Darklands ist ein Rollenspiel der besonderen Art, das 1992 von MicroProse für DOS veröffentlicht wurde und schon damals durch seine ungewöhnliche Herangehensweise an das genre bekannte Rollenspielgeschehen auffiel. Anders als viele seiner Zeitgenossen bietet Darklands keinen klassischen High-Fantasy-Stil, sondern verwebt den frühen 15. Jahrhundert mittelalterlichen Heiligen Römischen Reich mit einer düsteren Interpretation historischer Glaubensvorstellungen, Sagen und Legenden. Dadurch entstand ein Spiel, das nicht nur Geschichten erzählt, sondern auch den Spieler einlädt, in eine Epoche einzutauchen, in der die Grenze zwischen Realität und Mythos fließend war. Das Spiel hebt sich von anderen Rollenspielen jener Zeit durch seine innovative Mischung aus historischer Genauigkeit und mystischen Elementen ab.
Während das Spieldesign auf realistischen Aspekten beruht und historische Begebenheiten und Figuren berücksichtigt, werden gleichzeitig übernatürliche Kräfte und Kreaturen in Einklang mit den damaligen superstitionellen Vorstellungen eingebaut – so wird beispielsweise das Beten zu Heiligen zum zentralen Element des göttlichen Magiesystems. Diese Verbindung erlaubt ein Spielerlebnis, das sich vom üblichen „Zauberstab schwingen“ deutlich unterscheidet und stattdessen auf Glauben, Rituale und alchemistische Kunst setzt. Die Charaktererstellung ist ein weiterer Punkt, der Darklands hervorhebt. Inspiriert von klassischen Pen-&-Paper-Rollenspielen wie Traveller und RuneQuest, bietet der Prozess viel Tiefe und Individualität. Spieler können ihre vier Helden nach sorgfältiger Abwägung ihrer Fähigkeiten, Tugenden und Berufe formen.
Die Entwicklung der Charaktere erfolgt dabei nicht linear, sondern erfordert strategisches Denken und Planung, insbesondere da Waffenfertigkeiten deutlich einfacher steigen als Tugendwerte oder andere nützliche Fähigkeiten. Trotz einiger Unausgewogenheiten im System ist die Charaktererschaffung eines der Highlights, da sie dem Rollenspiel eine glaubwürdige und immersive Grundlage verleiht. Im Vergleich zu zeitgenössischen RPGs verzichtet Darklands weitgehend auf typische Rollenspielklischees wie Klassen oder Level-Up-Systeme im traditionellen Sinne, setzt stattdessen auf ein skills-basiertes System, in dem sich jede Fähigkeit organisch verbessert. Das spiegelt die tiefe Verbundenheit des Spiels mit seinen Tabletop-Vorbildern wider und sorgt für ein organisches Spielerlebnis, das je nach Spielstil unterschiedliche Herangehensweisen fördert. Dennoch können ungleichmäßige Fortschritte in einigen Bereichen, beispielsweise beim Tugendzuwachs, das Spielerlebnis gelegentlich beeinträchtigen.
Der Spielwelt kommt bei Darklands eine immense Bedeutung zu. Die Entwickler wählten bewusst das historische Heilige Römische Reich als Kulisse, mit einer klaren Verbindung zu realen Orten, Politik und kulturellen Gegebenheiten der Zeit. Das Handbuch hebt dabei deutlich hervor, welche Elemente historisch belegt sind und wo die Legenden eingreifen. Doch anders als erhofft präsentiert sich die Welt eher statisch: Städte unterscheiden sich kaum voneinander, politische Intrigen oder dramatische Wandel in der Region finden kaum statt. Die Möglichkeiten, aktiv in die komplexe Machtstruktur einzugreifen oder verschiedene Fraktionen zu unterstützen, fehlen weitgehend.
So führt das Spiel eher eine Reise durch eine lebendige, aber doch recht lineare und sich wenig verändernde Welt, anstatt eine dynamische und sich wandelnde Region abzubilden. Trotzdem bietet Darklands eine breite Palette unterschiedlicher Begegnungen und Herausforderungen. Neben der klassischen Monsterbekämpfung zwingen zahlreiche nicht-kämpferische Szenarien den Spieler dazu, taktisch zu denken und die Fähigkeiten seiner Gruppe geschickt einzusetzen. Ob es darum geht, einen streunenden Pilger zu begleiten, einen Fluch zu lösen, eine Gruppe von Raubrittern zu stürmen oder das Herz einer Hexenschar zu erzürnen – die Bandbreite ist bemerkenswert. Diese vor allem in Menüs präsentiert Begegnungen sind sehr textlastig und erinnern an Choose-Your-Own-Adventure-Stil, dennoch wird wenig wirkliche Rollenspielentscheidung geboten, da die Auswahlmöglichkeiten meist stark durch Erfolgschancen statt durch moralische Ambivalenz oder Charakterethik bestimmt sind.
Das Kampfsystem ist eine der Kerninnovationen von Darklands. Es basiert auf einem Echtzeit-mit-Pause-Mechanismus, der zur damaligen Zeit ungewöhnlich war und später viele Nachahmer fand, insbesondere in Spielen wie Baldur's Gate. Die Kämpfe verlangen vom Spieler taktisches Denken unter Berücksichtigung von Waffeneigenschaften, Rüstungsschutz, Gruppentaktiken und individuelle Fähigkeiten. Durch den Verzicht auf Klassen ermöglicht das System, dass jede Figur auf verschiedenen Wegen effektiv werden kann. Allerdings weist das Kampfsystem auch Schwächen auf.
Probleme mit KI, Balance und schwer durchsichtigem Schaden waren auf der Veröffentlichungsplattform noch spürbar. Ein weiterer Schwerpunkt von Darklands ist das ausgefeilte Wirtschaftssystem, das einem echten Mittelaltermarkt nahekommt. Spieler können Geld auf vielfältige Arten verdienen, ausgeben und investieren, wodurch ökonomische Überlegungen eine wichtige Rolle spielen. Die Möglichkeit, z. B.
Spenden an Kirchen zur Steigerung der Tugend zu verwenden oder bei alchemistischer Herstellung von Tränken zu sparen, eröffnet viele strategische Optionen. Geld hat jederzeit Wert, es gibt kein Stadium, in dem man unendlich reich wird und somit die Herausforderung verliert. Dieses ausgefeilte Wirtschaftssystem gilt als eines der besten seiner Zeit. Die Quests des Spiels sind zahlreich und vielfältig, doch viele folgen einem wiederkehrenden „Radiant Quest“-Prinzip: Aufgaben, die mehrfach mit zufällig zugewiesenen Zielorten erfüllt werden können. Trotz der Vielzahl wirkt die Questgestaltung an sich wenig tiefgründig, da die meisten Missionen auf wiederholten Mustern und Belohnungskalkulationen basieren.
Die Hauptgeschichte, in die die Spieler schließlich involviert werden, bietet mit einer Verschwörung um die Tempelritter und Dämon Baphomet zwar einen atmosphärischen Höhepunkt, ist jedoch eher konventionell und endet mit teils kontrovers diskutierten Opferanforderungen an die Helden. Die Präsentation von Darklands ist ambivalent. Die Grafiken sind handgezeichnet, stimmungsvoll und transportieren das mittelalterliche Flair überzeugend in Standbildern während Begegnungen. Doch die Weltkarte und die Figuren- und Gegner-Symbole sind oft schwer lesbar und unübersichtlich. Auch die Soundkulisse bleibt meist blass und wurde oft als wenig erinnerungswürdig bezeichnet.
Die Benutzeroberfläche ist funktional, aber unkomfortabel. Viele Spielbefehle sind ohne Nachschlagen im Handbuch schwer zu erfassen, die Steuerung des Charakters auf der übergeordneten Karte wirkt hölzern und hinderlich, besonders wenn die Gruppe scheinbar unbegründet nicht an gewünschte Punkte gelangt. Ein bedeutender Punkt der Spielerfahrungen sind die Einschränkungen bei der Charakterentwicklung und der Rollenfreiheit. Darklands lädt zwar zum Rollenspiel ein, belohnt jedoch hauptsächlich einen tugendhaften Weg mit Renommee, Geld und Erfolg. Eine Wahl zwischen Gut und Böse im eigentlichen Sinne fehlt fast vollständig.
Böse Pfade haben hohe negative Konsequenzen und werden durch das Spiel moralisch stark sanktioniert. Dies limitiert die erzählerische Tiefe und die Freiheit des Spielers in gewisser Weise und wird häufig als Schwachpunkt des Spiels erkannt. Die Rezeption von Darklands war zur Veröffentlichung zwiespältig. Manche Kritiker lobten das innovative Setting, die Charaktergestaltung und die Vielzahl an Begegnungen, andere bemängelten das repetitive Gameplay, die technischen Probleme und die abschwächende Starrheit der Spielwelt. Insbesondere die bekannte Reviewer-Kritikerin „Scorpia“ war sehr kritisch und verurteilte das unbefriedigende Ende, in dem der Spieler Opfer bringt, ohne echte Belohnung zu erhalten.
Dennoch genießt das Spiel heute Kultstatus, hat eine engagierte Fangemeinde, wird oft als eines der originellsten und wichtigsten Rollenspiele der 90er Jahre bezeichnet und wurde in zahlreichen modernen Umfragen und Retrospektiven hoch bewertet. Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Entstehungsgeschichte von Darklands. Der Gründer und Hauptentwickler Arnold Hendrick kam aus der Welt der Brett- und Tabletopspiele und hatte keine Programmierkenntnisse, was ungewöhnlich war. Seine Leidenschaft für historische Genauigkeit und ein glaubwürdiges Spielgefühl floss eindeutig in jede Facette des Spiels ein. Allerdings führte dies auch zu Projektmanagementproblemen und einem Überschreiten von Budget und Zeitrahmen, was die finanzielle Lage von MicroProse beeinträchtigte.
Letztlich brach das Studio seine RPG-Ambitionen nach Darklands ab, was aus heutiger Sicht bedauerlich erscheint. Der Nachhall von Darklands lässt sich kaum überschätzen. Viele der damals neuartigen Systeme waren Vorläufer für spätere Rollenspiele, beispielsweise die Echtzeit-mit-Pause-Kämpfe oder das offene Weltmodell mit rein textbasierten Begegnungen. Spiele wie die frühen Elder Scrolls-Titel und die Infinity Engine Spiele könnten schattenhaft von Darklands inspiriert worden sein, auch wenn dies nie offiziell bestätigt wurde. Trotzdem hat es bis heute keinen vollwertigen Nachfolger oder ein Remake geschafft, was angesichts seines Einflusses überraschen mag.
Zusammengefasst ist Darklands ein Spiel, das Großes versucht, mit ebenso großen Erfolgen und kleinen Schwächen. Das Spiel fordert eine intensive Einarbeitung, hat viele innovative Elemente und lädt zu wiederholtem Spielspaß ein. Es eignet sich besonders für Freunde historischer Settings, Liebhaber komplexer Systeme und jene Spieler, die neue Wege im Rollenspiel erleben möchten. Zwar ist es oft repetitiv und technisch nicht mehr ganz auf neuestem Stand, doch genau in der Mischung aus realistischer Mühsal, mythischer Welt und taktischer Tiefe liegt sein Reiz – ein Spiel, das man nicht einfach mal nebenbei spielt, sondern das man erlebt und mit Respekt behandelt.