Der Börsengang des amerikanischen Krypto-Anbieters Circle sorgte im Juni 2025 für großes Aufsehen. Innerhalb des ersten Handelstages schoss der Kurs der Circle-Aktie von einem Ausgabepreis von rund 31 US-Dollar auf beeindruckende 87,27 US-Dollar – ein Plus von spektakulären 180 Prozent. Aufgrund der enormen Volatilität wurde der Handel sogar kurzzeitig ausgesetzt. Dieses Debüt ist nicht nur ein Zeichen für das immense Interesse am Unternehmen selbst, sondern vor allem für die Bedeutung, die Stablecoins im globalen Finanzökosystem inzwischen erlangt haben. Doch was steckt hinter dem Boom der sogenannten Stablecoins und welche Rolle spielt Circle als Herausgeber des USD Coin (USDC) in diesem Kontext? Zudem stellt sich die Frage, warum Europa bisher hinter den USA hinterherhinkt und wie sich künftig geopolitische und wirtschaftliche Dynamiken in diesem Bereich gestalten könnten.
Stablecoins sind digitale Währungen, die an stabile Vermögenswerte gebunden sind. Im Fall des USDC ist der Bezug zum US-Dollar das zentrale Element. Dieses Konstrukt bietet Nutzern die Möglichkeit, digitale Gelder in einem stabilen Wert aufzubewahren und zu transferieren, ohne die extremen Preisschwankungen zu fürchten, die bei vielen Kryptowährungen üblich sind. Dadurch schaffen Stablecoins eine Brücke zwischen klassischem Geld und der Blockchain-Technologie, die schnelle und kostengünstige Transaktionen ermöglicht. Gerade im internationalen Zahlungsverkehr eröffnen Stablecoins neue Perspektiven, da grenzüberschreitende Überweisungen schneller, transparenter und günstiger abgewickelt werden können als über traditionelle Banken.
Circle hat sich mit dem USDC in kürzester Zeit als einer der führenden Player etabliert. Nach Tether, dem größten Dollar-Stablecoin-Anbieter, ist Circle der zweitgrößte Herausgeber auf dem Markt. Aktuell befinden sich USDCs im Wert von rund 61 Milliarden US-Dollar im Umlauf, ein beeindruckender Wert, der das Vertrauen in dieses digitale Anlageinstrument widerspiegelt. Das Kapital, das Circle durch den Börsengang einsammeln konnte – 1,1 Milliarden US-Dollar – soll insbesondere in die Weiterentwicklung der Technologie und den Ausbau von Partnerschaften investiert werden. Institutionelle Investoren wie Blackrock und Ark Invest zeigten sich besonders interessiert und unterstrichen damit die zunehmende Akzeptanz digitaler Währungen in klassischen Finanzkreisen.
Das Geschäftsmodell von Circle beruht darauf, dass die Einlagen der Nutzer nicht einfach ungenutzt bleiben, sondern in sichere, aber ertragreiche Finanzprodukte wie kurzfristige US-Staatsanleihen investiert werden, die aktuell eine Rendite von rund fünf Prozent bieten. Die daraus resultierenden Zinsen erklärt Circle als eine ihrer Einnahmequellen. Hinzu kommen Gebühren für Zahlungsdienstleistungen, die API-Anbindungen an Drittunternehmen und Transaktionsgebühren beim Umtausch in Fiat-Währungen. Für das Jahr 2024 meldete Circle einen Nettogewinn von 156 Millionen US-Dollar – ein klares Indiz für die Wirtschaftlichkeit dieses innovativen Geschäftsmodells. Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump verfolgt eine ausgesprochen krypto-freundliche Haltung.
In einer Exekutivverordnung hat das Weiße Haus bereits die Entwicklung digitaler Zentralbankwährungen (CBDCs) untersagt und setzt stattdessen auf private Stablecoins als bevorzugtes Mittel zur Digitalisierung von Geld. Mit dem sogenannten GENIUS Act sollen klare Regelwerke etabliert werden, welche die Transparenz und Sicherheit von Stablecoins verbessern und eine vollständige Deckung zu 100 Prozent mit Reserven vorschreiben. Stablecoin-Anbieter müssen sich registrieren lassen und regelmäßigen unabhängigen Prüfungen unterzogen werden. Diese Maßnahmen sind als Antwort auf frühere Mängel wie Intransparenz oder unzureichende Regulierung vor allem bei Anbietern wie Tether gedacht, die bereits mehrfach in die Kritik gerieten. Die Regulierung transparent zu gestalten, ist elementar, da Stablecoins – im Gegensatz zu herkömmlichen Banken – teilweise Regulierungszulücken aufweisen, die den Geldfluss schwer kontrollierbar machen können.
Ein Vertrauensverlust bei Nutzern kann zu massenhaften Rücknahmen führen, vergleichbar mit einem Bank-Run, der dann die Stabilität des gesamten Kryptomarkts gefährden würde. Dieses Risiko wird nicht nur von den USA erkannt, sondern spiegelt sich auch in der europäischen Regulierung wider. Mit der Einführung der MiCA-Verordnung (Markets in Crypto-Assets Regulation) hat die EU bereits seit Mitte 2024 umfassende Regeln etabliert, die stabile digitale Vermögenswerte ähnlich streng regulieren, insbesondere hinsichtlich der Deckung und Kontrolle. Trotz dieser Bemühungen hat Europa mit einer starken Dominanz der US-amerikanischen Stablecoins zu kämpfen. US-Anbieter wie Circle und Tether kontrollieren derzeit etwa 92 Prozent des globalen Marktes – ein Umstand, der Experten beunruhigt, bevor gerade auch weil es eine Art „digitale Dollarisierung“ bewirkt.
Dies bedeutet, dass der digitale Dollar zunehmend als globales Zahlungsmittel genutzt wird, selbst in starken Wirtschaftsräumen wie der EU. Die Folge ist ein erheblicher Einflussverlust der Europäischen Zentralbank (EZB) auf die geldpolitischen Steuerungsmechanismen, weil eine Vielzahl von Transaktionen außerhalb der traditionellen Währungswege abgewickelt wird. Die Digitalisierung des Geldes wird somit zu einem geopolitischen Machtinstrument, von dem die USA aktuell am meisten profitieren. Während amerikanische Behörden die Entwicklung von Stablecoins aktiv fördern und regulieren, befindet sich Europa eher in der Defensive. Die strengen Compliance-Anforderungen der EU-Verordnung MiCA und deren hoher bürokratischer Aufwand erschweren es heimischen Unternehmen, effektiv im Markt Fuß zu fassen.
Zudem hängt die europäische Tech-Infrastruktur oft von amerikanischen Plattformen wie Ethereum oder cloudbasierten Diensten ab, was zu einer technologischen Abhängigkeit führt und die Souveränität infrage stellt. Europäische Projekte wie der EURCV von Société Générale oder der EURI von Banking Circle zeigen zwar vielversprechende Ansätze, aber sie machen bislang nur einen kleinen Bruchteil des Marktes aus. Auch große Banken wie ING und BBVA haben Stablecoin-Initiativen angekündigt, doch der Wettbewerb mit den US-Giganten gestaltet sich schwierig. Experten fordern deshalb eine gezielte Förderung europäischer Stablecoin-Projekte und Investitionen in eine eigene, unabhängige Infrastruktur, oft als „EuroStack“ bezeichnet. Nur so könne Europa seine technologische und wirtschaftliche Souveränität im digitalen Zeitalter bewahren und aktiv am globalen Wettbewerb teilnehmen.
Die Auswirkungen des Booms um Stablecoins gehen jedoch über reine Finanzmärkte hinaus. Sie berühren grundlegende Fragen der Geldpolitik, Regulierung, Datensicherheit und Privatsphäre. Für Nutzer bieten Stablecoins neue Möglichkeiten der Vermögensverwaltung, schnelle und günstige Zahlungen sowie einfachen Zugang zu digitalen Finanzprodukten. Unternehmen profitieren von vereinfachten Abwicklungen im internationalen Handel und weniger Abhängigkeit von klassischen Banken und deren Gebührenstrukturen. Nicht zuletzt ist auch das Thema Vertrauen entscheidend für den langfristigen Erfolg von Stablecoins.
Im Gegensatz zu traditionellen Banken setzen diese Technologien stark auf das Vertrauen der Nutzer in die Transparenz der Hinterlegung und die technologische Sicherheit. Unternehmenspolitiken, politische Stabilität und regulatorische Klarheit sind daher unbedingt notwendig, um das Vertrauen nachhaltig zu stärken und Risiken wie Manipulationen oder Geldwäsche zu minimieren. Der Börsengang von Circle ist damit ein Stichtag für die Finanzwelt und ein Weckruf für Europa. Die digitale Revolution des Geldes ist in vollem Gange, und Stablecoins nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein. Für Anleger, Unternehmen und Regulierungsbehörden eröffnen sich neue Chancen, gleichzeitig stellen sich fundamentale Herausforderungen.
Der Wettlauf um die technologische Vorherrschaft, die Regulierung und die Akzeptanz digitaler Währungen wird in den kommenden Jahren entscheidend sein für die zukünftige Infrastruktur unserer globalen Wirtschaft. Europa steht dabei an einem Scheideweg – es gilt jetzt, die Weichen richtig zu stellen, um nicht nur aufzuholen, sondern auch selbst eine Vorreiterrolle einzunehmen.