomare Manipulationen.Mit der Weiterentwicklung der Compiler-Technologien erkannten die Hersteller die Notwendigkeit von Intrinsics für atomare Operationen, welche direkte Unterstützung durch den Compiler ermöglichen und ebenso effizient arbeiten wie hardwareseitige Befehle. Parallel dazu begann die Standardisierung von atomaren Operationen in den C11- und C++11-Standards. Heute bietet std::atomic eine typsichere, hardwareunabhängige und transparente Art, atomare Vorgänge zu programmieren, die der Compiler in effizizienten Maschinencode übersetzt.
Die Vorteile sind vielfältig: Wegfall von Funktionsaufruf-Overhead, bessere Optimierungsmöglichkeiten durch den Compiler und leichtere Wartbarkeit des Codes.Warum also sind die Interlocked-Funktionen noch immer integraler Bestandteil von Windows? Zum einen sind sie Teil der Windows-API und somit ein fester Bestandteil der plattformübergreifenden Kompatibilität. Viele Anwendungen und Systeme stammen aus Zeiten vor C11/C++11 oder verwenden Sprachen, die keine native Unterstützung für atomare Operationen bieten. Für diese Fälle sind die Interlocked-Funktionen eine verlässliche und stabile Möglichkeit, atomare Vorgänge durchzuführen. Zudem sind die Interlocked-Funktionen in sehr vielen älteren und auch modernen Windows-Anwendungen tief verankert.
Sie garantieren, dass Anwendungen, die vor Jahrzehnten geschrieben wurden, unter aktuellen Windows-Versionen weiterhin funktionieren und thread-safe arbeiten.Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die Implementierungen der Interlocked-Funktionen bei heutigen Compilern meist auf Compiler-Interna (Intrinsics) abgebildet werden. Das bedeutet, dass hinter den Kulissen dasselbe Maschinencode-Pattern erzeugt wird, wie es std::atomic nutzt. Entwickler erhalten also bei der Verwendung der Interlocked-Funktionen zwar die Sicherheit der Windows-API, aber mit der Effizienz, die moderne Compiler bieten. Daraus ergibt sich die Frage, wann man als Entwickler std::atomic und wann Interlocked-Funktionen einsetzen sollte.
In reinem C- oder C++-Code spricht vieles für die Verwendung von std::atomic. Die Integration in die Sprache bietet Vorteile bei Code-Lesbarkeit, Typensicherheit und Wartbarkeit. Außerdem kann der Compiler besser optimieren und stellt sicher, dass atomare Operationen korrekt angewandt werden. Interlocked-Funktionen hingegen sind sinnvoll, wenn man plattformübergreifenden oder mehrsprachigen Code schreibt und auf einheitliche Windows-API-Aufrufe angewiesen ist. Ebenfalls sind sie für Fälle geeignet, in denen Code auch von älteren Sprachen oder Tools verwendet wird, die keine Unterstützung für std::atomic bieten.
Das Zusammenspiel von std::atomic und Interlocked-Funktionen ist somit kein Konkurrenzverhältnis, sondern eine Ergänzung. Windows hat die Interlocked-Funktionen nicht einfach stehen lassen, weil sie unmodern wären, sondern weil sie weiterhin als robuste und stabile Schnittstelle dienen, die sich bewährt hat und vielen Szenarien gerecht wird. Darüber hinaus gewährleisten sie Kompatibilität über verschiedene Windows-Versionen hinweg und erleichtern die Entwicklung in heterogenen Entwicklungsumgebungen und mit mehreren Programmiersprachen.Ein zusätzlicher Bonus ist, dass durch die Verwendung von Interlocked-Funktionen in Bibliotheken, die in verschiedenen Sprachen genutzt werden, die Kompatibilität gewährleistet wird, da viele Sprachen, darunter ältere wie Visual Basic 6 oder neuere wie C#, direkten Zugriff auf diese Windows-API-Funktionen haben, jedoch nicht immer auf sprachinterne Atomics. Für Entwickler, die plattform- oder sprachübergreifend arbeiten, sind die Interlocked-Funktionen somit weiterhin unverzichtbar.
Auch in der Praxis zeigt sich, dass die Verwendung nativer atomarer Operationen und Interlocked-Funktionen sich nicht ausschließen müssen. Vielmehr fließen moderne Compiler-Fähigkeiten in beide Ansätze ein und minimieren etwaige Performanceunterschiede. Die Entscheidung hängt oft vom Entwicklungskontext ab, beispielsweise ob die Anwendung nur in C++ läuft, ob Legacy-Code berücksichtigt werden muss oder ob plattformübergreifende Portabilität gewünscht ist.Abschließend lässt sich festhalten, dass Interlocked-Funktionen eine reiche Geschichte und eine anhaltende Relevanz haben, die weit über einfache historische Relikte hinausgeht. Sie sind ein Beleg für die langfristige Stabilität und Kompatibilität der Windows-Plattform und bilden gemeinsam mit std::atomic eine leistungsstarke Grundlage für Thread-Sicherheit und atomare Operationen in modernen Anwendungen.
Entwickler sollten sich daher bewusst für das jeweils passende Werkzeug entscheiden und die jeweiligen Stärken beider Methoden nutzen, um robuste, performante und wartbare Software zu erstellen.