Die Nachricht vom plötzlichen Ende der sogenannten "Lifetime"-Deals bei VPN Secure hat in der VPN-Community für viel Aufsehen, Verärgerung und Diskussionen gesorgt. Nutzer, die einst mit einem vergleichsweise günstigen Einmalpreis auf lebenslange VPN-Dienste setzten, sehen sich nun mit der überraschenden Absage dieser Abonnements konfrontiert. Der CEO von VPN Secures Muttergesellschaft InfiniteQuant, Romain Brabant, hat in einem Gespräch mit The Register erstmals offen die Hintergründe dieser Entscheidung erläutert. Diese stellte sich als komplexes Geflecht aus finanziellen, technischen und unternehmerischen Herausforderungen heraus, die das Überleben des Unternehmens in seiner aktuellen Form gefährdeten. Der folgende Artikel nimmt Sie mit hinter die Kulissen dieser Entscheidung, zeigt die Ursachen, Folgen und Reaktionen auf und erklärt, wie sich die Zukunft von VPN Secure und seiner Nutzer gestalten könnte.
Die Wurzeln des Problems liegen in den "Lifetime"-Deals selbst, die schon vor Jahren von dem damaligen Betreiber BoostNetwork Pty Ltd. angeboten wurden. Diese waren ursprünglich als attraktive Angebote gedacht, bei denen Neukunden für einen vergleichsweise geringen Preis einen unbegrenzten Zugang zum VPN-Dienst erwarben. Laut einer ZDNet-Liste aus dem Jahr 2022 lag der damalige Preis für diese lebenslangen Pläne bei etwa 27,99 US-Dollar, stark rabattiert von einem angeblichen Normalpreis von über 1.000 US-Dollar.
Obwohl preislich attraktiv für Kunden, erwiesen sich die teilweise zehntausenden solcher Verträge schnell als teure Last für das Unternehmen, vor allem in Bezug auf technische Infrastruktur und Wartung. Die Übernahme von VPN Secure durch InfiniteQuant im Jahr 2023 sollte eigentlich neue Perspektiven eröffnen. Allerdings stellte sich schnell heraus, dass die Muttergesellschaft nicht vollständig über die bestehende Summe der "Lifetime"-Abonnements informiert war. Der Kauf erfolgte als sogenannter Asset-Only-Deal, bei dem InfiniteQuant lediglich die Technologie, Infrastruktur und Kundendaten übernahm, aber nicht die Verbindlichkeiten und Altverträge des Vorgängers. Schwierigkeiten entstanden dadurch, dass BoostNetwork Pty Ltd.
diese hochvolumigen lebenslangen Angebote offenbar nicht klar oder gar absichtlich nicht offenlegte. Der technische und finanzielle Aufwand, der nötig ist, um diese Bestandskunden weiter zu betreuen, belastete die Ressourcen von VPN Secure derart, dass ein nachhaltiger Betrieb des Dienstes nicht mehr zu gewährleisten war. Romain Brabant beschreibt die technische Schuld und die damit verbundenen Serverkosten als "nicht mehr tragbar für eine moderne VPN-Infrastruktur". Somit sah sich das Management gezwungen, diese Verträge aufzukündigen, auch wenn dies den Zorn vieler Kunden nach sich zog. Die Kommunikation mit den betroffenen Kunden erwies sich als eine weitere Herausforderung.
Bereits Ende April begannen viele Nutzer, plötzliche Kündigungen ihrer lebenslangen Konten via E-Mail zu erhalten. Viele von ihnen äußerten sich enttäuscht und wütend auf Foren wie Reddit und Bewertungsplattformen wie Trustpilot, wobei Begriffe wie "Gaslighting" und "Täuschung" gefallen sind. Die Nutzer kritisierten vor allem, wie ein Käufer offensichtlich so prominente Angebote übersehen konnte, die beispielsweise über Plattformen wie StackSocial großzügig beworben wurden und leicht über eine einfache Google-Suche auffindbar waren. VPN Secure versuchte nachzulegen und schrieb in einer weiteren E-Mail im Mai, dass beim Erwerb eine sorgfältige Prüfung der finanziellen Unterlagen stattfand, aber lebenslange Abonnements in keinem der Dokumente oder während der Verhandlungen erwähnt wurden. Dies stieß jedoch bei der Community auf wenig Verständnis.
Unklar blieb auch, warum die ursprünglichen Angebote nie hinreichend dokumentiert wurden, was auf eine mangelhafte oder nachlässige Geschäftsführung des ehemaligen Betreibers schließen lässt. Zum Ärgernis der Kunden kam noch die Problematik veralteter Mailinglisten hinzu. Viele der Betroffenen erhielten erst verspätet oder gar keine Informationen über die Kündigung. Der hohe Bounce-Rate der ursprünglichen E-Mails – 20 Prozent und mehr – zeigte, wie veraltet viele Kontaktinformationen waren. Die Firma musste auf professionelle Mailing-Dienste wie MailJet und SendGrid umsteigen, um die Nachrichten zuverlässig und effektiv an die Nutzer zu senden.
Paradoxerweise macht das Management auch deutlich, dass es sehr wohl Bemühungen gab, betroffenen Kunden vergünstigte neue Abonnements anzubieten. Dennoch gelang es aufgrund der Kommunikationsprobleme nicht, alle Nutzer zu erreichen, was die Frustration noch steigerte. Ein besonders kritischer Punkt war auch die rechtliche Situation. Da InfiniteQuant den Dienst als Asset-Only-Deal erworben hatte, übernahm es laut eigener Aussage keine Haftungen für die früheren Kundenvereinbarungen. Das bedeutet praktisch, dass der neue Eigentümer rechtlich nicht verpflichtet ist, die lebenslangen Verträge fortzuführen oder die Kunden zu entschädigen.
Entsprechend sind Rückerstattungen für ehemalige Lifetime-Nutzer ausgeschlossen. Stattdessen sollen diese künftig von günstigen, aber zeitlich begrenzten Abonnements profitieren. Das Vertrauen der Kunden steht dabei auf dem Spiel. Die Entscheidung des neuen CEOs führte zu massiven Verlusten an Sympathie und brachte eine Welle von Negativbewertungen mit sich. Viele Nutzer fühlen sich getäuscht und unfair behandelt.
Die Kritik umfasst auch das Geschäftsgebaren selbst, das als „schlechte Geschäftsform“ bezeichnet wird und die Vorwürfe der bewussten Täuschung (Gaslighting). Interessant ist auch die Undurchsichtigkeit der Muttergesellschaft InfiniteQuant. Offenbar existieren mehrere Unternehmen mit diesem Namen in verschiedenen Ländern, was die Nachverfolgung der tatsächlichen Verantwortlichen erschwert. Im Fokus steht dabei eine Firma mit Sitz auf den Bahamas, die früher auch andere Geschäftsbereiche wie Offshore-Inkorporationen und sogar ungewöhnliche Dienstleistungen rund um männliche Potenzbehandlungen betrieb. Diese Verflechtungen werfen Fragen nach der Seriosität und strategischen Ausrichtung des Unternehmens auf.
Der CEO Romain Brabant räumt ein, dass die Due Diligence bei der Übernahme unzureichend war, und sieht darin eine Lehre für künftige Unternehmenskäufe. Er verweist auf ähnliche Entscheidungen großer Firmen in der Vergangenheit, bei denen lebenslange Nutzerverträge nach Firmenübernahmen eingestellt wurden – etwa die Übernahme von Geni.com durch MyHeritage 2012, bei der auch Lifetime-Abonnements ausliefen. Für Nutzer bedeutet die Entscheidung eine Zäsur. Viele, die mit dem Versprechen auf lebenslangen VPN-Schutz eingestiegen sind, stehen nun ohne diese Sicherheit da.
Angesichts der wachsenden Bedeutung von Datenschutz und sicherer Internetnutzung ist ein verlässlicher VPN-Dienst für viele zur Notwendigkeit geworden. Der Verlust eines solchen Angebotes trifft daher nicht nur finanziell, sondern auch in puncto Sicherheit und Vertrauen empfindlich. Die Reaktion von VPN Secure zeigt jedoch auch, dass das Unternehmen bemüht ist, Schaden zu begrenzen. Die angekündigte dritte E-Mail mit einer offiziellen Entschuldigung und weiteren Informationen wird als notwendiger Schritt gesehen, das Vertrauen teilweise wiederherzustellen. Zudem werden technische Investitionen angedeutet, um die Infrastruktur auf modernen Stand zu bringen und ähnliche Probleme künftig zu vermeiden.