Die wirtschaftliche Landschaft der Vereinigten Staaten befindet sich in einer tiefgreifenden Transformation. Unter der zweiten Amtszeit von Präsident Trump verfolgt die US-Regierung nicht nur eine aggressive Handelspolitik mit erhöhten Zöllen, sondern auch eine weit umfassendere finanzpolitische Strategie zur Stabilisierung und Restrukturierung der nationalen und internationalen Zahlungsbilanz. Diese neue Ausrichtung geht weit über die bekannten Maßnahmen hinaus und zielt darauf ab, die Abhängigkeit von ausländischem Kapital zu verringern sowie den starken Einfluss des US-Dollars im globalen Finanzsystem zu erhalten und auszubauen. Ein zentrales Element dieser Anpassung ist die deutliche Erhöhung der Zolltarife, die nach einer kurzen Moratoriumphase wieder eingeführt wurden und in der vorläufigen Version fünfmal höher als die bisher WTO-konformen Sätze liegen. Verhandlungen mit wichtigen Handelspartnern wie China und dem Vereinigten Königreich signalisieren weiterhin steigende Tarife, wohingegen die Gespräche mit der Europäischen Union ins Stocken geraten und ein zähes Ringen um faire Bedingungen andauert.
Doch die Debatte um Zölle bleibt nur die Spitze des Eisbergs. Die wirkliche Herausforderung der US-Politik ist eine Neupositionierung im globalen makrofinanziellen System. Das Ziel ist eine nachhaltige Korrektur der Zahlungsbilanz, bei der insbesondere die Nettoinvestitionsposition der USA verbessert wird. In den vergangenen fünf Jahren verschlechterte sich diese um mehr als zehn Billionen US-Dollar, eine Entwicklung, die auf Dauer politisch und wirtschaftlich riskant ist. Zudem wird die Reduzierung des Haushaltsdefizits priorisiert, da die Staatsschuldenquote einen kritischen Punkt erreicht hat, an dem sie als Instabilitätsfaktor wirkt.
Der komplexe Spagat besteht darin, amerikanischen Investoren stärkere Anreize zu bieten, Auslandskapital zu binden und gleichzeitig ausländische Investitionen in US-amerikanische Vermögenswerte zu verringern. Unterzeichnet werden soll auch ein verstärkter Zustrom von Direktinvestitionen („Greenfield FDI“) in die US-Wirtschaft. Dabei soll das schwer zu ersetzende „exorbitante Privileg“ der Dollar-Dominanz im internationalen Zahlungsverkehr erhalten bleiben. Diese finanzpolitische Neuorientierung ist ein strategischer Balanceakt, der auch mit der Förderung der digitalen Finanztechnologien verknüpft ist. Der Sprung in die digitale Finanzwelt spiegelt sich in der Unterstützung für sogenannte Stablecoins wider.
Präsident Trumps Executive Order 14178, erlassen im Januar 2025, etabliert die Leitlinien für die künftige Gestaltung der US-amerikanischen Finanzstruktur im Kontext digitaler Vermögenswerte. Diese Verordnung bekräftigt, dass die USA zentral auf private, an den US-Dollar gekoppelte Stablecoins setzen und die Schaffung einer Digitalwährung durch die Zentralbank (CBDC) aus Gründen des Schutzes der Finanzfreiheit, Datenschutzes und systemischer Stabilität ablehnen. Parallel dazu hat der US-Senat mit überwältigender Mehrheit den GENIUS Act verabschiedet, ein bipartitisches Gesetzgebungsverfahren, das ein klar umrissenes rechtliches Rahmenwerk zur Regulierung von Stablecoins setzt. Dieses Gesetz fokussiert auf eine 1:1-Deckung der ausgegebenen Stablecoins durch liquide Mittel wie Bargeld oder US-Staatsanleihen, eine straffe Aufsicht sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene sowie den Schutz der Anleger vor Insolvenzrisiken. Die Ausgabe solcher Stablecoins wird im Wesentlichen auf Banken, Kreditgenossenschaften und lizensierte Nichtbanken beschränkt.
Bemerkenswert ist die ausdrückliche Ausschlussregelung für ausländische Emittenten von Stablecoins. Sie dürfen nur dann am amerikanischen Markt agieren, wenn sie die strengen inländischen Standards erfüllen. Dies dient nicht nur der Verhinderung regulatorischer Umgehungen, sondern auch der Stärkung der nationalen Sicherheit. Ferner wird es börsennotierten Unternehmen nahezu unmöglich gemacht, eigene Stablecoins auszugeben, eine Maßnahme, die auf frühere hochumstrittene Versuche von Technologiegiganten abzielt, eigenen Einfluss auf das Finanzsystem zu nehmen. Gleichzeitig öffnet das Gesetz unter strengen Voraussetzungen auch für Big Tech den Weg zum Eintritt in den Stablecoin-Markt, was die Dimension dieses neuen digitalen Finanzkanals enorm erhöhen kann.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines gut regulierten Stablecoin-Systems, das durch US-Staatsanleihen und andere heimische Wertpapiere gedeckt ist, dürften signifikant sein. Zum einen sichern Stablecoins durch ihre Nutzung als Zahlungsmittel die globale Vorherrschaft des US-Dollars. Zum anderen stabilisieren sie die Nachfrage nach US-Staatsanleihen, da die verantwortlichen Emittenten diese Wertpapiere in ihrem Portfolio halten müssen. Diese verschobene Nachfrage findet ausschließlich innerhalb des US-Finanzmarktes statt und erhöht damit den inländischen Kapitalstrom, was eine wichtige Stütze für die Finanzierung des Haushaltsdefizits darstellt. Darüber hinaus mindert die zunehmende Verwendung von Stablecoins die Nachfrage nach dem physischen US-Dollar.
Dies kann im Zuge einer eventuellen Dollardevaluierung vorteilhaft sein, da die Währungsdominanz trotz Kursrückgängen erhalten bleibt und gleichzeitig die internationale Zahlungsfähigkeit erhalten bleibt. Doch diese neuen Strategien der USA sind nicht frei von Kontroversen und Kritik. Innerhalb der US-Politik gibt es Bedenken, dass persönliche und familiäre Verbindungen von Präsident Trump zu Krypto-Investmentvehikeln Interessenkonflikte schaffen könnten. Einige Abgeordnete der Demokratischen Partei kritisieren, dass der GENIUS Act nicht weit genug geht, was den Schutz von Verbrauchern und Maßnahmen gegen Geldwäsche betrifft. Auch Branchenvertreter und Bürgerrechtsorganisationen fordern strengere Aufsicht und klarere Schutzmaßnahmen in puncto Datenschutz.
Dennoch scheint der Gesetzentwurf mit der starken Mehrheitsbacking im Kongress auf eine baldige Verabschiedung zuzusteuern. International hat die US-Digitalstrategie eine bedeutende geopolitische Komponente. Während die USA auf private Stablecoins setzen, verfolgen andere wirtschaftliche Großmächte alternative Wege: Offizielle digitale Zentralbankwährungen, die sogenannten CBDCs, entstehen vor allem in China, aber auch in der EU, Großbritannien und Japan. China etwa hat mit der Einführung des digitalen Yuans und dem Aufbau eines alternativen Zahlungssystems (CIPS) begonnen, das schnelle, kostengünstige und grenzüberschreitende Transaktionen ermöglicht und dabei das traditionelle SWIFT-System umgeht. So sind bereits über die Hälfte der chinesischen grenzüberschreitenden Zahlungen in den digitalen Yuan abgewickelt worden, was zu einer vergleichbaren Reduktion der Nutzung des US-Dollars bei chinesischen Händlern und Unternehmen führt.
Diese Konkurrenz zwischen US-Stablecoins und ausländischen CBDCs ist ein hochdynamisches Duell um die zukünftige Vormachtstellung im internationalen Zahlungssystem. Experten sprechen von einem möglichen „digitalen Bretton-Woods-Moment“, der eine Neuordnung der Finanzarchitektur durch digitale Währungen einleiten könnte. Venture Capital Investitionen in regulierungskonforme Stablecoin-Plattformen sind zuletzt stark gestiegen, was die wirtschaftliche Relevanz dieses Marktes unterstreicht. Prognosen gehen davon aus, dass der Marktwert von Stablecoins bis 2030 auf 2,5 Billionen US-Dollar anwachsen wird. Aus Sicht der globalen Wirtschaftsordnung und Geopolitik sind diese Entwicklungen von großer Tragweite.
Die künftige Dominanz des US-Dollars, die Verteilung von regulatorischer Kontrolle und Governance-Strukturen innerhalb der neuen digitalen Finanzinfrastruktur werden bestimmen, wie die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit und der Wettbewerb in den nächsten Jahrzehnten verlaufen. Das bevorstehende Treffen der Gruppe der Sieben (G7) im Juni 2025 wird hierbei eine richtungsweisende Rolle spielen. Dort sollen die globalen Zahlungsverkehrssysteme diskutiert und eine Antwort auf die neuen digitalen Herausforderungen gefunden werden. Gelingt es den führenden Industriestaaten, gemeinsame Standards und Kooperationsmechanismen zu etablieren, könnten neue geopolitische Spannungen vermieden werden. Versäumen sie dies, ist eine Fragmentierung des internationalen Finanzsystems und eine Verschärfung der globalen Konflikte durchaus vorstellbar.
Letztlich zeigt sich, dass die US-Handelspolitik mit ihren Zöllen nur ein Teil eines viel größeren strategischen Bildes ist. Die zukünftige Ausgestaltung der internationalen Finanzmärkte, die rechtlichen und technischen Konvergenzen und Divergenzen bei der Nutzung digitaler Währungen sowie die Kontrolle über die nächste Generation von Zahlungssystemen stellen die eigentlichen Kernpunkte der US-Anpassung in der Weltwirtschaft dar. Für Deutschland und Europa bedeutet dies, wachsam und aktiv in diesen digitalen und regulatorischen Transformationsprozess einzugreifen. Die USA setzen mit ihrer pro-Stablecoin-Strategie auf eine innovative und zugleich dominierende Position. Um im globalen Wettbewerb mitzuhalten, müssen europäische Akteure eigene digitale Lösungen und rechtliche Rahmenbedingungen entwickeln, die Offenheit und Sicherheit vereinen.
Nur so kann langfristig die Wirtschaftskraft und Souveränität in einer zunehmend digitalen und vernetzten Welt gewahrt bleiben. Die USA befinden sich an einem Scheideweg, der weitreichende Auswirkungen auf das künftige Weltfinanzsystem haben wird. Die Verbindung von Finanzpolitik, Digitalstrategie und Handelspolitik unterstreicht, dass ein ganzheitlicher Ansatz notwendig ist, um die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern. Dabei bleibt spannend zu beobachten, wie sich die Balance der Kräfte zwischen den aufstrebenden digitalen Währungen, den Interessen der Staaten und der privaten Innovationskraft entwickelt.
Die finanzpolitische Ausrichtung der USA wird dabei zweifellos ein entscheidender Faktor sein.