Israel Englander, Milliardär und Gründer des Hedgefonds Millennium Management, hat im ersten Quartal 2025 eine auffällige Aktienbewegung vollzogen: Er verkaufte rund 80 Prozent seiner Anteile an Rigetti Computing, einem Unternehmen, das auf Quantum Computing spezialisiert ist. Diese Entscheidung ist bemerkenswert, weil sämtliche Analysten, die Rigetti verfolgen, die Aktie mit der Empfehlung „Kaufen“ bewerten. Die Kursziele liegen deutlich über dem aktuellen Kurs, was auf weiteres Wachstumspotenzial hindeutet. Dadurch stellt sich die Frage: Verfügt Englander über Informationen oder Einschätzungen, die Wall Street nicht hat? Oder folgt sein Handeln einer anderen Logik? Um diese Fragen zu beantworten, gilt es zunächst, das Wesen von Quantum Computing und die Dynamiken bei Rigetti näher zu betrachten. Rigetti Computing positioniert sich als Pionier im Bereich Quantum Computing, indem es einen sogenannten Full-Stack-Ansatz verfolgt.
Das bedeutet, dass Rigetti sowohl die Hardwareentwicklung als auch die darauf aufsetzende Software selbst verantwortet. Dieses integrative Modell verspricht, Quantum-Computing-Dienste schneller und sicherer zu kommerzialisieren. Während traditionelle Rechner mit klassischen Bits arbeiten, die entweder 0 oder 1 sein können, nutzt Quantum Computing sogenannte Qubits. Diese haben die Fähigkeit, sich gleichzeitig in mehreren Zuständen zu befinden – ein Phänomen namens Superposition. Dadurch kann ein Quantum Computer bestimmte komplexe Berechnungen und Simulationen erheblich schneller ausführen als klassische Rechner.
Die Technologie gilt vor allem in spezialisierten Feldern wie Materialforschung, Molekülsimulationen für die Arzneimittelentwicklung und Optimierungsproblemen als vielversprechend. Trotz des Innovationspotenzials steckt Quantum Computing aber noch in den Kinderschuhen. Experten sind sich einig, dass die Technologie bis mindestens 2030 keine breite industrielle oder kommerzielle Anwendbarkeit erreichen wird. Rigetti selbst schreibt über ein „langsames Wachstum“ und berichtet von enttäuschenden Finanzergebnissen im ersten Quartal 2025. Der Aktienkurs reflektiert das Risiko und die Volatilität dieses jungen Sektors – er wird mit rund dem 290-fachen des Umsatzes bewertet, was als extrem hoch gilt.
Vor diesem Hintergrund mag Englanders Verkauf wie ein Warnsignal wirken. Warnt der Milliardär etwa vor einer Überbewertung? Oder sieht er Schwierigkeiten, die für Beobachter nicht offensichtlich sind? Betrachtet man den Investitionsstil von Englander, wird deutlich, dass er insbesondere in volatilen Märkten zugunsten risikomindernder Maßnahmen agiert. Hedgefonds-Manager müssen Renditen erzielen, die zeitgleich Verlustrisiken kontrollieren. Ein Verkauf trotz positiver Analystenbewertungen könnte also auch strategisch motiviert sein – sei es zur Gewinnmitnahme, zur Mittelumschichtung oder zur Risikoreduktion. Die Meinung der Analysten ist dabei nicht zu unterschätzen: Sechs Experten, die Rigetti regelmäßig bewerten, empfehlen durchweg den Kauf.
Die Kursziele von 14 bis 16 US-Dollar bieten ein Upside-Potenzial von mehr als 20 Prozent im Vergleich zum aktuellen Preis von etwa 11,50 US-Dollar. Dies spricht dafür, dass der Markt Quantum Computing als Wachstumsbranche weiterhin positiv einschätzt. Doch Analysten basieren ihre Bewertungen auf veröffentlichten Daten und Markttrends, während der Zugang zu internen Unternehmensinformationen und individuellen Sichtweisen von Investoren variieren kann. Neben Finanzinformationen fließen bei Entscheidungen von Großinvestoren auch Aspekte wie technologische Roadmaps, politische Rahmenbedingungen und Wettbewerbsvorteile ein. Quantum Computing ist ein Bereich, in dem Regierungen und große Technologiekonzerne massiv investieren.
Unternehmen wie IBM, Google oder Honeywell sind in einem komplexen Wettstreit um Durchbrüche und Patente. Die Kommerzialisierung hängt von vielen Faktoren ab: von technischen Fortschritten bis hin zur Akzeptanz bei Kunden aus Pharma, Chemie und Logistik. Ein Rückzug wie bei Englander könnte deshalb auch Ausdruck einer vorsichtigen Neubewertung der Chancen im Vergleich zu alternativen Investitionsmöglichkeiten sein. Ob Englanders Verkauf wirklich auf verborgene Informationen hindeutet, bleibt offen. Allerdings zeigt sein Handeln, dass man trotz optimistischer Einschätzungen seitens Analysten unterschiedliche Einschätzungen zu solchen innovativen Technologien haben kann.
Für Anleger ist diese Divergenz ein wichtiger Hinweis, dass Investments in Quantum Computing sorgfältig abgewogen werden müssen. Die Technologie bietet ein enormes Potenzial, ist aber gleichzeitig mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Für die Zukunft bleibt spannend, wie schnell Quantum Computing reif für den Massenmarkt wird und welche Unternehmen sich als Branchenführer etablieren können. Rigettis Full-Stack-Ansatz ist innovativ, doch das ausgeprägte Wachstumspotenzial muss sich erst noch in stabilen Umsätzen und Gewinnen niederschlagen. Für Investoren bieten sich neben Rigetti auch andere Unternehmen im Quantum-Sektor und darüber hinaus bessere Renditechancen, gerade wenn die Bewertung von Rigetti als hoch eingestuft wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Israel Englanders Entscheidung, Rigetti Computing-Aktien zu verkaufen, einen deutlichen Kontrast zur Markteinschätzung darstellt. Ob dahinter Insiderwissen oder eine vorsichtige Allokationsstrategie steckt, ist nicht klar. Wohl aber verdeutlicht sein Schritt, wie komplex und risikoreich Investitionen in Zukunftstechnologien wie Quantum Computing sein können. Wer in diese Kategorie investieren möchte, sollte sowohl die technischen Entwicklungen im Auge behalten als auch die marktwirtschaftlichen Dynamiken verstehen. Nur so lassen sich langfristig Chancen nutzen und Risiken minimieren.
Der Fall Englander gegen die Analystenmeinung bleibt deshalb ein spannendes Beispiel dafür, wie unterschiedlich die Perspektiven auf eine der vielversprechendsten Technologien unserer Zeit sein können.