Infektionskrankheiten und deren Ausbreitung stellen seit jeher eine große Herausforderung für die öffentliche Gesundheit dar. Besonders gefährlich sind Krankheitserreger, die sich über die Luft verbreiten, da sie eine schnelle und schwer kontrollierbare Übertragung ermöglichen. Traditionell waren Diagnostikmethoden oft zu langsam, um eine schnelle Reaktion einzuleiten und den Verlauf von Ausbrüchen effektiv einzudämmen. Doch dank bedeutender Fortschritte in der Technologie zeichnet sich heute ein Wendepunkt ab – die Fähigkeit, luftübertragene Pathogene nahezu in Echtzeit zu erkennen, könnte das Management von Epidemien und Pandemien revolutionieren.Historisch betrachtet wurde die Gefahr durch biologische Angriffe und natürliche Ausbrüche schon früh erkannt.
Ein markantes Beispiel hierfür sind die Anthrax-Anschläge in den USA im Oktober 2001. Diese zeigten auf eindrückliche Weise, wie alltägliche Infrastrukturen, etwa die Postzustellung, als Übertragungsweg für gefährliche Krankheitserreger missbraucht werden können. Die damalige Antwort war die Einführung des BioWatch-Programms, ein Frühwarnsystem, das in über 30 Großstädten installiert wurde. Dennoch war die Technologie von damals noch stark limitiert, denn Luftproben mussten erst auf Filter gesammelt und anschließend in Labors analysiert werden – ein Prozess, der bis zu 36 Stunden dauern konnte. Diese zeitlichen Verzögerungen machten eine effektive Prävention unmöglich und begrenzten den Nutzen der gewonnenen Daten auf die nachträgliche Bewertung eines Ereignisses.
Seitdem hat die Wissenschaft enorme Fortschritte gemacht. Entwicklungen wie die schnelle Genomsequenzierung, tragbare PCR-Geräte und CRISPR-basierte Diagnostikverfahren ermöglichen es mittlerweile, Krankheitserreger innerhalb von Minuten nachzuweisen. Doch trotz dieser technologischen Meilensteine bleibt die Umsetzung in der Praxis mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Umweltfaktoren wie Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen wirken sich negativ auf die Funktionsfähigkeit vieler Sensoren aus. Hohe Luftfeuchtigkeit kann chemische Reagenzien beschädigen oder Kondenswasser erzeugen, das elektrische Sensoren stört.
Extreme Hitze kann wichtige Biomoleküle denaturieren, was die Empfindlichkeit und Genauigkeit der Tests beeinträchtigt. Zudem sammeln sich Staub und andere Partikel auf Filtern und Sensoroberflächen, was Fehlmessungen oder Signalabweichungen zur Folge haben kann. Die meisten Labortests wurden bisher unter idealisierten Bedingungen durchgeführt, während der Alltag an Flughäfen, Bahnhöfen oder in landwirtschaftlichen Betrieben ganz andere, oft harsche Umgebungsbedingungen bietet.Die Geschwindigkeit der Diagnostik besitzt eine herausragende Bedeutung. Die Theorie der epidemiologischen Reproduktionszahl (R₀) zeigt, dass je schneller ein neuer Fall erkannt und isoliert wird, desto besser lässt sich eine exponentielle Ausbreitung unterbinden.
Ein Beispiel dafür ist der Ebola-Ausbruch von 2014 bis 2016 in Westafrika. Dort wurde die Krankheit erst erkannt, als sie sich bereits unkontrolliert ausgebreitet hatte – eine Verzögerung, die verheerende Folgen für Tausende Menschen hatte. Die Unspezifität der ersten Symptome erschwerte eine frühe Diagnose und führte zu Fehldiagnosen. Daher ist es entscheidend, Tests zu entwickeln, die nicht nur schnell, sondern auch zuverlässig sind.In der Praxis stehen oft zwei Diagnostikverfahren gegeneinander: die schnellen Antigentests und die molekularbiologischen PCR-Tests.
Antigentests detektieren Virusoberflächenproteine mittels Antikörpern auf Teststreifen und liefern Ergebnisse innerhalb von 10 bis 30 Minuten. Sie sind günstig und einfach einzusetzen, allerdings variiert ihre Sensitivität stark, vor allem in frühen Infektionsstadien, wenn die Viruslast noch niedrig ist. PCR-Tests gelten als Goldstandard und können selbst kleinste Mengen viraler RNA nachweisen. Trotz ihrer hohen Genauigkeit benötigt der gesamte Prozess, inklusive Probenversand und Laborbearbeitung, oft 24 bis 48 Stunden. Gerade bei schnell übertragbaren Krankheiten kann diese Verzögerung das Ausbruchsgeschehen maßgeblich beeinflussen.
Die Wahl zwischen Geschwindigkeit und Genauigkeit hängt stark vom Kontext ab. Bei Erregern mit hoher Reproduktionszahl kann frühe Detektion und schnelle Isolation Leben retten. Norovirus-Ausbrüche auf Kreuzfahrtschiffen zeigen eindrucksvoll, wie schnell sich Erkrankungen ausbreiten können. Selbst bei mäßiger Sensitivität können Tests, die Minuten bis Stunden benötigen, die Kette der Ansteckungen durchbrechen. Andererseits sind in Krankenhäusern, besonders bei immunsupprimierten Patienten, äußerst präzise und schnelle Tests notwendig, um Todesfälle zu verhindern.
Auch die Rolle sogenannter „Super-Spreader“ – Individuen, die unverhältnismäßig viele andere anstecken – unterstreicht den Wert einer frühzeitigen Erkennung. Das Beispiel der MERS-Epidemie 2015 in Südkorea illustriert, wie eine einzige Infektion über 80 Folgeinfektionen verursachte.Die Luftprobenahme zur Erkennung von Krankheitserregern ist keineswegs eine Neuheit. Bereits in den 1930er und 40er Jahren nutzten Wissenschaftler spezielle Geräte, um Luft auf mikrobielle Partikel zu untersuchen. Eines der ersten weit verbreiteten Geräte war der Andersen-Luftsammler, der die Luft durch mehrere Metallplatten mit unterschiedlich großen Löchern zog, um unterschiedliche Partikelgrößen zu erfassen.
Mit Nährmedien auf den Platten konnten die darauf befindlichen Mikroorganismen kultiviert und identifiziert werden. Allerdings war diese Methode langsam, analog und auf lebende Organismen angewiesen – Viren blieben so unentdeckt. Zudem dauerte die Kultivierung oft bis zu zwei Tage, was für akutes Seuchengeschehen ungeeignet war.In den Jahrzehnten darauf entstanden kompaktere und spezialisiertere Geräte, wie die Schlitz-auf-Agar-Sammler oder Flüssigkeitsimpinger. Sie verbesserten die Probenahme deutlich, blieben aber für schnelle Diagnosen ungeeignet.
Die frühen 2000er brachten einen erneuten Innovationsschub, vor allem getrieben durch das Interesse an Bioterrorismus-Überwachung und neue Seuchenausbrüche wie SARS. Das BioWatch-Programm nahm Luftproben an zentralen Plätzen in Städten, analysierte sie aber weiterhin zeitverzögert im Labor durch PCR. Mobile molekulare Diagnostikgeräte wie Cepheids GeneXpert machten die Testung vor Ort erstmals praktikabel, doch sie blieben noch relativ schwer und abhängig von spezialisierten Bedienern.Heutzutage konzentriert sich die Forschung auf vier Haupttechnologien zur Luftpathogenerkennung: optische Sensoren, Massenspektrometrie, nucleinsäurebasierte Amplifikationstechniken sowie mikro-immunoelektrochemische Sensoren (MIEs). Optische Sensoren messen die Lichtstreuung an Schwebeteilchen und können diese schnell erfassen – oft unter einer Sekunde – sind jedoch eingeschränkt in der Differenzierung zwischen harmlosen und pathogenen Partikeln.
Zudem erfassen sie Partikel größer als 0,5 Mikrometer, was kleinste Viren meist ausschließt. Massenspektrometrie analysiert die chemische Zusammensetzung der Partikel und liefert genaue molekulare Fingerabdrücke, eignet sich jedoch aufgrund hoher Kosten und Komplexität vor allem für Forschungs- und Hochleistungs-Umgebungen.Die nucleinsäurebasierte Amplifikation, zu der PCR, LAMP und CRISPR-Diagnostik zählen, ist äußerst sensitiv und exakt. Neuere Ansätze wie LAMP ermöglichen den Nachweis ohne komplexe Thermozykler, und CRISPR-basierte Systeme liefern Ergebnisse in unter 30 Minuten. Eine 2022 durchgeführte Studie demonstrierte sogar den Einsatz eines CRISPR-Sensors zur Erkennung von E.
coli in Intensivstationen mittels automatisierter Luftprobenahme. Allerdings benötigen diese Systeme oft stabile Inputbedingungen, da sie empfindlich auf Temperaturschwankungen, Feuchtigkeit oder Luftverschmutzung reagieren.Die bemerkenswertesten Fortschritte erzielen mikro-immunoelektrochemische Sensoren. Diese nutzen winzige Elek-troden, die mit Antikörpern beschichtet sind, um Viruspartikel direkt aus der Luft zu binden. Sobald ein Virus andockt, verändert sich der elektrische Strom, was nahezu in Echtzeit messbar ist.
Diese Sensoren sind klein, kostengünstig in der Produktion und können autark betrieben werden, ohne auf aufwändige Laborausrüstung angewiesen zu sein. Prototypen sind bereits für unter 10.000 US-Dollar erhältlich, wobei Kosten pro Test unter einem US-Dollar prognostiziert werden. Dennoch stellen Umweltfaktoren wie Biofouling – das Verunreinigen der Sensoroberfläche mit Staub und organischen Materialien – eine häufige Hürde dar. Verbesserte Oberflächenbeschichtungen und Filteransätze dürften diese Probleme in Zukunft mindern.
Die Einsatzmöglichkeiten neuer Technologien sind vielfältig. Eine Veröffentlichung aus dem Februar 2025 zeigte ein MIE-basiertes Sensorgerät zur Detektion des H5N1-Virus in der Luft, das mittels eines „nassen Zyklons“ Viren in einer Flüssigkeit sammelt und binnen Minuten sichere Nachweise ermöglicht. Die Forscher gehen davon aus, dass solche Geräte in wenigen Jahren auf breiter Basis verfügbar sein werden, vorausgesetzt, dass behördliche Zulassungen unkompliziert verlaufen.Für eine erfolgreiche Umsetzung sind koordinierte Partnerschaften zwischen öffentlichen Institutionen und der Privatwirtschaft essenziell. Analog zum erfolgreichen RADx-Programm für COVID-19-Testentwicklung könnte eine Initiative „RADx-Air“ geschaffen werden, um Technologien für Luftpathogen-Detektion zu fördern.
Unterstützung durch nationale Gesundheitsbehörden, Landwirtschaftsministerien sowie Kooperationen mit Unternehmen aus dem Biotech-Bereich und der Agrarwirtschaft sind entscheidend. Insbesondere die Tierhaltung stand bei früheren Ausbrüchen wie der massiven H5N1-Pandemie 2015 unter enormem ökonomischen Druck. Echtzeit-Überwachung hätte damals millionenschwere Verluste mindern können, indem betroffene Bereiche früh isoliert und Bio-Sicherheitsmaßnahmen rechtzeitig angepasst worden wären.Politischer Wille und finanzielle Förderung sind heute die größten Hürden, um den Übergang von Prototypen zu seriellen Einsatzgeräten zu schaffen. Eine gesamtgesellschaftliche Initiative mit klaren Prioritäten könnte Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität gleichzeitig stärken.