Mit der Veröffentlichung des Bonfire Social 1.0 Release Candidate nimmt die Landschaft dezentraler sozialer Netzwerke eine neue Wendung. Nach einer langen Entwicklungs- und Gestaltungsphase präsentiert Bonfire eine modulare Plattform, die nicht nur als ein weiteres soziales Netzwerk funktioniert, sondern als ein vielseitiger Rahmen zum Aufbau und zur Verwaltung digitaler Gemeinschaftsräume. Diese Plattform setzt einen starken Akzent auf lokale Selbstverwaltung, Anpassungsfähigkeit und gleichzeitig eine Verbindung zum globalen Fediverse – dem verbündeten Netzwerk verschiedenster föderierter Dienste wie Mastodon, Peertube oder Mobilizon. Bonfire Social verfolgt damit das Ziel, digitale Räume schaffen, in denen Nutzerinnen und Nutzer wirklich Kontrolle über ihre Inhalte und sozialen Interaktionen haben und dabei nicht von zentralisierten Algorithmen oder Konzernen abhängig sind.
Bonfire Social kann als erste stabile Variante eines sogenannten „Flavours“ (Geschmacksrichtung) von Bonfire verstanden werden. Ein Flavour bezeichnet dabei eine vorkonfigurierte Kombination von Erweiterungen und Einstellungen, die spezifisch auf die Bedürfnisse verschiedener Communities zugeschnitten sind. Bonfire Social bildet den Ausgangspunkt für Gruppen, die ihren eigenen digitalen Raum schaffen möchten, ohne dabei Kompromisse bei der individuellen Selbstbestimmung oder der Verbindung zu anderen Netzwerken eingehen zu müssen. Neben Bonfire Social sind bereits weitere Flavours wie Bonfire Community und Open Science in Entwicklung, und die Plattform bietet die Möglichkeit, eigene Varianten ganz nach Bedarf zu kreieren. Die Funktionen von Bonfire Social orientieren sich an bekannten sozialen Elementen, erweitern diese aber in vielfacher Hinsicht.
Beispielsweise sind Feeds, Profile, das Folgen von Nutzern oder Teilen von Beiträgen selbstverständlich, doch kommen neuartige Features hinzu, welche die Kommunikation und den Austausch wesentlich vertiefen. Rich-Text-Posts erlauben eine vielseitigere Gestaltung von Beiträgen, während verschachtelte Diskussionen (Nested Discussions) den Dialog strukturierter und leichter nachvollziehbar machen – ein entscheidender Vorteil für Gemeinschaften, die Diskurs und Vernetzung ernst nehmen und nicht bloß oberflächlichen „Content“ konsumieren. Ein besonders hervorzuhebender Aspekt sind die sogenannten Kreise (Circles). Diese ermöglichen es Nutzerinnen und Nutzern, verschiedene Personengruppen innerhalb ihres Netzwerks zu definieren, etwa Freunde, Arbeitsgruppen oder Interessensgemeinschaften. Kreise erlauben zugleich unterschiedliche Sichtbarkeitsregelungen für geteilte Inhalte, was eine differenzierte Privatsphäre und abgestufte Netzwerkstrukturen ermöglicht – eine Funktion, die bei vielen bestehenden sozialen Netzwerken nur stark eingeschränkt oder gar nicht verfügbar ist.
Außerdem sind Kreise standardmäßig privat und können bei Bedarf mit anderen geteilt werden. Die sogenannten Grenzen (Boundaries) bieten weitere Kontrollmöglichkeiten. Hier kann festgelegt werden, wer Beiträge sehen oder kommentieren darf. So lassen sich beispielsweise Posts für mehrere Kreise zugänglich machen, aber nur eine ausgewählte Gruppe kann darauf antworten. Ebenso können Inhalte öffentlich erscheinen und gleichzeitig für bestimmte Nutzergruppen verborgen bleiben.
Diese differenzierte Steuerung erhöht nicht nur die Privatsphäre, sondern fördert auch eine gezielte Kommunikation innerhalb komplexer Gruppenstrukturen. Benutzerdefinierte Feeds sind ein weiterer Eckpfeiler von Bonfire Social. Anstelle von Algorithmen, die im Verborgenen bestimmen, was welchen Nutzern gezeigt wird, sind Feeds vollständig anpassbar. Ohne technische Vorkenntnisse können Nutzerinnen und Nutzer Filter setzen, um Beiträge nach Typ, Kreiszugehörigkeit, Datum, Interaktionslevel oder Herkunftsinstanz zu sortieren. Diese Freiheit stellt sicher, dass wirklich relevante Inhalte im Mittelpunkt stehen und der Blick nicht durch unüberschaubare Informationsfluten gestört wird.
Zusätzlich lassen sich gespeicherte Filterkombinationen als sogenannte Presets konfigurieren und in der Seitennavigation jederzeit schnell abrufen. Die traditionelle Trennung von Accounts und Profilen wurde in Bonfire grundlegend überdacht. Eine einzige Nutzerin oder ein Nutzer kann mehrere unabhängige Profile erstellen, die jeweils eigene Inhalte, Follower und Einstellungen besitzen. Besonders für Kollektive, Projekte oder Publikationen ist es zudem möglich, Profile gemeinsam von mehreren Accounts verwalten zu lassen. Dies unterstreicht den kooperativen Charakter der Plattform und eignet sich hervorragend für vielfältige Gemeinschaftsformen.
Darüber hinaus unterstützt Bonfire Social zahlreiche weitere Funktionen, die den privaten Gebrauch und die organisatorische Struktur erleichtern. Die Installation als Progressive Web App ermöglicht eine mobile Nutzung ohne native App. Typische Interface-Erleichterungen wie der Import von blocklisten erleichtern die Moderation ganzer Gemeinschaften, während Datenmigrationen zwischen Instanzen den Umzug oder parallele Nutzung verschiedener Netzwerke vereinfachen. Anpassbare Rollen und Berechtigungen eröffnen differenzierte Verwaltungsoptionen für Administratorinnen und Administratoren und sorgen für Sicherheit und Klarheit bei der verantwortlichen Betreuung von Communities. Das Angebot wird zusätzlich durch Features wie benutzerdefinierte Emojis, Direktnachrichten und private Gruppendiskussionen ergänzt, die ebenfalls die bekannten Vorteile verschachtelter Threads bieten.
Volltextsuchfunktionen machen es möglich, Inhalte schnell und gezielt zu finden, wobei Nutzerinnen und Nutzer optional das Indexieren ihrer Profile abwählen können. Nicht zuletzt steht Bonfire Social in Föderation mit anderen Plattformen wie Mastodon, Peertube oder Mobilizon, was eine nahtlose Kommunikation und Interaktion quer durch diverse föderierte Dienste erlaubt. Trotz des reichen Funktionsumfangs gibt es auch Bereiche, die im Release Candidate noch nicht enthalten sind. So fehlen noch die Mastodon API-Kompatibilität, umfassendere Inhaltskennzeichnungen und Emoji-Reaktionen, da hier weitere Entwicklungen und Abstimmungen nötig sind. Gruppen und Themen sowie spezielle Koordinationswerkzeuge sind für spätere Flavours wie Bonfire Community und Bonfire Coordination geplant.
Ebenso sind viele weitere Erweiterungen denkbar, die aufgrund der modularen Struktur einfach integriert werden können. Die Entwicklung ist bewusst offen angelegt, um den Austausch und die Zusammenarbeit mit den Nutzerinnen und Nutzern zu fördern und ihre Bedürfnisse in den kommenden Versionen umzusetzen. Um den Einstieg zu erleichtern, steht eine Demo-Instanz zur Verfügung, die erste Einblicke in das System ermöglicht. Fortgeschrittene Communities sind eingeladen, eigene Bonfire Social-Instanzen zu installieren und aktiv Feedback über das offizielle Issue-Tracking oder den Kontakt auf Mastodon (@bonfire@bonfire.cafe) zu geben.
Auch Hosting-Angebote und maßgeschneiderte Flavours werden über die Bonfire Networks bereitgestellt, um spezifische Anforderungen abzudecken. Mit dem Release von Bonfire Social 1.0 wird ein wichtiger Meilenstein erreicht, der jedoch gleichzeitig erst der Beginn eines umfassenden Vorhabens ist. Die Community-orientierte Plattform möchte den Weg zu einer nachhaltigen, selbstbestimmten und föderierten digitalen Infrastruktur ebnen. Dabei wird großer Wert auf Mitgestaltung, nachhaltige Entwicklung und eine breite Beteiligung gelegt.