Power over Ethernet (PoE) hat sich in den letzten Jahren als bedeutende Technologie für die Stromversorgung von Netzwerkgeräten etabliert. Sie ermöglicht es, Strom und Daten über ein einziges Ethernet-Kabel zu übertragen, was insbesondere in Umgebungen mit komplexer Verkabelung oder schwer zugänglichen Stromanschlüssen enorme Vorteile bietet. Besonders spannend wird es bei Geräten mit einem höheren Energiebedarf, wie es bei PoE+ (IEEE 802.3at) der Fall ist, welches bis zu 30 Watt Leistung an der Stromquelle bereitstellen kann – deutlich mehr als der Vorgängerstandard PoE (802.3af) mit maximal 15,4 Watt.
Doch die tatsächliche Aushandlung dieser höheren Leistung gestaltet sich in der Praxis oft als Herausforderung. Hier setzt eine innovative UEFI-Anwendung an, die über die Übertragung von LLDP-MED Paketen bereits vor dem Start eines Betriebssystems die nötige Leistung anfordert, um PoE+ Geräte zuverlässig zu versorgen. Diese Lösung ist insbesondere für x86-basierte Embedded Systeme und digitale Signage Geräte interessant, die auf PoE+ angewiesen sind, jedoch in ihrer Firmware nur eine eingeschränkte Unterstützung für Power Negotiation bieten. Die Entwicklung dieser Methode zeigt, wie durch intelligente Firmware-Programmierung bereits in der Pre-Boot-Phase nachhaltige Verbesserungen bei der Energieversorgung erreicht werden können. Die Herausforderung bei PoE+ Geräten beginnt oft mit dem Bootvorgang.
Viele Geräte können nicht auf die vollen 30 Watt Leistung zugreifen, weil die klassischen physikalischen Signalisierungsmethoden der PoE-Switches nur eine begrenzte Leistungszuweisung garantieren. Für viele Embedded Systeme mit Windows 10 als Betriebssystem, die beispielsweise auf leistungsstarke Intel Atom Prozessoren setzen, ist das kritisch, da sie in der Anfangsphase mehr als 15,4 Watt benötigen, um ordnungsgemäß hochzufahren. Ohne eine korrekte Leistungszusage durch den Switch schalten sich solche Systeme oft nach dem Startversuch aus oder bleiben im Bootvorgang hängen. Klassische BIOS- oder UEFI-Firmware bieten in der Regel keine Möglichkeit, über das Netzwerk höhere PoE-Stromreserven anzufordern. Dies führt zu einem sogenannten Catch-22: Um mehr Strom vom Switch zu bekommen, muss das Gerät zuvor Netzwerkkommunikation betreiben, die jedoch erst durch das gestartete Betriebssystem möglich wäre.
Hier kommt die innovative Idee ins Spiel, die in den letzten Jahren entwickelt wurde: eine UEFI-Anwendung, die bereits vor dem Laden des Betriebssystems kommuniziert und über das Protokoll LLDP-MED (Link Layer Discovery Protocol - Media Endpoint Discovery) entsprechende Pakete versendet, um die benötigte Stromstärke auszuhandeln. LLDP-MED ist eine Erweiterung des LLDP-Protokolls, die detaillierte Informationen zum Netzwerkendgerät und seinen Anforderungen ermöglicht. PoE+-fähige Switches können so genau erkennen, dass ein Endgerät höhere Leistung benötigt, und diese auch bereitstellen. Die technische Umsetzung erfolgte durch die Programmierung einer maßgeschneiderten UEFI-Applikation namens PoePwrNegotiator. Diese Software läuft eigenständig innerhalb der UEFI-Firmware des Systems und nutzt die von UEFI bereitgestellten Netzwerkfunktionen.
Eine der wesentlichen Vorteile der UEFI-Plattform besteht darin, dass sie einen eigenen Netzwerkstack integriert hat, der das Senden von Datenpaketen ermöglicht, bevor das Betriebssystem überhaupt gestartet wurde. Damit wird die Wartezeit auf das Betriebssystem umgangen und die Leistungsaushandlung kann frühzeitig beginnen. Die Herausforderung lag vor allem darin, dass viele herkömmliche Motherboards und BIOS-Anbieter keine Unterstützung für individuelle Anpassungen im Netzwerkboot oder spezielle PoE-Verhandlungen bieten. Ein Entwicklerteam suchte deshalb nach Alternativen, um ohne Änderung des BIOS dennoch Zugriff auf die Pre-Boot-Netzwerkkommunikation zu erhalten. Dabei stieß man auf die Möglichkeit, UEFI-Anwendungen auf der EFI System Partition abzulegen und sie automatisch beim Bootvorgang ausführen zu lassen, etwa über das Startskript startup.
nsh in der UEFI-Shell. Die Umsetzung erforderte tiefgreifendes Firmware-Know-how und enge Zusammenarbeit mit Experten aus dem Bereich BIOS-Programmierung. Nach intensiver Entwicklungszeit konnte PoePwrNegotiator erfolgreich für PoE+-fähige x86-Embedded Systeme eingesetzt werden. Die Anwendung sendet kontinuierlich LLDP-MED-Pakete, bis der Switch die Leistungsanforderung erkennt und die Stromstärke entsprechend erhöht. Diese Methode ermöglichte es, die Geräteleistung stabil und zuverlässig vor dem vollständigen Start des Betriebssystems zu sichern, wodurch Abstürze und unvollständige Bootvorgänge vermieden werden konnten.
Die Vorteile einer solchen Lösung sind vielfältig und reichen weit über den eigentlichen Anwendungsfall hinaus. Zum einen eröffnet der Zugriff auf Netzwerkprotokolle bereits in der UEFI-Phase eine ganz neue Dimension der Systemsteuerung, die klassische Grenzen zwischen Firmware und Betriebssystem verwischt. Zum anderen wird eine nachhaltige Verbesserung der Nutzererfahrung geschaffen, indem Hardwareprobleme, die durch unzureichende Stromversorgung entstehen, vorab ausgeschlossen werden können. Auch aus Sicht der Produktentwicklung und Systemintegration bietet der Einsatz einer UEFI-Anwendung zur PoE+ Verhandlung Vorteile. Hersteller müssen nicht mehr auf spezielle BIOS-Updates oder komplizierte Hardwareanpassungen hoffen, sondern können unabhängig von der Firmware schneller und flexibler Lösungen realisieren.
Für Unternehmen, die Embedded Systeme in der digitalen Beschilderung oder industriellen Automation entwickeln, bedeutet dies weniger Supportaufwand und höhere Systemverfügbarkeit. Die Open-Source-Veröffentlichung von PoePwrNegotiator unter der MIT-Lizenz trägt darüber hinaus dazu bei, dass andere Entwickler und Unternehmen von diesem Konzept profitieren können. Es fördert den Erfahrungsaustausch innerhalb der Community und ermöglicht eigene Modifikationen und Erweiterungen, die den spezifischen Anforderungen unterschiedlicher Hardwareplattformen gerecht werden. Die Kombination von modernem UEFI-Firmwarezugriff mit Netzwerkprotokollkenntnissen setzt einen neuen Standard, der auch zukünftig bei der Entwicklung energieeffizienter und gleichzeitig leistungsstarker Netzwerkgeräte eine wichtige Rolle spielen wird. Das Projekt verdeutlicht exemplarisch, wie technische Innovation oft aus der Überwindung von Restriktionen entsteht.
Die Grenze zwischen Hardware- und Softwareanpassungen wird durch innovative Denkansätze verschoben, um Probleme zu lösen, die auf den ersten Blick unüberwindbar scheinen. Gleiches gilt für die Firmware, die lange als starres Bindeglied zwischen Hardware und Betriebssystem galt, mittlerweile aber immer mehr Flexibilität über individualisierte Anwendungen zeigt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Vermittlung von PoE+ Leistung durch eine UEFI-Anwendung vor dem Betriebssystemstart eine wegweisende Lösung für stromhungrige x86-basierte Geräte ist. Die Anpassung über LLDP-MED Pakete ermöglicht es, Energiebedarfsschübe rechtzeitig abzudecken und die Stabilität des Systems zu gewährleisten. Insbesondere in der digitalen Beschilderung, Industrieautomation und weiteren Embedded-Anwendungen, die auf schlanke Verkabelung und maximale Büro- oder Produktionssicherheit setzen, ist diese Technologie ein Meilenstein.
Zukünftige Entwicklungen könnten die Integration solcher Verfahren nicht nur auf x86-Plattformen, sondern auch auf ARM-basierten Systemen und anderen Embedded Architekturen erweitern. Zudem könnten erweiterte Protokolle zur Leistungsüberwachung und Optimierung in die UEFI-Anwendungen einfließen, um eine noch feinere Steuerung des Energiemanagements im Pre-Boot-Bereich zu realisieren. Die Kombination aus Firmware-Netzwerkkommunikation und Power Negotiation zeigt dabei exemplarisch, wie moderne Systeme zunehmend durch Softwarelösungen auf niedriger Ebene an Effizienz und Funktionalität gewinnen. Viele Unternehmen, die auf PoE setzen, sollten diese neuen Möglichkeiten genau beobachten und gegebenenfalls für ihre Produkte evaluieren. Der Einsatz von UEFI-Anwendungen zur PoE+ Verhandlung kann nicht nur technische Probleme lösen, sondern auch langfristig Kosten einsparen, da die Hardware weniger modifiziert werden muss und Ausfälle minimiert werden.
Nicht zuletzt ist die Offenlegung der Lösungen in einer Entwicklergemeinschaft ein wertvolles Instrument, um die Weiterentwicklung der Technologie in eine erfolgreiche Zukunft zu begleiten.