Die biologische Vielfalt unseres Planeten steht mehr denn je unter Druck. Schon heute sind nahezu eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht, und die Lebensräume vieler Arten schrumpfen rapide. Um effektive Naturschutzmaßnahmen zu planen, benötigen Wissenschaftler und Entscheidungsträger verlässliche und aktuelle Daten über die Verteilung und den Zustand von Arten weltweit. Der Globale Lebensartenatlas, auch bekannt als Map of Life, der an der Yale University entwickelt wird, spielt in dieser Hinsicht eine führende Rolle. Er sammelt und analysiert Daten zur Weltweite Artenverteilung und deren Veränderungen, um ein tiefgehendes Verständnis der Biodiversität zu ermöglichen.
Doch trotz jahrelanger Forschungsarbeit bestehen noch immer große Lücken in diesem Wissen, insbesondere in schwer zugänglichen Regionen wie tropischen Regenwäldern oder abgelegenen Gebirgszügen. Hier setzen neuartige technologische Methoden an, die das Sammeln von Biodiversitätsdaten revolutionieren: Drohnen, neue Sensorsysteme und Künstliche Intelligenz (KI). Zusammen bilden sie innovative Werkzeuge, um die bestehende Lücken im Globalen Lebensartenatlas zu füllen und damit den Naturschutz weltweit entscheidend voranzutreiben. Der Einsatz von Drohnen in der Biodiversitätsforschung hat die Art und Weise, wie Arten erfasst und bewertet werden, grundlegend verändert. Die Möglichkeit, hochauflösende Luftaufnahmen über schwer zugänglichen Gebieten ohne großen Aufwand und mit minimaler menschlicher Präsenz zu erstellen, bietet einen enormen Vorteil gegenüber traditionellen Feldstudien.
Der Map of Life Rapid Assessments (MOLRA) Ansatz nutzt speziell ausgerüstete Drohnen, die mit einer Vielzahl von Sensoren ausgestattet sind und autonom operieren können. Diese Sensoren erfassen nicht nur visuelle Daten, sondern auch akustische Signale und sogar genetisches Material aus der Umgebung – sogenannte Umwelt-DNA (eDNA) – aus Luft, Wasser und Pflanzenteilen. Dieses multidisziplinäre Sammeln von Informationen ermöglicht eine viel umfassendere und effektivere Bestandsaufnahme von Arten als frühere Methoden. Die Bedeutung dieses Ansatzes zeigte sich eindrucksvoll im XPRIZE Rainforest Wettbewerb, bei dem die MOLRA-Technologie im Finale nahe Manaus im Amazonasgebiet eingesetzt wurde. Innerhalb von nur 24 Stunden wurden 100 Hektar tropischen Regenwalds gescannt und über 225 verschiedene Arten identifiziert, darunter sogar mehrere global bedrohte Arten.
Die Kombination aus moderner Sensortechnik und smarter Datenverarbeitung führte zu über 5.000 spatial genau zugeordneten Nachweisen, die weit über eine bloße Auflistung der Arten hinausgehen und eine detaillierte Kartierung ermöglichen. Dies hat unmittelbar praktische Bedeutung für den Naturschutz, weil es mit sehr geringem personellen und logistischen Aufwand eine zeitnahe und präzise Erfassung der Biodiversität ermöglicht. Die Rolle der Künstlichen Intelligenz in diesem Prozess ist essenziell. KI wird genutzt, um große Mengen an Daten, die von den Drohnen und Sensoren gesammelt werden, schnell zu analysieren.
Bilderkennungssysteme trainieren darauf, einzelne Tier- und Pflanzenarten anhand von Fotos oder Audioaufnahmen zu identifizieren. Trotzdem sind menschliche Experten weiterhin unverzichtbar, denn insbesondere in abgelegenen Gebieten ist die Datenbasis zum Training von KI-Modellen oft unzureichend. Ein hybrider Ansatz, bei dem lokale Experten mit der KI zusammenarbeiten und die Maschinen in der Validierung unterstützen, führt zu deutlich besseren Ergebnissen. Diese menschlich unterstützte KI trägt dazu bei, Fehlidentifikationen zu reduzieren und den Wert der erfassten Daten zu steigern. Ein weiterer Meilenstein des Map of Life Projektes sind seine global anerkannten Indikatoren wie der Species Habitat Index (SHI), Species Protection Index (SPI) und Species Information Index (SII).
Diese Messgrößen bieten quantifizierbare Einblicke in den Erhaltungszustand von Lebensräumen und Arten und sind international anerkannte Werkzeuge, um Fortschritte bezüglich der Biodiversitätsziele, wie unter anderem des UN Global Biodiversity Frameworks, zu überwachen. Die SPI etwa ist das einzige Maß seiner Art, das direkt den Fortschritt beim Schutz einzelner Arten in Bezug auf das 30×30 Ziel der UN abbildet. Dabei geht es darum, mindestens 30 Prozent der globalen Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen, um die Biodiversität zu bewahren. Die durch Drohnen und KI gewonnenen Daten tragen dazu bei, diese Indikatoren mit aktuellem, hochwertigem Datenmaterial zu füttern und damit politische Entscheidungen auf eine solide wissenschaftliche Basis zu stellen. Die Integration neuer Sensortechnologien wie der Umwelt-DNA ist revolutionär und ermöglicht die Detektion von Arten, die sonst häufig übersehen würden.
Traditionelle Methoden wie Kamerafallen oder akustische Aufnahmen bergen häufig Unsicherheiten bei scheuen oder seltenen Arten. Im Gegensatz dazu bietet das Sammeln von genetischem Material neue Erkennungschancen, selbst wenn die Tiere oder Pflanzen nicht direkt sichtbar sind. In Kombination mit Drohnen, die eDNA-Proben aus der Luft aufnehmen können, können Ökologen nun kaum zugängliche Ökosysteme kostengünstig überwachen. Diese Technologie zeigt besonders in Gebieten mit hoher Biodiversität und gleichzeitig komplexer Topografie großes Potenzial. Die Vorteile dieser Technologie reichen jedoch über den Naturschutz hinaus.
Unternehmen und Regierungen auf der ganzen Welt stehen unter zunehmendem Druck, ihre Auswirkungen auf Biodiversität zu verstehen und zu minimieren. Projekte wie Map of Life Solutions, das kommerzielle Ableger aus der Yale-Forschung hervorgegangen ist, bieten diesen Akteuren nun maßgeschneiderte, skalierbare Lösungen zur schnellen Biodiversitätsbewertung. Ob im Rahmen von Infrastrukturmaßnahmen, landwirtschaftlichen Projekten oder städtischer Entwicklung – zuverlässige und zeitnahe Biodiversitätsdaten sind hier unverzichtbar, um Risiken zu minimieren und gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Dadurch wird auch der Markt für Biodiversitätsbewertung und ökologische Risikoanalyse weiter professionalisiert und wächst stetig. Neben technologischen Aspekten spielt die Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften und indigenen Völkern eine wichtige Rolle für den Erfolg solcher Projekte.
Ihr umfassendes Wissen über die Ökosysteme und Arten vor Ort ergänzt die Technologie optimal und macht die Datenerfassung effizienter und präziser. außerdem fördern partizipative Ansätze die Akzeptanz vor Ort und ermöglichen langfristigen Schutz durch gemeinsames Engagement. Die Low-Barrier Technologie für den Einsatz vor Ort wurde so entwickelt, dass auch Personen ohne Vorerfahrung Drohnen und Sensoren bedienen können, was die Skalierbarkeit und Anwendbarkeit in unterschiedlichen Regionen deutlich erhöht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die innovative Kombination aus Drohnen, neuen Sensorsystemen und KI die Art und Weise, wie Biodiversitätsdaten gesammelt, verarbeitet und genutzt werden, grundlegend verändert. Gerade in Zeiten des globalen Biodiversitätsverlusts und wachsender Klimakrise bieten diese Technologien die Chance, Wissenslücken schnell und effizient zu schließen.
Der Globale Lebensartenatlas profitiert dadurch von bisher unerreichten Detailtiefen und Aktualität der Daten, was wiederum eine bessere Steuerung und Evaluierung von Naturschutzmaßnahmen ermöglicht. Gleichzeitig zeigen Projekte wie Map of Life Rapid Assessments, wie technologiegestützter Naturschutz in der Praxis gelingen kann – von den Tropen des Amazonas bis zu anderen Ökosystemen weltweit. Die fortschreitende Digitalisierung der Biodiversitätsforschung eröffnet zudem neue Perspektiven für Wissenschaft und Wirtschaft. Durch die Vernetzung von lokalen Forschungsgruppen, globalen Datenbanken und automatisierten Analyseverfahren entsteht eine leistungsfähige Infrastruktur, die das Wissen über die Lebenswelt unseres Planeten demokratisiert und beschleunigt. Diese Entwicklung ist ein Hoffnungsschimmer in einer Zeit, in der der Erhalt der biologischen Vielfalt eine der drängendsten Herausforderungen der Menschheit bleibt.
Indem neue Technologien traditionelles Fachwissen ergänzen und erweitern, werden wir besser in der Lage sein, die Vielfalt des Lebens zu bewahren und für künftige Generationen zu erhalten.