Sprache ist weit mehr als nur ein Kommunikationsmittel; sie verbindet Menschen, Kulturen und ganze Nationen auf vielfältige Weise. In einer globalisierten Welt, in der internationale Beziehungen, Handel und Migration immer enger miteinander verflochten sind, gewinnt das Verständnis der linguistischen Vernetzung zunehmend an Bedeutung. Der neue Datensatz „Domestic and International Common Language“ (DICL) bietet eine revolutionäre Möglichkeit, die sprachlichen Verbindungen auf nationaler und internationaler Ebene quantitativ zu erfassen und zu analysieren. Mit Informationen zu über 6.600 Sprachen, die in 242 Ländern und Territorien gesprochen werden, ist er ein mächtiges Werkzeug für Forschende, Politikerinnen und Politiker sowie alle, die an kulturellen und wirtschaftlichen Interaktionen interessiert sind.
Die Basis des DICL-Datensatzes ist das renommierte Ethnologue: Languages of the World, eine der umfassendsten Quellen zur weltweiten Sprachenvielfalt. Das Besondere an diesem Datensatz ist seine Detailliertheit: Er erfasst nicht nur, welche Sprachen in welchem Land gesprochen werden, sondern differenziert darüber hinaus zwischen offiziellen Sprachen, Muttersprachen (native languages) und erlernten Zweitsprachen (acquired languages). Zudem berücksichtigt er die linguistische Nähe zwischen unterschiedlichen Sprachen, was eine differenzierte Analyse der Kommunikationserleichterung über Sprachgrenzen hinweg ermöglicht. Die linguistische Verknüpfung zwischen Ländern wird durch elf verschiedene Indizes beschrieben, die verschiedene Dimensionen der Sprachverbindungen darstellen. Zwei davon konzentrieren sich auf offizielle Sprachen: ein breiter gefasster Index (COL) beziffert gemeinsame offizielle Sprachen unter Einbeziehung auch regional anerkannter Sprachen, während ein restriktiverer Index (COR) nur national festgelegte offizielle Sprachen berücksichtigt.
Diese Unterscheidung ist wichtig, um sowohl formelle Kommunikationskanäle als auch informellere sprachliche Interaktionen abzubilden. Ein weiterer zentraler Bestandteil sind die Indizes für gemeinsame Mutter- und Zweitsprachen. Der Common Native Language Index (CNL) misst den Anteil der Bevölkerung zweier Länder, die eine gemeinsame Muttersprache sprechen – ein Indikator, der nicht nur Kommunikationsfähigkeit, sondern auch kulturelle Verbindungen und ethnische Ähnlichkeiten abbildet. Ergänzend dazu steht der Common Acquired Language Index (CAL), der den Anteil der Sprecher gemeinsamer erlernter Sprachen beziffert, was insbesondere die Rolle globaler Verkehrssprachen wie Englisch, Spanisch oder Französisch beleuchtet. Zusammen ergeben sie den Common Spoken Language Index (CSL), der alle Sprecher sowohl nativer als auch erworbener Sprachen berücksichtigt und so die gesamte sprachliche Vernetzung zwischen Bevölkerungen misst.
Neben diesen direkten Sprachverbindungen legen die Linguistic Proximity Indices den Fokus auf die Verwandtschaft von Sprachen. Sie berücksichtigen, wie eng zwei Sprachen innerhalb linguistischer Familien verwandt sind, also wie ähnlich beispielsweise Portugiesisch und Spanisch oder Schwedisch und Norwegisch zueinander sind. Dieser Ansatz geht über das simple Teilen einer Sprache hinaus und betrachtet die evolutive Nähe, die oft die gegenseitige Verständlichkeit beeinflusst. Diese Indizes werden sowohl für Muttersprachen (LPN), erworbene Sprachen (LPA) als auch alle gesprochenen Sprachen (LPS) berechnet. Ergänzend existieren sogenannte Branch Proximity Indices (BPN, BPA, BPS), die die sprachliche Nähe basierend auf der Anzahl der Verzweigungen in einem linguistischen Stammbaum erfassen, um alternative Perspektiven auf sprachliche Beziehungen zu bieten.
Die Analyse der Daten zeigt eine spannende sprachliche Landschaft: Während fast 40 Prozent aller Länderpaare mindestens eine gemeinsame offizielle Sprache teilen, sind starke sprachliche Verbindungen gemäß der Indizes für Mutter-, Zweitsprachen und sprachliche Nähe relativ selten und sehr unterschiedlich ausgeprägt. Dies spiegelt unter anderem historische Bindungen, Kolonialisierung, Migration sowie regionale Zugehörigkeiten wider. Global dominieren hierbei Sprachen wie Englisch und Mandarin, die jeweils über eine Milliarde Sprecher zählen – wobei Englisch besonders durch seine weitreichende Verbreitung als Zweitsprache hervortritt. Diese Mehrsprachigkeit ist ein entscheidender Faktor für das Verständnis wirtschaftlicher und sozialer Interaktionen. Das Dataset ermöglicht es auch, innerhalb eines Landes die sprachliche Vielfalt und Verteilung zu untersuchen.
Länder wie Papua-Neuguinea mit über 800 Sprachen stellen extreme Beispiele von hoher Diversität dar, während andere Länder eine weitgehend homogene Sprachlandschaft besitzen. Die Kombination der Indizes erlaubt die Messung sowohl von sprachlicher Homogenität als auch von Vielfalt und wie diese sich regional ausbildet. Diese Informationen sind bedeutsam für politische Entscheidungen, zum Beispiel in Bezug auf Bildungspolitik, Minderheitenschutz oder die Gestaltung von Verwaltungssprache. Die Stärke des datengestützten Ansatzes liegt auch in der Möglichkeit, die Daten in sozialen Wissenschaften und Ökonomie einzusetzen. Studien haben gezeigt, dass die gemeinsamen Sprachindizes wesentliche Einflussfaktoren auf die Intensität des internationalen Handels, Migration sowie kulturelle Ähnlichkeiten darstellen.
So erleichtern gemeinsame oder verwandte Sprachen nicht nur die zwischenmenschliche Kommunikation, sondern fördern auch wirtschaftliche Kooperationen und politischen Austausch. Besonders bemerkenswert ist, dass die DICL-Indizes andere gängige Sprachdatensätze in ökonometrischen Modellen übertreffen konnten und robustere Ergebnisse liefern. Die Anwendungsmöglichkeiten der Daten sind vielfältig: Forscherinnen und Forscher nutzen die Indizes, um Migrationstrends besser zu verstehen, politische Bindungen zu analysieren oder die Wirkung von Infrastrukturprojekten auf den Handel zu beurteilen. Die Linguistic Proximity Indices eröffnen zudem neue Perspektiven im Tourismus, bei kulturellen Austauschprogrammen oder der Diplomatie, indem sie nicht nur das Vorhandensein einer gemeinsamen Sprache zeigen, sondern auch die Qualität der sprachlichen Nähe berücksichtigen. Die Qualität und Validität des Datensatzes wird durch umfassende Vergleiche mit vorherigen bekannten Datensätzen und durch das Abbilden erwarteter realer Muster bestätigt.
Länder mit vielen Mehrsprachigen und offiziell anerkannten Hauptsprachen wie Indien oder Luxemburg erscheinen als hoch vernetzt, während isoliertere oder sprachlich heterogene Länder niedrigere Werte aufweisen. Dies spiegelt auch politische, wirtschaftliche und kulturelle Realitäten wider. Technisch fußt die Erstellung des Datensatzes auf einem komplexen Prozess, bei dem Sprachstatistiken mit linguistischen Stammbaum-Daten zusammengeführt werden. Die Verarbeitung erfolgt mit modernen Python-Tools, die sowohl Skalierbarkeit als auch Reproduzierbarkeit gewährleisten. Interessierte können den Datensatz sowie den zugehörigen Quellcode über die Harvard Dataverse- und US International Trade Commission-Websites abrufen.
Dies fördert Transparenz und ermöglicht individuelle Anpassungen und Erweiterungen. Zusammenfassend liefert der DICL-Datensatz einen einzigartigen, umfassenden und methodisch durchdachten Einblick in die globale Sprachlandschaft. Er schlägt eine Brücke zwischen Mikrodaten auf Sprachebene und makroökonomischen sowie soziokulturellen Fragestellungen. Die Berücksichtigung von Sprache als verbindendem Element schafft die Grundlage für ein vertieftes Verständnis der globalen Vernetzung und kann als Werkzeug zur Verbesserung von Politikgestaltung, Forschung und internationaler Zusammenarbeit dienen. Die zukünftigen Entwicklungen auf dem Gebiet der linguistischen Datensammlung und -analyse werden weitere hochauflösende Einblicke ermöglichen.
Dabei wird Sprache auch weiterhin eine Schlüsselrolle in einer Welt spielen, die durch digitale Kommunikation und kulturellen Austausch enger zusammenrückt. Der DICL-Datensatz stellt somit einen bedeutenden Meilenstein dar, um die komplexen und teils verborgenen Verbindungen zwischen Menschen über Landesgrenzen hinweg sichtbar zu machen und systematisch zu untersuchen.