Millimeterwellenfrequenzen, die im Bereich von 30 bis 300 Gigahertz (GHz) liegen, sind wegen ihrer hohen Datenübertragungskapazität und ihres Potenzials für präzise Ortung und Kommunikation besonders vielversprechend. Allerdings waren solche Frequenzen traditionell auf kurze Reichweiten beschränkt und erwiesen sich als schwierig für längere Übertragungsdistanzen. Forscher des MIT Lincoln Laboratory haben mit der Entwicklung des Wideband Selective Propagation Radar-Systems, kurz WiSPR, einen bemerkenswerten Durchbruch erzielt. Dieses System kombiniert Radar- und Kommunikationsfunktionen und erweitert die Reichweite für Signale im Millimeterwellenbereich erheblich, was zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten, insbesondere für das US-Militär, eröffnet. Das Herzstück dieses Systems ist der Einsatz von elektronisch gesteuerten, phasengesteuerten Antennenarrays mit vielen einzelnen Elementen, die zusammenarbeiten, um extrem schmale und präzise Strahlen zu erzeugen.
Diese können schnell um einen Bereich herum gescannt werden, um Objekte zu erkennen. Gleichzeitig können die Strahlen für Kommunikationszwecke verbreitert werden, um stabile Verbindungen zu gewährleisten. Die technisch anspruchsvolle Kombination aus Radar- und Kommunikationstechnik auf so hohen Frequenzen erfordert eine sorgfältige Steuerung der Phasenlage jedes einzelnen Antennenelements. Nur so ist es möglich, die Strahlen präzise zu formen und in jede gewünschte Richtung zu lenken. Dabei wurde beim WiSPR-System maßgeblich von Fortschritten in der kommerziellen Halbleitertechnik profitiert: Das Team entwickelte eigens Radiofrequenz-Integrated Circuits (RFICs), die eine komplexe digitale Steuerung ermöglichen und das Scannen der Strahlen ohne mechanische Bewegung realisieren – ein signifikanter Fortschritt gegenüber herkömmlichen Systemen.
Ein zentrales Problem beim Betrieb in solch hohen Frequenzbereichen ist die Hitzeentwicklung, die durch die hohe Leistungsdichte der einzelnen Sendeverstärker verursacht wird. Die Ingenieure am MIT entwickelten eine spezielle Kühlungslösung, um die Wärme zuverlässig abzuleiten und somit einen stabilen Betrieb der platzintensiven Antennenarrays zu gewährleisten. Bereits in frühen Tests zeigte das WiSPR-System auf dem Gelände der Joint Base Cape Cod bemerkenswerte Detektionsergebnisse, selbst bei ungünstigen Bedingungen wie Nebel. Die Fähigkeit, Objekte in bisher unerreichter Entfernung zu erkennen, verdeutlicht das Potenzial der Technik zur Verbesserung von Situationsbewusstsein und Sicherheit in militärischen Operationen. Im Jahr 2024 erfolgten umfangreiche Feldversuche am U.
S. Army Aberdeen Proving Ground in Maryland in enger Zusammenarbeit mit verschiedenen Armeebehörden. Die erfolgreiche Demonstration führte dazu, dass die Technologie nun einem Hersteller zur Serienfertigung übergeben wurde. Die Einführung des WiSPR-Systems soll es Armeeeinheiten ermöglichen, ihre Missionsziele effizienter und sicherer zu erreichen. Neben militärischen Anwendungen eröffnet das System auch interessante Perspektiven für kommerzielle Sektoren.
Die frei verfügbaren Frequenzbereiche der Millimeterwellen sind ein wertvolles Gut, da etablierte Frequenzen mit der wachsenden Anzahl an Funksystemen zunehmend überlastet sind. Die Nutzung dieser hohen Frequenzen reduziert Interferenzen erheblich und erlaubt Übertragungen mit hoher Bandbreite – ein entscheidender Vorteil für moderne Kommunikationsnetzwerke und autonome Systeme. Mit steigender Verbreitung von Technologien wie 5G und späteren Mobilfunkgenerationen wird die Nachfrage nach leistungsfähigen, hochfrequenten Antennenlösungen stetig wachsen. Die im WiSPR-System verwendeten phasengesteuerten Arrays sind wegweisend für die Integration von Radar- und Kommunikationsfunktionen in einem einzigen Gerät. Die elektronische Beam-Steuerung mit nahezu Null-Latenz ermöglicht es, mehrere Ziele gleichzeitig zu verfolgen und gleichzeitig über breitbandige Kanäle zu kommunizieren.
Eine besondere Herausforderung liegt in der präzisen Ausrichtung der Strahlen bei der Kommunikation, insbesondere wenn mehrere Antennenelemente zusammenwirken müssen, um eine stabile Verbindung zu gewährleisten. Das Entwicklerteam fand innovative Lösungen für die Ausrichtung und das Management der Strahlen, um selbst bei bewegten Zielen oder in sich dynamisch verändernden Umgebungen eine hohe Signalqualität sicherzustellen. Dieser Fortschritt birgt großes Potenzial für Anwendungen, die hochauflösende Radarerkennung mit schnellen Datenübertragungen kombinieren müssen, wie zum Beispiel in unbemannten Luftfahrzeugen, vernetzten Fahrzeugflotten, industriellen Automatisierungssystemen und sogar im Bereich der virtuellen und erweiterten Realität. Ein weiterer Vorteil der Millimeterwellenfrequenzen ist ihre Fähigkeit, räumlich sehr feine Details abzubilden. Dadurch verbessert sich die Auflösung von Radarsystemen erheblich, was zu einer genaueren Unterscheidung von Objekten führt, selbst wenn diese in ähnlichen Richtungen liegen, aber unterschiedliche Entfernungen aufweisen.
Die Kombination von hohem Frequenzspektrum, ausgeklügelter Antennensteuerung und moderner digitale Signalverarbeitung macht WiSPR zu einer technologischen Spitzenleistung. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeit am MIT Lincoln Laboratory zeigt, wie die intelligente Nutzung bestehender kommerzieller Technologien in Kombination mit maßgeschneiderten Innovationen zu bahnbrechenden Lösungen führen kann. Besonders beeindruckend ist dabei die Interdisziplinarität des Teams, das Experten aus Bereichen wie Hochfrequenztechnik, Mechanik, Softwareentwicklung und Kühlung zusammengebracht hat, um die technischen Herausforderungen zu meistern. Die im WiSPR-Projekt erzielten Fortschritte verdeutlichen, wie militärische Forschungsprogramme nicht nur die nationale Sicherheit fördern, sondern gleichzeitig auch Impulse für den zivilen Sektor setzen können. Die gewonnenen Erkenntnisse über die effiziente Nutzung von Millimeterwellen werden aller Voraussicht nach in zukünftigen Kommunikationsstandards, Verkehrsmanagementsystemen und Technologien für intelligente Infrastruktur Anwendung finden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Entwicklung des WiSPR-Systems einen Meilenstein in der Nutzung von Millimeterwellenfrequenzen darstellt. Das System vereint Präzision, Reichweite und Vielseitigkeit auf eine Weise, die bisher so nicht möglich war. Die enge Verzahnung von Radar- und Kommunikationsfunktionen in einer kompakten und kühlbaren Technologieplattform eröffnet neue Dimensionen für militärische Einsatzszenarien und den kommerziellen Funkverkehr. Angesichts der stetig steigenden Datenanforderungen und der Notwendigkeit für bessere Überwachungs- und Verteidigungssysteme könnte WiSPR den Weg für die nächste Generation von mmWave-Anwendungen ebnen. Der Einsatz moderner Halbleitertechnologie und die kontinuierliche Innovation in der Signalverarbeitung werden zweifellos dazu beitragen, die Grenzen der drahtlosen Kommunikation und Radartechnik künftig noch weiter zu verschieben.
Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich diese Technologie weiterentwickelt und welche neuen Anwendungsfelder sich daraus ergeben werden.