Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China befinden sich erneut in einer angespannten Phase. Die anhaltende Zollblockade belastet nicht nur den Handel zwischen den beiden Wirtschaftsmächten, sondern wirft auch ein Schlaglicht auf unterschiedliche diplomatische Ansätze der jeweiligen Führungsebene. Ein ehemaliger amtierender Stabschef des Weißen Hauses, Mick Mulvaney, äußerte jüngst deutliche Zweifel an der Effektivität von Präsident Donald Trumps „Man-to-Man“-Diplomatie gegenüber dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Seine Einschätzungen geben Aufschluss über die vielschichtigen Hürden, die bei Verhandlungen mit Peking zu bewältigen sind und die Gründe, warum direkte Gespräche auf höchster Ebene nicht zwangsläufig zum Erfolg führen müssen. Mulvaney beschreibt eine „fundamentale Diskrepanz“ in den Verhandlungsgewohnheiten beider Seiten.
Während Präsident Trump eine direkte und persönliche Kommunikation mit Xi Jinping suche, bevorzugt die chinesische Seite traditionell den Weg über Berater und Institutionen, bevor Gespräche auf der höchsten Ebene stattfinden. Dieses Vorgehen ist tief in der chinesischen Regierungskultur verwurzelt, die Wert auf kollektive Beratung und sorgfältige Vorbereitung legt. Das direkte Gespräch „man-to-man“, so Mulvaney, sei bei Xi Jinping wenig beliebt und könnte deshalb das Erreichen eines Übereinkommens erschweren. Der Wunsch des US-Präsidenten nach einem unmittelbaren Dialog ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Die USA stehen vor komplexen Herausforderungen, was besonders die bestehenden Handelskonflikte betrifft.
Die USA werfen China u.a. vor, geistiges Eigentum zu stehlen, unfairen Handelspraktiken nachzugehen und Transparenz in internationalen Krisen, etwa während der Covid-19-Pandemie, vermissen zu lassen. Diese Vorwürfe verursachen Misstrauen und erschweren Verhandlungen zusätzlich. China hingegen bestreitet diese Anschuldigungen vehement und verweist auf seine Einhaltung internationaler Vereinbarungen, die erst kürzlich in Genf getroffen wurden.
Die anhaltenden Spannungen zeigen sich besonders in den Maßnahmen seitens Washingtons, die Peking als diskriminierend bewertet. Dazu gehören Exportbeschränkungen für KI-Chips, Verbote für Chip-Design-Software sowie die Einschränkung von Visa für chinesische Studierende. Diese Restriktionen zielen darauf ab, die technologische Überlegenheit der USA zu sichern und gleichzeitig die wirtschaftliche und politische Macht Chinas einzudämmen. Die Art und Weise, wie China auf diesen Druck reagiert, unterscheidet sich grundlegend von der amerikanischen Direktheit. Der chinesische Führungsstil ist stark hierarchisch und legt großen Wert auf Gesichts wahren – also das öffentliche Wahrnehmen von Respekt und Autorität.
Obwohl Xi Jinping als starker und zentraler Führer gilt, trifft er Entscheidungen oft erst nach ausführlichen Beratungen mit einem Netzwerk aus Beratern und dem Politbüro. Diese strukturierte Herangehensweise widerspricht der amerikanischen Vorliebe für schnelle, persönliche Absprachen. Diese diskursive Praxis führt dazu, dass multilaterale Verhandlungen, die auf vielschichtigen Abstimmungsprozessen beruhen, signifikant länger dauern können. Die Erwartung Trumps, durch eine Telefonkonferenz in dieser Woche mit Xi eine schnelle Lösung herbeizuführen, könnte deshalb enttäuscht werden. Die Komplexität der Themen – von Technologien, geistigem Eigentum über Handel bis hin zu geopolitischen Einflussfragen – erfordert mehr als nur unmittelbare Gespräche zwischen zwei Personen.
Das Thema der geistigen Eigentumsrechte ist ein weiterer zentraler Streitpunkt in den Verhandlungen. Die USA fordern von China einen stärkeren Schutz für Innovationen und technologische Entwicklungen, da zahlreiche amerikanische Unternehmen wiederholt Opfer von Industriespionage und erzwungenen Technologietransfers geworden sind. Diese Fragen sind jedoch tief mit Chinas langfristigen wirtschaftlichen Entwicklungsstrategien verbunden, die eine Stärkung der eigenen Technologiebranchen anstreben. Für Peking ist es daher schwer, in diesem Punkt nachzugeben, ohne die nationale Strategie zu gefährden. Neben den wirtschaftlichen und strategischen Aspekten sind auch kulturelle Unterschiede im diplomatischen Umgang nicht zu unterschätzen.
In China gilt das Prinzip der Harmonie als wichtiger Verhandlungswert. Konfrontative und direkte Kommunikationsweisen, wie sie in den USA üblich sind, gelten dort häufig als unangemessen oder sogar beleidigend. Langwierige Beratungen im Vorfeld von Amtshandlungen dienen dazu, Konflikte zu vermeiden und das Gesicht aller Beteiligten zu wahren. Die Vielzahl der offenen Fragen führt dazu, dass ein einfaches zweipersonales Gespräch auf der höchsten Führungsebene nicht zwangsläufig eine Lösung herbeiführen wird. Vielmehr sind längerfristige, institutionalisierte Verhandlungen auf mehreren Ebenen notwendig, um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und praktikable Kompromisse zu erzielen.
In diesem Kontext wird auch deutlich, warum die aktuelle Zollblockade so schwer zu überwinden ist. Sie ist symptomatisch für tiefer liegende strukturelle Konflikte in der globalen Wirtschaftsordnung und den unterschiedlichen Vorstellungen von Handel, Diplomatie und nationaler Souveränität. Solange beide Seiten auf ihren jeweiligen Herangehensweisen beharren und den anderen nicht ausreichend berücksichtigen, bleibt eine schnelle Einigung schwer erreichbar. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Trump-Strategie, Gespräche direkt und persönlich mit Xi Jinping zu führen, die Komplexität der Situation unterschätzt. Effektive Diplomatie mit China benötigt ein tiefes Verständnis der kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Dynamiken, die hinter den offiziellen Verhandlungen stehen.
Nur so kann der festgefahrene Zollkonflikt langfristig gelöst werden und eine neue Grundlage für die Beziehungen zwischen den beiden globalen Großmächten geschaffen werden. Die kommenden Wochen dürften zeigen, ob Trumps „Man-to-Man“-Gesprächsangebot tatsächlich zu einem Durchbruch führen kann oder ob es lediglich den tief verwurzelten Unterschied in Verhandlungsstilen offenbart. Unabhängig vom Ausgang dieser nächsten Schritte ist klar, dass der Dialog zwischen Washington und Peking kontinuierlich und auf verschiedenen Ebenen geführt werden muss, um nachhaltigen Frieden und wirtschaftliche Stabilität zu sichern.