Das Universum ist ein faszinierender und zugleich rätselhafter Ort. Seit Jahrzehnten stellen sich Wissenschaftler und Forscher die Frage, warum wir trotz der immensen Anzahl an Sternen und Planeten im Kosmos bislang keine überzeugenden Signale oder Beweise für außerirdisches intelligentes Leben empfangen haben. Dieses Phänomen ist unter dem Begriff „Fermi-Paradoxon“ bekannt, benannt nach dem Physiker Enrico Fermi, der in den 1950er Jahren dramatisch die Frage stellte: „Wo sind sie alle?“ Die Grundidee hinter dem Fermi-Paradoxon ist verblüffend einfach: Unsere Milchstraße enthält Milliarden von Sternen, von denen viele von Planetensystemen umkreist werden. Unter diesen Planeten gibt es zahlreiche, die theoretisch lebensfreundliche Bedingungen bieten könnten. Hätten sich intelligente Zivilisationen nicht längst entwickelt und sogar die Möglichkeit gehabt, sich im ganzen Universum auszubreiten? Die Zeitrahmen, die dabei betrachtet werden, sind bemerkenswert – innerhalb weniger Millionen Jahre könnte eine technische Zivilisation theoretisch die gesamte Galaxie kolonisieren, was astronomisch gesehen ein Wimpernschlag ist.
Eine wichtige Hilfe zur Einschätzung der Anzahl potenziell existierender Zivilisationen liefert die sogenannte Drake-Gleichung. Entwickelt von dem Astronomen Frank Drake Ende der 1960er Jahre, versucht sie, verschiedene Faktoren zu kombinieren, die für das Entstehen und die Kommunikation intelligenten Lebens ausschlaggebend sind. Dazu zählen etwa die Entstehungsrate neuer Sterne, der Anteil an Sternen mit Planeten, die Anzahl lebensfreundlicher Planeten pro Stern, die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Leben und von intelligentem Leben, sowie die Lebensdauer technologischer Zivilisationen, die Kommunikationstechnik entwickeln. Die Drake-Gleichung ist ein beeindruckendes Werkzeug, doch die Schätzungen ihrer Parameter sind mit großer Unsicherheit behaftet. Einige der Faktoren beruhen mehr auf Spekulationen als auf belastbaren Daten.
Trotzdem legen viele Berechnungen nahe, dass es in unserer Galaxie durchaus mehrere derartige Zivilisationen geben müsste – was das abrupte Fehlen jeglicher Signale noch rätselhafter macht. An dieser Stelle kommt die Arbeit von Wissenschaftlern wie Matthew Civiletti ins Spiel. Civiletti und sein Team haben in einer kürzlich veröffentlichten Studie eine mathematische und geometrische Analyse entwickelt, um zuverlässiger abzuschätzen, wie wahrscheinlich es eigentlich ist, dass wir heute ein Signal von einer anderen Zivilisation empfangen würden. Anstatt nur hypothetische Parameter zu diskutieren, wurde der Fokus auf die konkrete Wahrscheinlichkeit für den Empfang zumindest eines Signals gelegt, unter unterschiedlichen Annahmen über die Verteilung und das Verhalten außerirdischer Sender. Das Modell von Civiletti nutzt vereinfachte Annahmen, die an erster Stelle zwei Dimensionen betrachten, was die Berechnungen zugänglicher und nachvollziehbarer macht.
Dabei ändert sich die Wahrscheinlichkeit, erkannt zu werden, laut den Ergebnissen nur wenig abhängig von der Verortung der Erde im Galaxiesystem bei einfachen Szenarien. Das erweitert die Anwendbarkeit des Modells auf komplexere Umstände. Eine zentrale Erkenntnis der Studie ist, dass bei einer angenommenen Anzahl von etwa einer technologischen Zivilisation, die Signale aussendet, die Wahrscheinlichkeit, solche Signale tatsächlich zu empfangen, bei 99 % liegen sollte. Das bedeutet: Bei realistischer Einschätzung der Drake-Gleichung hätten wir bereits mit großer Wahrscheinlichkeit bemerken müssen, dass wir nicht allein sind. Das Fehlen jeglicher Signale könnte also darauf hindeuten, dass entweder viele Parameter der Gleichung überschätzt wurden oder dass andere, bisher unberücksichtigte Faktoren eine Rolle spielen.
Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass technologische Zivilisationen nur eine relativ kurze Zeitspanne solche Signale aussenden, bevor sie entweder aussterben oder ihre Übertragungsmethoden ändern. Vielleicht kommunizieren sie auch in Weisen, die wir bisher noch nicht entdeckt oder verstanden haben, oder sie nutzen andere Mittel als elektromagnetische Wellen, die durch unsere Teleskope und Radioteleskope empfangen werden können. Darüber hinaus kann die Stille auch auf eine bewusste Selbstisolation von außerirdischen Zivilisationen zurückzuführen sein. Es wurde spekuliert, dass fortgeschrittene Kulturen Kommunikationsversuche vermeiden könnten, um potenziell gefährliche Begegnungen zu verhindern – eine Art kosmische Vorsicht. Solche Überlegungen sind allerdings vorläufig und in der Wissenschaft umstritten.
Nicht zuletzt könnten wir auch einfach noch nicht intensiv oder lange genug gesucht haben. SETI, das Search for Extraterrestrial Intelligence, unternimmt seit Jahrzehnten Anstrengungen, mithilfe großer Radioteleskope nach künstlich erzeugten elektromagnetischen Signalen zu suchen. Trotz der zunehmenden Technologie und verbesserten Technologien blieb bisher jede Suche erfolglos. Doch die Galaxie ist riesig, und wir können nur einen winzigen Ausschnitt in einem Zeitrahmen erforschen, der im kosmischen Maßstab kürzer ist als ein Wimpernschlag. Die Zusammenführung der Modellierungen mit den Daten der SETI-Suchen kann immerhin dazu beitragen, gewisse Parameterbereiche der Drake-Gleichung auszuschließen oder zu bestätigen.
Wenn zum Beispiel alle Versuche, Signale zu finden, nicht belohnt werden, könnten Forscher die Möglichkeit eingrenzen, wie viele Zivilisationen tatsächlich mit uns Funksignale austauschen könnten, oder die durchschnittliche Lebensdauer dieser Zivilisationen bestimmen. Das bedeutet, dass selbst ausbleibende Entdeckungen wertvolle Informationen liefern können und nicht bloß als enttäuschendes Ergebnis gelten sollten. In diesem Sinne dient die Suche nach außerirdischer Intelligenz nicht nur als hoffnungsvolle Erkundung nach anderen Wesen, sondern auch als ein tiefgründiges Mittel zur Selbstreflexion über das eigene Dasein und unsere Stellung im Universum. Während die Forschung weiterhin voranschreitet und neue Technologien die Suche verbessern, bleibt die Antwort auf die Frage nach außerirdischem Leben offen. Die jüngsten wissenschaftlichen Ansätze geben Anlass zur Hoffnung, dass wir uns den Geheimnissen des Kosmos mit immer mehr Verstand und Präzision nähern.
Die Entdeckungen der Zukunft könnten dem Fermi-Paradoxon neue Perspektiven eröffnen – oder uns vielleicht sogar mit dem aufregendsten Kontakt der Menschheitsgeschichte überraschen. Bis dahin bietet die Kombination aus statistischer Modellierung, theoretischen Überlegungen und praktischer Suche wertvolle Orientierung in einem der größten Rätsel der Wissenschaft. Indem wir lernen, auch das Fehlen von Beweisen als Datenpunkt zu verstehen, ebnen wir den Weg für neue Einsichten in das Universum und das Leben darin – und das gerade dann, wenn alles still erscheint.