Der Luxusgütermarkt befindet sich im Wandel und die Herausforderungen für Traditionsmarken wachsen. Vor diesem Hintergrund setzt der französische Konzern Kering, Eigentümer von renommierten Marken wie Gucci, Saint Laurent, Bottega Veneta, Balenciaga und Alexander McQueen, auf eine überraschende Personalentscheidung. Luca de Meo, der bis Juli 2025 als Vorstandsvorsitzender des Autoherstellers Renault tätig war, wird neuer CEO bei Kering. Dies bedeutet einen tiefgreifenden Wechsel in der Führungsebene des renommierten Luxuskonzerns und öffnet eine neue Phase für das Unternehmen, das in den vergangenen Jahren mit Rückschlägen insbesondere bei Gucci und Saint Laurent zu kämpfen hatte. François-Henri Pinault, der derzeitige CEO und Erbe des Konzerns, gibt nach fast 20 Jahren sein Amt ab, bleibt jedoch weiterhin als Chairman aktiv und hält mit seiner Familie eine bedeutende Mehrheit der Stimmrechte im Unternehmen.
Die Ernennung von Luca de Meo ist gewissermaßen eine Wette auf unkonventionelle Expertise. Während Kering traditionell von Managern aus der Mode- und Luxusbranche geführt wurde, bringt de Meo seine umfangreiche Erfahrung aus der Automobilindustrie mit. Seine Zeit bei Renault zeichnet sich durch internationale Führungsstärke und ein feines Gespür für Markenstrategie aus – Qualitäten, die Kering in einer Phase benötigt, in der der Konzern sonnenklar hinter Wettbewerbern wie LVMH und Hermès zurückliegt. Gucci, das mit großem Abstand wichtigste Standbein von Kering, hat vor allem in China deutliche Marktanteile eingebüßt. São Paulo, Shanghai und New York zählen zwar immer noch zu den wichtigsten Luxusmärkten der Welt, doch insbesondere die Schwierigkeiten in China wirken sich auf Umsätze und Wachstum massiv aus.
Der chinesische Markt bleibt für viele globale Luxusmarken eine Herausforderung, und auch Gucci konnte den noch immer extrem umkämpften Markt nicht vollständig für sich gewinnen. Die Markenidentität, das Marketing und die Produktgestaltung müssen neu ausgerichtet werden, um einen nachhaltigen Turnaround einzuleiten. Neben Gucci kämpft auch Saint Laurent mit schwächeren Verkäufen, vor allem wegen eines schrumpfenden Großhandelsgeschäfts und einer allgemein angespannten Lage auf dem US-Markt. Kering sieht sich daher einer mächtigen Aufgabe gegenüber – nicht nur die Performance der einzelnen Marken zu stabilisieren, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Konzerns zu sichern. François-Henri Pinault beschreibt den Wechsel als den Beginn einer neuen Entwicklungsphase für Kering.
Er hebt hervor, dass Luca de Meo über eine „scharfe Markenkompetenz“ sowie ein „starkes und respektvolles Unternehmenskulturverständnis“ verfügt. Der neue CEO soll das Unternehmen modernisieren, neue Impulse setzen und langfristig zurück auf Wachstumspfad bringen. Dabei wird von ihm erwartet, dass er den Spagat meistert, eine vom Automobilbereich geprägte Erfahrung erfolgreich in die Luxuswelt zu übertragen. Die Herausforderungen für de Meo sind enorm. Kering musste in den letzten Jahren zudem mit einem Rückgang des Marktwerts um etwa 70 Prozent leben, und die Konkurrenz in der Luxusindustrie ist intensiver denn je.
Vor allem LVMH, das von Bernard Arnault geführt wird, hat seine Marktführerschaft ausgebaut und wächst weiterhin stark. Hermès verfolgt eine andere Strategie, baut auf Exklusivität und Handwerkskunst, und konnte dadurch vor allem in Wachstumsmärkten seine Position stärken. Kering hingegen wirkt stellenweise unter Zugzwang, weil der Konzern auf den wichtigen Absatzmärkten an Boden verloren hat. Die Aktienkurse zeigten nach Bekanntgabe der Personalentscheidung eine positive Reaktion. Die Kering-Aktie stieg an der Pariser Börse um 12 Prozent, während Renault als Verlierer knapp 8 Prozent verlor.
Dies unterstreicht das erhebliche Marktinteresse an der Neuausrichtung des Unternehmens und an dem Werdegang von Luca de Meo. Für Anleger ist die Entscheidung ein Signal, dass Kering aktiv die Weichen für die Zukunft stellt und auf eine Expertise setzt, die frische Perspektiven eröffnen könnte. Dass der Luxusmarkt sich in einem dynamischen Prozess befindet, wurde bereits durch die Auswirkungen der globalen Pandemie, geopolitische Unsicherheiten und veränderte Konsumgewohnheiten vieler Kunden deutlich. Jüngere Käufergruppe, komplexe Vertriebswege und neue digitale Handelsformen sind entscheidende Faktoren, welche die Branche tiefgreifend verändern. Für Gucci und Saint Laurent bedeutet dies, nicht nur ihre Kreativität und Exklusivität zu bewahren, sondern sich auch an digitale Trends und innovative Kundenansprache anzupassen.
Überdehnte Kollektionen und falsche Marketingentscheidungen führten zu deutlichen Einbußen, von denen sich die Marken erholen müssen. De Meo bringt Erfahrungen in der Entwicklung internationaler Strategien und der Führung großer Organisationen mit. Bei Renault war er maßgeblich an mehreren Turnaround-Projekten beteiligt und hat das Unternehmen auf den Weg der Elektromobilität und nachhaltigen Mobilität geführt. Sein Gespür für Marken und Veränderungsprozesse könnte sich bei Kering als wertvoll erweisen, um die Balance zwischen Luxusimage und zeitgemäßer Unternehmensführung zu gewährleisten. Der Schritt, einen Manager aus dem Automobilsektor an die Spitze eines Luxusgiganten zu setzen, ist ungewöhnlich, aber nicht neu in der Wirtschaftsgeschichte.
Interdisziplinäre Führungskräfte können frischen Wind bringen und Branchengewohnheiten hinterfragen. Entscheidend wird sein, ob de Meo die kulturellen Besonderheiten der Mode- und Luxusbranche ebenso rasch versteht und akzeptiert, wie er seine Kompetenzen einbringt. Kering steht ebenso vor der Aufgabe, den Wettbewerb zwischen seinen eigenen Marken zu managen. Mit Gucci und Saint Laurent als zwei sehr unterschiedlichen Luxuslabels muss ein stimmiges Portfolio-Management sichergestellt werden, damit beide Marken ihre Positionen stärken können. Innovation, Nachhaltigkeit und eine klare Markenidentität sind Eckpfeiler für den Erfolg.
Die Erhaltung und der Ausbau des Luxusimages, verbunden mit modernen Erwartungen an Soziales und Umweltbewusstsein, verlangen von Kering eine sorgfältige Strategie. Luxus ist heute mehr denn je mit Werteorientierung verbunden, weshalb auch unternehmerische Verantwortung ein großer Faktor für die Markenreputation ist. Die Entscheidung für Luca de Meo als neuen CEO von Kering ist somit ein mutiger und womöglich strategisch kluger Schritt in einem Markt, der sich schnell wandelt und hohe Anforderungen an Führungskräfte stellt. Die anstehenden Monate werden zeigen, wie der Auto-Spezialist mit den Herausforderungen der Modebranche umgeht und ob er der Schlüssel sein kann, um Kering zurück an die Spitze der Welt-Luxusanbieter zu führen. Während Pinault den Übergang als wohlüberlegt und langfristig angelegt beschreibt, bleibt die Aufmerksamkeit von Investoren, Branchenexperten und Konsumenten gespannt.
Kering hat die Chance, mit frischem Wind und neuer Führung eine positive Wendung herbeizuführen – und die Ikonen Gucci und Saint Laurent wieder zu den dominierenden Luxusmarken zu machen, die sie einst waren.