Die Welt der technischen Bewerbungsgespräche hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Insbesondere in der Softwareentwicklung sind LeetCode-Style Interviews, bei denen Kandidaten komplexe algorithmische Probleme in kurzer Zeit lösen müssen, zu einem Standard geworden. Trotz ihrer Popularität gibt es immer mehr Kritiker, die diesen Ansatz als ungeeignet ansehen. Diese Art von Interviews vermittelt oft kein realistisches Bild von den tatsächlichen Fähigkeiten der Bewerber und kann mehr Schaden als Nutzen anrichten. Deshalb verzichten wir bewusst auf LeetCode-Style technische Interviews und verfolgen stattdessen alternative Methoden, die praxisnäher und fairer sind.
In diesem Artikel beleuchten wir die Gründe für diese Entscheidung und stellen innovative Ansätze vor, die Unternehmen dabei helfen, die besten Talente zu erkennen und einzustellen. Die Problematik von LeetCode-Style Interviews beginnt bei der Natur der Fragen. Meist drehen sich diese um abstrakte algorithmische Probleme, die weniger mit den täglichen Herausforderungen im Berufsleben zu tun haben als vielmehr mit theoretischem Wissen. Während ein Entwickler im Job oft mit spezifischen Technologien, Frameworks oder realitätsnahen Szenarien konfrontiert wird, prüfen technische Interviews häufig Fähigkeiten zum Lösen von künstlichen Rätseln unter Zeitdruck. Diese Diskrepanz führt dazu, dass viele qualifizierte Fachkräfte von vornherein ausgeschlossen werden, weil sie nicht so gut darin sind, solche Probleme in kurzer Zeit zu lösen.
Das hat zur Folge, dass Firmen potenziell starke Mitarbeiter verlieren, die im Alltag wesentlich produktiver und effizienter arbeiten könnten. Ein weiterer Aspekt ist der Stressfaktor solcher Interviews. Die Kombination aus begrenzter Zeit, hoher Erwartungshaltung und der Angst, Fehler zu machen, kann die Leistung der Kandidaten stark beeinträchtigen. Gerade Menschen, die introvertiert sind oder nicht regelmäßig an algorithmischen Wettbewerben teilnehmen, geraten oft unter erheblichen Druck. Das spiegelt jedoch nicht unbedingt ihre tatsächlichen Fähigkeiten oder ihr Potenzial wider.
Stattdessen fördert dieses Verfahren eher Kandidaten, die in stressigen Situationen blitzschnelle, abstrakte Lösungen finden können – nicht zwangsläufig die besten Entwickler. Nicht zu vergessen ist, dass die Vorbereitung auf LeetCode-Style Interviews enorm zeitaufwändig sein kann. Bewerber investieren oft wochen- oder monatelang ihre Freizeit, um sich auf technisches Debattieren und das Lösen von Programmieraufgaben vorzubereiten, die im Arbeitsalltag selten in dieser Form auftauchen. Dies ist nicht nur für die Bewerber belastend, sondern auch für Unternehmen ineffizient, da sie nicht zwingend diejenigen anziehen, die das beste Gesamtpaket aus Fähigkeiten, Erfahrung und Teamfit mitbringen. Aus unternehmerischer Sicht besteht ein weiteres Problem darin, dass das Bewertungssystem bei solchen Interviews wenig tiefgründig ist.
Der Fokus liegt stark auf der Lösung eines einzelnen Problems, während wichtige Faktoren wie Kommunikationsfähigkeit, Teamarbeit, kreative Problemlösung oder die Qualität des Codes vielfach unberücksichtigt bleiben. Dadurch entsteht oft ein verzerrtes Bild vom Kandidaten, das zu Fehlentscheidungen führen kann. Mitarbeitende, die sich in Teamprozesse integrieren und nachhaltig hochwertigen Code schreiben, werden hier möglicherweise übersehen. Angesichts dieser Herausforderungen verfolgen wir einen anderen Weg: Die Interviews werden so gestaltet, dass sie die realen Anforderungen des Arbeitsplatzes widerspiegeln. Anstatt abstrakte Coding-Challenges zu lösen, bearbeiten die Kandidaten praxisorientierte Aufgaben, die ähnliche Fragestellungen behandeln wie jene, die ihnen im Job begegnen würden.
Dabei steht der gesamte Entwicklungsprozess im Vordergrund: vom Verstehen der Anforderungen über das Design bis hin zur Implementierung und Diskussion des Codes gemeinsam mit dem Interviewer. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Bewertung der Soft Skills. Wir legen großen Wert auf die Kommunikationsfähigkeit der Kandidaten, ihr Verständnis für komplexe Sachverhalte und ihre Fähigkeit, im Team konstruktiv zusammenzuarbeiten. Diese Kompetenzen sind für eine erfolgreiche Mitarbeit mindestens genauso wichtig wie reine Programmierkenntnisse. Deshalb integrieren wir auch situative Fragen und Gespräche, die aufzeigen, wie Bewerber mit Herausforderungen, Fehlern oder widersprüchlichen Anforderungen umgehen.
Dank dieses ganzheitlichen Ansatzes können wir ein besseres Bild vom Gesamtpotenzial eines Kandidaten gewinnen. Gleichzeitig fühlen sich Bewerber ernst genommen und erleben den Prozess als fair und transparent. Dies verbessert nicht nur die Candidate Experience, sondern stärkt auch das Employer Branding nachhaltig. Denn Fachkräfte suchen heute nicht nur einen Job, sondern auch ein Umfeld, in dem ihre Fähigkeiten wertgeschätzt und gefördert werden. Zusätzlich nutzen wir Techniken wie Pair-Programming oder kleine Workshops, in denen Bewerber direkt mit Teammitgliedern zusammenarbeiten.
Dies ermöglicht es beiden Seiten, die Zusammenarbeit und den technischen Austausch auf Augenhöhe zu erleben. So bekommt das Unternehmen ein realistisches Gefühl dafür, wie gut der Bewerber zum Team passt, und der Bewerber kann sich ebenfalls ein eigenes Bild vom Arbeitsumfeld machen. Wichtig ist auch, den Bewerbungsprozess transparent zu gestalten. Klare Informationen zu den Erwartungen, Feedback nach dem Interview und eine offene Kommunikation sorgen für Vertrauen auf beiden Seiten. Dies unterscheidet sich deutlich von den oft mysteriösen und strikt standardisierten LeetCode-Style Interviews, bei denen Kandidaten oft im Unklaren gelassen werden.
Zudem hat sich gezeigt, dass dieser alternative Interviewstil dazu beiträgt, die Diversität im Team zu erhöhen. Indem wir die Fokussierung auf rein algorithmische Fähigkeiten verringern, öffnen wir die Tür für Bewerber mit unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen. Vielfalt ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für Innovation und kreatives Problemlösen in modernen Unternehmen. Abschließend lässt sich sagen, dass LeetCode-Style technische Interviews zwar auf den ersten Blick ein effizientes Mittel zur Bewertung von Programmierkenntnissen erscheinen, in der Praxis aber zahlreiche Nachteile mit sich bringen. Sie bilden oft nicht ab, was im Arbeitsalltag tatsächlich zählt, und können dadurch zu suboptimalen Einstellungsentscheidungen führen.
Unser bewusster Verzicht auf diese Methode zugunsten eines praxisnahen, ganzheitlichen und menschlicheren Prozesses bietet sowohl Unternehmen als auch Bewerbern erhebliche Vorteile. Wer den Fokus auf echte Fähigkeiten, Soft Skills und eine realistische Zusammenarbeit legt, schafft langfristig erfolgreiche Teams – und das ist letztlich das wichtigste Ziel jeder Technik-Einstellung.