Die Sahara, heute als eine der trockensten und lebensfeindlichsten Regionen der Erde bekannt, birgt eine überraschende Geschichte als einst grünes und fruchtbares Gebiet während der sogenannten African Humid Period (AHP). In der Zeitspanne zwischen etwa 14.500 und 5.000 Jahren vor heute verwandelte sich die Sahara in eine üppige Savanne, geprägt von Wasserläufen, Seen und vielfältiger Vegetation. Diese klimatischen Bedingungen erlaubten einer größeren menschlichen Population dort zu leben, deren Spuren in Form von archäologischen Fundstätten bis heute erhalten sind.
Trotz ihrer Bedeutung war die genetische Geschichte der Menschen, die in dieser „Grünen Sahara“ lebten, lange Zeit relativ unbekannt, da die klimatischen Bedingungen DNA schlecht erhalten ließen. Erst jüngste Forschungen, insbesondere die Analyse von antiker DNA aus den Überresten zweier etwa 7.000 Jahre alter Frauen aus dem Takarkori-Felsenshelter in Südwestlibyen, haben neue Einblicke eröffnet. Diese Individuen, die den Übergang zur Pastoralgesellschaft repräsentieren, zeigten eine genetische Abstammung, die sich von den heute weit verbreiteten Sub-Sahara-Linien deutlich unterscheidet und eine lange isolierte nordafrikanische Genlinie offenbart. Diese Linie spaltete sich zeitgleich mit den ersten Out-of-Africa-Menschen von den sub-saharischen Abstammungen ab und blieb über viele Jahrtausende praktisch unvermischt.
Die genetische Analyse bestätigt eine enge Verwandtschaft mit den 15.000 Jahre alten Sammlern aus der Taforalt-Höhle in Marokko, die mit der Iberomaurusischen Kultur assoziiert sind und damit weit vor die AHP zurückreichen. Diese Verbindung unterstreicht die Kontinuität einer autochthonen nordafrikanischen Bevölkerung, die eine genetische Brücke zwischen späten Jägern und den frühen Neolithikern Nordafrikas bildet. Im Gegensatz dazu scheint der Gene Flow aus sub-saharischen Gruppen während der AHP nur minimal gewesen zu sein, was auf eine genetische Grenze zwischen Nord- und Subsaharaafrika hindeutet. Bemerkenswert ist auch die geringe Menge an Neandertaler-DNA in den Takarkori-Individuen.
Während nichtafrikanische Populationen etwa 1,4 bis 2,4 Prozent Neandertaler-Erbgut tragen, ist dieser Anteil bei den untersuchten Proben aus der Grünen Sahara mit circa 0,15 Prozent auffallend niedrig, aber dennoch höher als bei heutigen sub-saharischen Genome ohne Neandertaler-Mischung. Dies verweist auf eine geringe, aber nachweisbare Verbindung mit außerhalb Afrikas lebenden Urmenschen, jedoch ohne nachhaltige genetische Vermischungen. Die Erkenntnisse aus Takarkori sprechen stark für eine Verbreitung von Pastoralismus durch kulturellen Austausch statt durch große Migrationen oder Bevölkerungsersetzungen. Die Einführung von Viehzucht und neuen Technologien erfolgte also wahrscheinlich durch die Übernahme von Innovationen innerhalb einer bestehenden, genetisch relativ isolierten Population in der Zentral-Sahara. Archäologische Belege wie Fundstücke von Keramik, Werkzeugen und Höhlenmalereien unterstützen dieses Bild einer komplexen kulturellen Entwicklung ohne massiven demografischen Wandel.
Die Geografie der Sahara mit ihren vielfältigen Biomen, von Feuchtgebieten bis zu Wüstengebieten, führte wahrscheinlich zu fragmentierten Lebensräumen und erschwerte damit genetische Durchmischungen über weite Distanzen. Diese ökologische Strukturierung, gepaart mit sozialen und kulturellen Grenzen, dürfte dazu geführt haben, dass sich zwar kulturelle Praktiken wie die Viehhaltung ausbreiteten, ohne jedoch eine umfassende genetische Vermischung von Populationen zu begünstigen. Darüber hinaus erlaubt der Vergleich mit der bereits bekannten genetischen Struktur der Taforalt-Gruppe eine Verfeinerung der bisherigen Modelle. So wurde zuvor angenommen, dass die genetische Zusammensetzung von Taforalt aus ungefähr 60 Prozent Levantiner Natufianer und 40 Prozent ungenauen sub-saharischen Vorfahren besteht. Die neue Forschung weist jedoch darauf hin, dass der sub-saharische Anteil tatsächlich einer spezifischen, tiefen nordafrikanischen Linie entspricht, die ähnlich wie Takarkori eine isolierte, langanhaltende Population darstellt.
Dies stärkt die Annahme, dass genetische Grenzen zwischen Nordafrika und Sub-Sahara trotz der klimatischen Bedingungen der AHP bestanden blieben. Die fundierte Analyse der mitochondrialen DNA der Takarkori-Individualitäten zeigt zudem eine der ältesten bekannten Haplogruppen, die außerhalb Südafrikas entdeckt wurden. Diese Linie repräsentiert einen frühen Zweig, der etwa 61.000 Jahre alt ist und vor der Ausbreitung vieler heutiger mtDNA-Gruppen entstand. Die genetische Analyse, begleitet von modernen bioinformatischen Methoden, untermauert so die Einzigartigkeit dieser nordafrikanischen Abstammungslinie und erhöht das Verständnis zur genetischen Vielfalt und Evolution des modernen Menschen in Afrika.
Diese Erkenntnisse tragen maßgeblich zur Debatte über die Verbreitung des Neolithikums in Afrika bei, ein Prozess, der Traditionen der Jagd und Sammelkultur mit der Einführung von Viehzucht und Landwirtschaft verknüpft. Die Daten implizieren, dass der Übergang in der Sahara und im Maghreb eher durch kulturelle Diffusion als durch Migrationen ausgelöst wurde, was für eine Vielzahl ähnlicher Übergänge in anderen Regionen Afrikas Relevanz besitzt. Zudem zeigen Studien zur Populationsgröße, basierend auf der Untersuchung von Runs of Homozygosity (ROH), dass die Gruppen im Takarkori-Gebiet eine relativ stabile und mittelgroße Population von etwa tausend Individuen beschäftigten. Dies spricht gegen intensives Inzuchtverhalten und unterstützt stattdessen nachhaltige, lokal verwurzelte Gemeinschaften in der Grünen Sahara. Die Bedeutung der Studie ist nicht nur auf die Genetik beschränkt.
Die Ergebnisse sind eng mit archäologischen Befunden verbunden, die Gesamtbild menschlicher Entwicklung in Nordafrika zeigen und die Rolle der Sahara als dynamische Landschaft verdeutlichen, die sowohl als Barriere als auch als Flusszone kultureller Innovationen fungierte. Diese duale Rolle trug maßgeblich zur Herausbildung der heutigen ethnischen und genetischen Komplexität Afrikas bei. Aus wissenschaftlicher Sicht eröffnen diese neuen archäogenetischen Daten spannende Perspektiven für zukünftige Forschungen. Erweiterte Probenahmen und verbesserte DNA-Technologien könnten weitere Details über Migrationen, Vermischungen und kulturelle Entwicklungen im gesamten afrikanischen Kontinent enthüllen. Ebenso versprechen solche Studien wichtige Antworten auf die Ursprünge und Ausbreitung der frühen modernen Menschen, ihre Interaktionen mit anderen Populationen und die Mechanismen, die kulturelle Innovationen verbreiteten.