Die sogenannte „Manosphere“ hat in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit und Sorge in der Öffentlichkeit hervorgerufen. Besonders in den Medien und politischen Kreisen wurde sie als Ursprüngliches Umfeld für frauenfeindliche und radikale Ansichten dargestellt, die einerseits Ausgangspunkt für toxische Männlichkeitsbilder sein sollen und andererseits als Nährboden für tatsächliche Gewalt gegen Frauen betrachtet werden. Doch aktuelle Forschungen, darunter eine von der britischen Kommunikationsaufsicht Ofcom initiierte Studie, werfen ein differenzierteres Licht auf diese Bewegung. Sie deuten darauf hin, dass die Risiken in Bezug auf die Verbreitung von extremem Misogynismus und der potentielle Einfluss auf gesellschaftliche Gewalt womöglich überbewertet wurden. Im Zentrum der Untersuchung standen verschiedene Subkulturen der Manosphere, die weit über eine homogene Gruppe hinausgehen.
Dazu zählen Gemeinschaften wie Anhänger der sogenannten „Red Pill“-Ideologie, die davon ausgehen, dass das gesellschaftliche System Männern gegenüber ungerecht ist, „Black Pill“-Anhänger, die in der Partnersuche aufgrund äußerer Merkmale Hoffnungslosigkeit sehen, sowie Bewegungen wie „Men Going Their Own Way“ (MGTOW), Männerrechtsaktivisten und sogenannte „Pickup Artists“, die sich mit Strategien zur Verbesserung des eigenen sozialen und sexuellen Erfolgs befassen. Ebenso wurden Selbstverbesserungsthemen, Maskulinitätsbilder und gesellschaftspolitische Diskussionen unter die Lupe genommen. Die Erkenntnisse der Forscher verdeutlichen, dass nicht alle Inhalte innerhalb der Manosphere per se frauenfeindlich sind. Vielmehr gibt es eine große Anzahl von Männern, die sich in diesen Räumen kritisch mit Geschlechterrollen, Tradition und persönlicher Weiterentwicklung auseinandersetzen. Viele der Studienteilnehmer zeigten eine starke Haltung für Gleichbehandlung und Fairness und lehnten extremistische Frauenfeindlichkeit ab.
Einige beschrieben sogar, wie sie problematische und extremistische Beiträge selektiv ignorierten und selbstständig eine kritische Haltung entwickelten. Diese differenzierte Haltung wird oft von der Öffentlichkeit übersehen, die die Manosphere als monolithische, radikale Gruppe wahrnimmt. Dennoch bleibt festzuhalten, dass einige Teile der Manosphere, insbesondere geschlossene Online-Gruppen von sogenannten Incels („involuntary celibates“), starke Tendenzen zu extremem Frauenhass, Depressionen und sogar suizidalen Gedankengängen aufzeigen. Diese Communities können als gefährlich eingestuft werden, da bei sozial isolierten Mitgliedern aufgrund ihrer Vulnerabilität ein höheres Risiko besteht, schädliche Weltanschauungen zu übernehmen. Diese Erkenntnis unterstreicht die Notwendigkeit, solche extremen Randbereiche genau zu beobachten und Betroffenen gezielte Unterstützung anzubieten.
Die Studie berücksichtigt außerdem, dass einige besonders frauenfeindliche Individuen nicht an den Interviews teilnahmen, was eine Verzerrung der Ergebnisse zugunsten eines gemäßigteren Bildes nahelegen könnte. Die Methodik schloss zudem Jungen unter 16 Jahren aus, obwohl genau diese Altersgruppe als besonders beeinflussbar gilt und vermutlich eine wichtige Zielgruppe der Manosphere darstellt. Diese Einschränkungen betonen die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen, gerade auch im Hinblick auf junge Nutzer und die Entwicklung von Präventionsprogrammen. Interessanterweise zeigte sich, dass einige Männer die Inhalte sogenannter kontroverser Figuren wie Andrew Tate eher als Unterhaltung oder provokante Meinungsäußerung wahrnahmen, vergleichbar mit einem Horrorfilm oder Computerspiel. Keiner der Teilnehmer unterstützte Tates extrem frauenfeindliche Positionen uneingeschränkt.
Diese Distanzierung ist bedeutsam für das Verständnis, wie Meinungen innerhalb der Manosphere gebildet und verarbeitet werden. Die gesellschaftliche Debatte über die Manosphere ist stark emotionalisiert und oftmals geprägt von eindimensionalen Darstellungen ihrer Charaktere und Inhalte. Doch die aktuellen Forschungsergebnisse zeigen, dass ein Großteil der Nutzer reflektiert ist, eigene ethische Maßstäbe anlegt und nicht unkritisch alle Inhalte übernimmt. Dies ist wichtig, um angemessene Reaktionen auf die Herausforderungen der Online-Subkulturen zu entwickeln. Pauschale Verurteilungen können kontraproduktiv sein und den Dialog erschweren.
Der Hintergrund der verstärkten Aufmerksamkeit gegenüber der Manosphere sind unter anderem die steigenden Zahlen bei Gewalt gegen Frauen und Mädchen in England und Wales, die in den letzten Jahren signifikant angestiegen sind. Einige Forscher vermuten, dass die Sprache und Ideologien aus Teilen der Manosphere eine Radikalisierung fördern können, die sich vereinzelt in Gewalttaten äußert. Es gibt dokumentierte Fälle, in denen Täter solchen Online-Communitys angehörten oder sich von deren Gedankengut beeinflussen ließen. Dennoch ist die direkte Kausalität komplex und nicht bei allen Mitgliedern der Manosphere feststellbar. Eine differenzierte Analyse ist essenziell, um den Grad der Gefahr realistisch einschätzen zu können und keine unbegründete Panik zu erzeugen.
Die Herausforderung besteht darin, gefährliche Inhalte zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu entwickeln, während gleichzeitig die individuellen Freiheiten und die Meinungsvielfalt im Internet respektiert werden sollten. Darüber hinaus zeigt der Forschungsbericht, dass einige Männer in der Manosphere eine Reaktion auf persönliche Erfahrungen mit Ungerechtigkeit suchen, etwa durch sogenannte Paternity-Fraud-Fälle (Anschuldigungen der falschen Vaterschaft), die zu einem negativen Bild von Gerichtssystemen und feministischen Ideologien führen können. Diese persönlichen Geschichten und der damit verbundene Unmut sind wichtige Faktoren für das Verständnis, warum Menschen in diese Subkulturen eintreten. Die Manosphere ist folglich kein einheitliches Phänomen, sondern eine komplexe Ansammlung von unterschiedlichen Gruppen mit variierenden Ideologien, Motivationen und Inhalten. Einige Akteure setzen sich für Selbstverbesserung und gerechte Behandlung ein, andere propagieren Sorgen, die auf tatsächlichen sozialen Problemen beruhen, die häufig jedoch durch übertriebene oder extremistische Perspektiven gefärbt werden.