Die Bauindustrie erlebt derzeit eine technologische Revolution, die maßgeblich von der Entwicklung und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) geprägt wird. Beim ENR FutureTech-Kongress in San Francisco, einer der wichtigsten Veranstaltungen für Innovationen im Bauwesen, stand für das zweite Jahr in Folge das Thema KI im Mittelpunkt. Experten und Branchenführer präsentierten neue Anwendungen und Systeme, die auf intelligenten Algorithmen basieren und versprachen, die Abläufe auf Baustellen grundlegend zu verändern. Im Kern dieser Transformation steht eine elementare Erkenntnis: Für die Weiterentwicklung und Effizienz der KI sind hochwertige und strukturierte Daten unerlässlich – Daten sind die Treibkraft der KI-Technologie. Eine der herausragenden Rednerinnen war Sadia Janjua, Leiterin der digitalen Transformation der Port Authority von New York und New Jersey.
Sie verdeutlichte anhand ihres eigenen Projekts, wie die Behörde mit einem selbst entwickelten Chatbot interne Prozesse optimiert. Dieser digitale Assistent lernt aus den zahlreichen Standardarbeitsanweisungen, Handbüchern und Dokumentationen der Institution und ermöglicht Mitarbeitern direkten Zugriff auf wichtige Informationen, ohne zeitraubende Suchvorgänge durchführen zu müssen. Dieses Beispiel zeigt, wie datengetriebene KI-Lösungen nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch das Wissen im Unternehmen besser nutzbar machen. Janjua macht deutlich: Die Qualität und Struktur der Daten, aus denen die KI lernt, bestimmen maßgeblich den Erfolg der resultierenden Lösungen. Doch welche Datenarten und -quellen sind in der Bauindustrie von besonderer Bedeutung? Neben digitalen Handbüchern und Verfahrensanweisungen gewinnen vor allem Echtzeitdaten vom Baubetrieb selbst an Gewicht.
Sensoren, Kameras und auch spezielle Netzwerkgeräte wie Wi-Fi-Router erfassen kontinuierlich Informationen über den Fortschritt der Baustelle. So beschrieb Hamzah Shanbari, Innovationsdirektor beim Bauunternehmen Haskell aus Jacksonville, Florida, ein innovatives Mapping-System namens Wise. Es kombiniert KI mit handelsüblichen Wi-Fi-Routern, um anhand der Signale zu erkennen, wo genau auf der Baustelle Rohrleitungen, Kabelkanäle und Lüftungsrohre liegen. Die KI ist darauf trainiert, feine Unterschiede in den Signalbildern zu identifizieren, wodurch eine Art lebendige Karte entsteht, die nahezu in Echtzeit Fortschritte und Änderungen auf der Baustelle visualisiert. Obwohl das Projekt noch im Forschungs- und Entwicklungsstadium ist, unterstreicht Shanbari das enorme Potenzial dieser Präzisions- und Transparenztechnologie für das Bauprojektmanagement.
Die Bauwirtschaft steht dem Thema KI und Digitalisierung allerdings mit einer gewissen Skepsis gegenüber. Kris Lengieza, globaler Technologie-Evangelist bei Procore, einem führenden Unternehmen für Bautechnologie aus Kalifornien, bezeichnet den Umgang der Bauunternehmer mit KI als „optimistischer Pessimismus“. Während die Branche großes Interesse an innovativen Lösungen hat, wird zugleich befürchtet, dass viele der vorgeführten Technologien mehr Showeffekte als umsetzbare Vorteile bieten. Viele Bauunternehmer suchen nach pragmatischen Anwendungen, die konkret ein bestehendes Problem lösen oder Abläufe deutlich verbessern. Sie sind zurückhaltend gegenüber vielversprechenden, aber noch unausgereiften Innovationen, die in der Praxis oft nicht die erhofften Effekte bringen.
Dabei zeigen die Entwicklungen auf dem FutureTech-Kongress, dass der Fokus zunehmend auf praxisnahen Lösungen liegt. Durch den intelligenten Einsatz von Algorithmen, die auf großen Mengen sorgfältig gepflegter Daten basieren, lassen sich nicht nur Arbeitsprozesse beschleunigen, sondern auch die Sicherheit auf Baustellen verbessern. KI kann beispielsweise bei der Überwachung und Analyse von Arbeitsabläufen helfen, potenzielle Risiken frühzeitig erkennen und damit Unfälle vermeiden. Zudem eröffnet die Kombination von KI mit bereits vorhandener Infrastruktur, wie es das Wise-Projekt demonstriert, neue Perspektiven für kosteneffiziente Innovationen. Anstatt teure Spezialgeräte zu entwickeln, nutzt man vorhandene Technologien so um, dass sie durch intelligente Software vielfältige zusätzliche Funktionen übernehmen können.
Das spart Kosten und erleichtert die Einführung moderner Technologien auf Baustellen unterschiedlicher Größe. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Rolle der Datenintegration. In der Bauindustrie gibt es eine Vielzahl von Systemen und Quellen, die isoliert Daten erzeugen – von Mitarbeiterberichten, Materiallieferungen bis zu Maschinenstatus. Für KI-Systeme ist es entscheidend, diese Daten zu einem einheitlichen, strukturierten Datensatz zusammenzuführen, um verlässliche und präzise Modelle zu erzeugen. Digitale Plattformen, die eine vernetzte, transparente Projektsteuerung ermöglichen, sind daher unverzichtbar.
Die Zukunft der Baustellen wird von einer starken Verzahnung zwischen Digitalisierung, Datenmanagement und KI geprägt sein. Bereits heute zeigen sich erste Anwendungen, die Abläufe optimieren, Kosten senken und Bauzeiten verkürzen. Die Herausforderung besteht jetzt darin, die Modelle weiter zu verfeinern, die Datenqualität kontinuierlich zu verbessern und Technologien branchenweit breit einzuführen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bauwirtschaft eine Phase tiefgreifender technologischer Veränderung durchläuft, die untrennbar mit den Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz verbunden ist. Die Qualität und Struktur der Daten bilden dabei das Fundament für den erfolgreichen Einsatz intelligenter Systeme.
Beim FutureTech-Kongress wurde deutlich, dass praktische und realitätsnahe Anwendungen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig bestehen in der Branche noch Vorbehalte gegenüber überschätzten Hype-Themen, weshalb es wichtig ist, Lösungen zu entwickeln, die konkrete Mehrwerte liefern. In diesem Kontext gilt es, das Bewusstsein für die Bedeutung von Daten als „König“ der Künstlichen Intelligenz weiter zu stärken. Nur durch eine solide Datenbasis kann KI ihr volles Potenzial entfalten und die Bauindustrie effizienter, sicherer und nachhaltiger machen. Die fortschreitende Digitalisierung wird Bauunternehmen helfen, sich besser zu vernetzen, Entscheidungen datenbasiert zu treffen und gleichzeitig die immense Komplexität moderner Bauprojekte zu meistern.
Der Weg ist geebnet für eine neue Ära der Bauwirtschaft, in der intelligente Technologien und erstklassige Daten Hand in Hand arbeiten, um die Zukunft zu gestalten.