In einer Ära, die von Unsicherheit und ökonomischen Herausforderungen geprägt ist, treten immer mehr Stimmen hervor, die eine paradoxe Haltung einnehmen: Sie erkennen die Realität einer technologischen Stagnation an, bewahren jedoch gleichzeitig einen optimistischen Blick auf zukünftige Möglichkeiten. Dieses Spannungsfeld hat sich unter dem Begriff Doomer-Techno-Optimismus manifestiert – eine Haltung, die das scheinbare Ende bisherigen Wachstums anerkennt und gleichzeitig den festen Glauben an eine technologische Renaissance hegt. Dabei geht es nicht nur um eine nüchterne Analyse, sondern um das Vorschlagen von konkreten Wegen aus der Krise. Dieser Text untersucht die Kernideen dieses Diskurses, die einschlägigen Diskussionen um das Ende der Wachstumsepoche und welche Rolle Innovation, Unternehmergeist und Politik in diesem Erneuerungsprozess spielen können. Die Wurzeln der technologischen Stagnation liegen in wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte.
Immer wieder wurde festgestellt, dass insbesondere seit den 1970er Jahren die Produktivitätssteigerungen in vielen Industrien abnahmen. Der ehemalige Wirtschaftsprofessor Tyler Cowen prägte mit seinem Werk „The Great Stagnation“ die Vorstellung, dass die USA und größere Teile der westlichen Welt die „niedrig hängenden Früchte“ der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung aufgezehrt haben. Das bedeutete, dass neue Durchbrüche nicht mehr im bislang erwarteten Ausmaß erfolgen und der Fortschritt ins Stocken geraten sei. Gleichzeitig zwangen ineffiziente staatliche Ausgaben in Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Verwaltung das Wirtschaftssystem zusätzlich in die Defensive. Parallel zu dieser wirtschaftlichen Diagnose entstand eine Art Gegenbewegung, die sich bewusst mit der Situation und ihren Herausforderungen auseinandersetzt, aber nicht resigniert.
Peter Thiel, Unternehmer und Investor, fasste dies in seinem Buch „Zero to One“ zusammen, indem er argumentierte, dass viele der scheinbar revolutionären Technologieunternehmen der frühen 2010er Jahre eher Verbesserungen bestehender Systeme darstellten als radikale Neuerfindungen. Er hob hervor, dass vor allem die Welt der physischen Produkte stagnierte, während digitale Innovationen, etwa im Internetsektor, noch Wachstumspotenzial zeigten. Doomer-Techno-Optimismus lässt sich kurz als der tiefe Pessimismus über die gegenwärtige Innovationsdynamik und zugleich die Hoffnung auf technologische Erneuerung beschreiben. Es ist ein Bewusstsein, dass das alte Wege des Wachstums vorbei sind („It’s so over“), zugleich aber auch die Überzeugung, dass eine Rückkehr zum Aufbruch und Fortschritt möglich ist („We’re so back“). Diese Haltung kombiniert die Warnung vor Stillstand oder gar Niedergang mit einem aktiven Glauben an die Fähigkeit von Wissenschaft, Technik und Unternehmergeist, neue Industrien und Technologien zu schaffen.
Eine interessante Erweiterung dieses Diskurses bieten die Investoren Byrne Hobart und Tobias Huber mit ihrem Werk „Boom: Bubbles and the End of Stagnation“. Sie argumentieren, dass Spekulationsblasen, lange Zeit als gefährliche und destruktive Phänomene gesehen, auch eine positive Seite haben können. Nach ihrer These sind bestimmte „gute Blasen“ der Treibstoff, der technologischen Fortschritt ermöglicht. Dabei ist wichtig, zwischen „schlechten“ Blasen zu unterscheiden, die nur kurzfristige Preissteigerungen provozieren ohne echten gesellschaftlichen Nutzen, und „guten“ Blasen, die risikofreudige Investitionen in bahnbrechende Technologien anstoßen. Historische Beispiele wie die Eisenbahnbauten oder das Aufkommen des Internets illustrieren, dass große Innovationssprünge oft von überhitzten Investitionszyklen begleitet waren.
Diese Perspektive hebt hervor, dass technologische Durchbrüche oft nicht einfach linear entstehen, sondern in Phasen von Hype, Übertreibung und Korrektur verlaufen. Allerdings verorten Hobart und Huber eine zentrale Herausforderung darin, bereits während der Blasenphase zu unterscheiden, ob es sich um eine „gute“ oder „schlechte“ Blase handelt, was trotz detaillierter Kriterien schwierig bleibt. Damit stellt sich die Frage, wie politisches und wirtschaftliches Handeln so angepasst werden könnte, dass die Risikobereitschaft, die echte Innovationen voranbringt, gefördert wird, ohne die negativen Folgen spekulativer Überhitzung zu riskieren. David A. Mindell, Akademiker und Investor, schlägt mit seiner Analyse in „The New Lunar Society“ einen etwas anderen Blickwinkel vor und bringt die wichtige historische Perspektive mit ein.
Er verweist auf die britische Lunar Society des 18. und 19. Jahrhunderts, deren Mitglieder wie James Watt, Matthew Boulton oder Josiah Wedgwood Pioniere einer industriellen Revolution waren. Mindell sieht in der industriellen Ära des 20. Jahrhunderts die Verbindung von Visionären, Erfindern und industriellen Belegschaften als Modell für technologischen Fortschritt.
Für ihn sind es nicht einzelne disruptive Start-ups, sondern langfristig angelegte industrielle Ökosysteme aus Innovation und Produktion, die nachhaltige Entwicklung ermöglichen. Ein zentrales Anliegen Mindells ist die Betonung von Prozessinnovation und „Maintenance“. Im Gegensatz zur Vorstellung, dass revolutionäre Durchbrüche häufig aus dem Nichts oder als „Eureka“-Momente entstehen, zeigen seine historischen Untersuchungen, dass das beständige Verbessern, Warten und Weiterentwickeln von Technologien die wesentliche Grundlage für Fortschritt schafft. Die Erfahrung und das Verständnis von Produktionsprozessen sind seiner Meinung nach entscheidend, um technologische Vorteile zu erzielen und zu erhalten – nicht nur das Entwickeln einzelner Produkte. Als konzeptionelle Kritik hinterfragt Mindell auch die übermäßige Fokussierung auf Spezialisierung und Kernkompetenzen in der modernen Industrie.
Seine Arbeit verdeutlicht, dass eine zu starke Ausdifferenzierung und gleichzeitig fragmentierte Fertigungsketten den gesellschaftlichen und technologischen Zusammenhalt gefährden können. In einer Zeit globaler Krisen und geopolitischer Spannungen führt das zur Verwundbarkeit wichtiger Industriezweige. Ein neues Verständnis von Innovation müsse daher ebenso auf Wiederherstellung und Kooperation in der Produktion setzen wie auf die Entwicklung neuer Technologien. Mindell sieht darüber hinaus eine wichtige Rolle für die Politik, die industriellen Wandel durch kluge Infrastrukturinvestitionen, gezielte Förderpolitik und durch die Unterstützung von Schlüsselindustrien gestalten kann. Seine Einschätzung zufolge müssen Staat und Marktpartnerschaften Hand in Hand gehen, um industriellen Erfolg zu sichern und die Voraussetzungen für Zukunftstechnologien zu schaffen.
Beispiele wie das erfolgreiche staatliche Engagement für das US-Raumfahrtprogramm oder die Förderung der Halbleiterindustrie illustrieren diesen Gedanken. Interessanterweise unterstützen auch aktuelle Entwicklungen die Thesen der doomer-technischen Optimisten. Unternehmen wie Tesla, SpaceX, Apple oder Nvidia investieren massiv in neue Produktionstechnologien und erweitern ihre Fertigungskapazitäten in den USA. Gleichzeitig fördern politische Programme, etwa das Chips- und Science-Gesetz, gezielt die heimische Halbleiterfertigung und bauen eine Grundlage für technologische Unabhängigkeit auf. Solche Maßnahmen signalisieren einen Wandel im Klima zwischen Markt-, Technologie- und Industriepolitik, der hoffnungsvoll stimmt.
Dennoch bleiben Herausforderungen bestehen: Investitionszyklen in vermeintlich bahnbrechende Technologien dauern häufig Jahrzehnte und sind mit zahlreichen Fehlschlägen verbunden. Die Balance zwischen Vision, Risiko und Geduld wird für Unternehmen, Investoren und Politik gleichermaßen zur zentralen Aufgabe. Zudem müssen kulturelle und gesellschaftliche Einstellungen angepasst werden, um eine breite Unterstützung für industrielle Erneuerung zu gewinnen. Insgesamt zeigt die Konvergenz dieser Perspektiven, dass der Zustand technologischer Stagnation nicht als endgültiges Scheitern verstanden werden sollte. Vielmehr eröffnet die Einsicht in die Grenzen bestehenden Wachstums die Möglichkeit, neue Denkweisen und Modelle zu entwickeln.
Doomer-Techno-Optimismus versteht sich als Aufruf, die eigenen Schwächen offen anzuerkennen und sich gleichzeitig nicht mit der Gegenwart zufriedenzugeben. Die Zukunftstechnologien dürften von interdisziplinärem Engagement profitieren, das Ingenieurskunst, wirtschaftliches Handeln, politische Weitsicht und gesellschaftliche Akzeptanz umfasst. Die Betonung von „Maintenance“ und langfristiger Innovation markiert einen Bruch mit mythischen Vorstellungen von blitzschnellen Revolutionen und betont die Wichtigkeit der Arbeit und Ausdauer hinter den Kulissen. Gleichzeitig liefern auch die Überlegungen zu Spekulationsblasen wichtige Impulse. Sie mahnen zur Offenheit gegenüber Risiko und unkonventionellen Investments, ohne deren Gefahren zu ignorieren.
Solche Investitionsphasen können – richtig gedeutet und gesteuert – nach langjähriger Lethargie die Initialzündung für nachhaltiges Wachstum sein. Politisch könnte das neue Modell eines kooperativen Marktgestalters wegbereitend sein. Hierbei vereinen sich private Innovationstreiber mit staatlichen Rahmenbedingungen, die Infrastruktur bereitstellen, Forschung unterstützen und industrielle Kapazitäten langfristig fördern. Dieses Modell zielt auf eine „Neuen Industriellen Revolution“ ab, die nicht nur technologisch, sondern vor allem kulturell und gesellschaftlich verankert werden muss. Für Gründer, Investoren und politische Entscheidungsträger bedeutet das eine Einladung, über kurzfristige Gewinne hinauszudenken und die Kraft der gemeinschaftlichen Arbeit, der Pflege technologischer Grundlagen und der kulturellen Wertschätzung handwerklicher Arbeit anzuerkennen.
Letztlich zeigt die Debatte um den Doomer-Techno-Optimismus, dass wir an einem Scheidepunkt stehen, an dem zwar viele traditionelle Vorstellungen von Fortschritt überdacht werden müssen, zugleich aber auch eine neue Phase des Aufbruchs möglich ist. Es ist eine Zeit, die geprägt ist von Reflexion, Innovation und vor allem vom Willen, aktiv Zukunft zu gestalten. Die Herausforderung ist groß, doch die Chancen, die sich hinter der Anerkennung der eigenen Grenzen und der Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichsten Akteuren verbergen, sind es ebenso.