In den letzten zwölf Monaten verzeichnete Großbritannien einen signifikanten Rückgang der Einnahmen aus der Kapitalertragssteuer (Capital Gains Tax, CGT). Die Einnahmen sanken um etwa zehn Prozent, von 14,5 Milliarden Pfund im Vorjahr auf 13 Milliarden Pfund im Berichtszeitraum bis März 2025. Diese Entwicklung wirft viele Fragen auf, insbesondere im Zusammenhang mit der kürzlichen Reform der Steuerpolitik und der daraus resultierenden Reaktion wohlhabender Individuen und Unternehmer im Land. Das Fundament der aktuellen Situation liegt in mehreren zentralen Änderungen der britischen Steuerlandschaft. Die Abschaffung des sogenannten Nicht-Dom-Regimes, das bis März 2024 vielen internationalen Steuerzahlern erlaubte, ihre weltweiten Einkünfte vom britischen Steuersystem auszunehmen, hat den steuerlichen Druck auf vermögende Personen deutlich erhöht.
Zudem wurde der Kapitalertragssteuersatz sowohl für die Grund- als auch für die Höchststeuerklasse auf 18 bzw. 24 Prozent angehoben, wodurch sich die Belastung weiter verstärkt hat. Diese Maßnahmen erfolgten im Rahmen der Haushaltspläne, die darauf abzielen, die Staatsfinanzen zu konsolidieren und das Steueraufkommen zu steigern. Aus Sicht der Wirtschaftsanalyse könnten diese wirtschaftspolitischen Veränderungen indirekt eine Ausreise von wohlhabenden Personen aus Großbritannien bewirken. Diejenigen, die über erhebliches Vermögen verfügen, insbesondere Unternehmer und Investoren, stellen sich zunehmend die Frage, ob es sinnvoller ist, ihr Vermögen innerhalb Großbritanniens zu belasten oder durch einen Wohnsitzwechsel in steuerlich günstigere Länder wie Portugal, Italien oder Spanien Steuervorteile in Anspruch zu nehmen.
Studien von Relocation-Agenturen wie Henley & Partners zeigen einen Anstieg der Nachfrage nach Auswanderungsmöglichkeiten nahezu um das Dreifache im Vergleich zum Vorjahr, was eine klare Reaktion auf die Steueränderungen darstellt. Besonders auffällig ist die Verlangsamung bei den Verkäufen von hochpreisigen Immobilien, vor allem in London. Hier entstehen direkte Verknüpfungen zwischen den sinkenden Kapitalertragssteuereinnahmen und der sich abzeichnenden Zurückhaltung von Investoren und Eigentümern, Immobilien zu veräußern. Das Verhalten reflektiert die Angst vor hohen Steuerbelastungen beim Realisieren von Wertsteigerungen. Die Immobilienbranche wird damit zu einem Indikator für die Konsequenzen der Steuerpolitik auf das Vermögensverhalten der Reichen.
Experten verweisen jedoch auch auf andere Faktoren, die zum Rückgang der Kapitalertragssteuern beigetragen haben. Insbesondere der Anstieg der Zinssätze seit 2021 hat Einfluss auf die Bewertung von Finanzanlagen. Höhere Kreditkosten verringern die Attraktivität von Investitionen und können einen Rückgang von Transaktionen und damit realisierten Gewinnen nach sich ziehen. Da etwa 79 Prozent der Kapitalertragssteuereinnahmen aus dem Verkauf finanzieller Vermögenswerte stammen und sich 41 Prozent davon auf Einzelpersonen mit Gewinnen von fünf Millionen Pfund und mehr konzentrieren, wirkt sich ein rückläufiger Markt für Finanzanlagen maßgeblich auf die Einnahmen aus. Neben den finanziellen Aspekten gibt es auch politische und gesellschaftliche Diskussionen rund um die Abwanderung der Finanzelite.
Während die Regierung bestrebt ist, die Steuerbasis durch Anpassung der Einfuhr von Steuergeldern zu erweitern, stehen die langfristigen Folgen des Wegzugs vermögender Personen im Fokus. Dies betrifft nicht nur die unmittelbaren Steuereinnahmen, sondern auch die Impulse, die diese Gruppe durch Investitionen, Unternehmeraktivitäten und Beschäftigung in der Wirtschaft setzt. Die Situation spiegelt sich auch in der Position Großbritanniens als internationales Finanzzentrum wider. Einige Beobachter berichten davon, dass London aus den Top-5 der wohlhabendsten Städte der Welt gefallen ist – eine Entwicklung, die unter anderem auf die Abwanderung von Millionären zurückzuführen ist. Ein solcher Bedeutungsverlust könnte das Ansehen und die Wettbewerbsfähigkeit Großbritanniens auf globaler Ebene beeinträchtigen und langfristig negative Rückwirkungen auf Finanzdienstleistungen und Immobilienmärkte haben.
Unter Juristen und Finanzberatern herrscht eine teils skeptische Haltung gegenüber der direkten Verbindung zwischen der Nicht-Dom-Regelungsabschaffung und den fallenden Kapitalertragssteuereinnahmen. Zwar wird ein Effekt nicht ausgeschlossen, jedoch betonen sie, dass solche Entwicklungen meist verzögert eintreten und auch von anderen volatilen Faktoren wie Marktwerten und Investitionszyklen beeinflusst werden. Die Marktmechanismen zeigen somit eine hohe Komplexität, in der Steueränderungen nur ein Teil eines größeren Bildes sind. Noch bleibt abzuwarten, wie sich die jüngsten Steuergesetze in den kommenden Jahren auf das Verhalten wohlhabender Bürger und das Steueraufkommen auswirken werden. Es zeichnet sich jedoch ab, dass das britische Steuersystem vor einer Herausforderung steht: Einerseits müssen Staatseinnahmen gesichert werden, die zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben unerlässlich sind, andererseits darf dies nicht zu einem Abwanderungsdruck führen, der die wirtschaftliche Basis und Investitionskraft des Landes gefährdet.
Investitionen in Immobilien, Unternehmenskäufe und -verkäufe sowie die Finanzmarktaktivität sind wichtige Treiber der Kapitalertragssteuereinnahmen und gleichzeitig Indikatoren für die Attraktivität Großbritanniens als Wirtschaftsstandort. Die Regulierung und Steuerpolitik sollten daher sorgfältig kalibriert werden, um ein optimales Gleichgewicht zwischen fiskalischer Verantwortung und internationaler Wettbewerbsfähigkeit herzustellen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Rückgang der Kapitalertragssteuereinnahmen um zehn Prozent ein deutlicher Indikator für tiefgreifende Veränderungen im Bereich der Vermögensverwaltung und Steuerpolitik in Großbritannien ist. Die Liberalisierung früherer Steuerprivilegien für Nicht-Doms, die Erhöhung der Steuersätze und die makroökonomischen Rahmenbedingungen tragen zusammen zu einer komplexen Gemengelage bei, die sowohl Chancen als auch Risiken für die britische Wirtschaft und Gesellschaft birgt. Die künftige Entwicklung wird stark davon abhängen, wie Regierung und Marktteilnehmer auf die Herausforderungen reagieren.
Strategien zur Bindung von vermögenden Individuen, Anreize für Investitionen und Maßnahmen zur Förderung eines stabilen, attraktiven Finanzumfelds könnten entscheidend sein, um den Trend umzukehren und die Position Großbritanniens als bedeutender Finanz- und Wirtschaftsstandort zu sichern.