In einer abgelegenen Region von British Columbia, Kanada, sorgt ein gewöhnlich unscheinbarer Straußenhof unerwartet für weltweite Aufmerksamkeit. Der Universal Ostrich Farm, der seit den 1990er-Jahren Strauße züchtet, droht eine Zwangskeulung aller rund 400 Tiere. Grund dafür ist ein Ausbruch der hochpathogenen Vogelgrippe (H5N1), welche die Erreger bei mehreren Vögeln des Betriebs nachwies. Die kanadische Lebensmittelinspektionsbehörde Canadian Food Inspection Agency (CFIA) ordnete das Töten der gesamten Herde an, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern und damit mögliche volkswirtschaftliche Schäden durch Handelsrestriktionen zu vermeiden. Was sich zunächst nach einem landwirtschaftlichen Standardverfahren anhört, entwickelte sich jedoch zu einem Brennpunkt weitreichender gesellschaftlicher und politischer Konflikte, die weit über die Grenzen des Hofs hinaus schallen.
Im Mittelpunkt steht ein Konflikt zwischen staatlicher Gesundheitsvorsorge, wissenschaftlicher Evidenz und Verschwörungsmythen, die von rechtsextremen Gruppierungen aufgegriffen werden. Die Eigentümerin des Straußenhofs, Karen Esperson, rief ihre Unterstützer dazu auf, friedlich gegen die Zwangskeulung zu protestieren und den Betrieb zu schützen. Ihre Tochter und Sprecherin des Hofs, Katie Pasitney, versuchte, die Lage zu beruhigen und ermutigte zu demokratischen Protestformen wie Briefe an lokale Behörden. Dennoch entwickelte sich online rasch eine hitzige Debatte, bei der sich die Sprache radikalisierte. Unterstützer des Hofs, einschließlich prominenter Figuren aus der Pandemie-Leugnerszene und der sogenannten „Convoy“-Proteste, bedienten sich zunehmend aggressiver Rhetorik und forderten gewaltsame Maßnahmen gegen Behördenvertreter.
Die Debatte wurde zum Symbol eines Kampfes gegen als „globalistische“ oder „staatliche Tyrannei“ empfundene Maßnahmen der Gesundheitsbehörden. Was den Fall Universal Ostrich zusätzlich in den Fokus rückte, sind wissenschaftliche Behauptungen rund um die Immunabwehr der Tiere. Basierend auf der Forschung eines japanischen Professors, Yasuhiro Tsukamoto, der als „Dr. Ostrich“ bekannt ist, wurde argumentiert, dass Straußeneier einzigartige Antikörper enthielten, die gegen COVID-19, H5N1 und weitere Krankheiten schützen könnten. Das würde den Bestand zu einer wertvollen medizinischen Ressource machen, deren Erhalt von großer Bedeutung sei.
Pasitney und andere Vertreter des Hofs betonen dabei Erfolge der Zusammenarbeit mit Unternehmen und Forschern, die diese Immunstoffe nutzen wollen. Gleichzeitig warnen Experten vor einer Überbewertung der Forschungsergebnisse: Die komplexen immunologischen Eigenschaften der Strauße ließen sich nicht eins zu eins auf Menschen übertragen. Wissenschaftler wie Annelise Botes von der Universität Stellenbosch weisen darauf hin, dass Antikörper zwar eine wichtige Rolle spielen, aber nicht die gesamte Immunabwehr erklären. Die Annahme einer „Superimmunität“ sei derzeit nicht durch etablierte Studien gedeckt. Die kanadische Lebensmittelinspektionsbehörde lehnte einen Ausnahmeantrag des Betriebs ab, der in Aussicht gestellt hatte, die Tiere aufgrund ihrer immunologischen Besonderheiten zu erhalten.
Die Entscheidung wurde rechtskräftig bestätigt, nachdem ein Bundesgericht den Einspruch von Universal Ostrich abwies. Richter Russel Zinn stellte dabei heraus, dass die CFIA ihre Befugnisse rechtmäßig ausgeübt habe und dass das Vorgehen dazu dient, potenzielle wirtschaftliche Schäden durch Handelsbeschränkungen infolge einer Vogelgrippe-Epidemie zu verhindern. Die gerichtliche Entscheidung bedeutet, dass die Anordnung zur Keulung der Herde umgesetzt wird. Gleichzeitig hat der Konflikt eine Welle von Unterstützern aus dem rechten politischen Spektrum entfacht, darunter bekannte Persönlichkeiten wie Robert F. Kennedy Jr.
, US-Gesundheitssekretär und Impfgegner, der das Vorgehen stark kritisierte und von einer großen Chance sprach, die Immunität der Tiere für die Erforschung menschlicher Krankheiten zu nutzen. Die Dynamiken rund um den Universal Ostrich Farm haben breite gesellschaftliche Debatten angestoßen, die sich auf mehrere Ebenen erstrecken. Zum einen geht es um die Glaubwürdigkeit und Autorität von wissenschaftlichen Behörden und deren Fähigkeit, Pandemierisiken zu minimieren. Zum anderen entstehen neue Verbindungen zwischen Impfgegnern, Corona-Leugnern und rechten Bewegungen, die staatliche Interventionen als Eingriff in individuelle Freiheitsrechte bewerten. Diese Verknüpfung manifestierte sich auch in den sozialen Medien und in virtuellen Communities, in denen die Straußenschlacht zum Symbol für einen vermeintlichen Widerstand gegen Unterdrückung wurde.
Seit der Gerichtsentscheidung veröffentlichten Aktivisten und Unterstützer Aufrufe zu Massenprotesten, Straßensperren und direkter Konfrontation mit Vertretern der CFIA. Einige dieser Stimmen überschreiten dabei klar die Grenzen friedlichen Protestes und schlagen Gewalt vor, um die Zwangsmaßnahmen zu verhindern. Auch politisch wirkte der Fall nach. Mehrere unabhängige Abgeordnete sowie Mitglieder der konservativen Partei Kanadas besuchten die Farm, um Solidarität zu zeigen und über Pläne zu diskutieren, die Keulung zu verhindern. Neben der emotionalen Betroffenheit fand sich hier aber auch eine politische Agenda, die sich gegen das staatliche Vorgehen richtet und die Rechte der Landwirte über den präventiven Gesundheitsschutz stellt.
Die Geschichte des Universal Ostrich Farm steht exemplarisch für die Herausforderungen, die moderne Gesellschaften durch die Überlagerung medizinischer, politischer und medialer Konflikte erleben. In einer Zeit zunehmender Polarisierung und Fake-News-Phänomene erschweren es solche Konflikte jedoch, rationale Entscheidungen auf Basis wissenschaftlicher Fakten zu treffen. Dabei setzen globale Gesundheitsgefahren wie Vogelgrippe oder neue Pandemiebedrohungen zunehmend koordiniertes Handeln voraus. Die Debatte um die Straußenkeulung zeigt, wie sensibel das Wechselspiel zwischen Tiergesundheit, öffentlicher Sicherheit und wirtschaftlichen Interessen ist. Gleichzeitig offenbart sie, wie politische und ideologische Filter die Wahrnehmung von wissenschaftlichen Daten verzerren und zu gefährlichen Radikalisierungen führen können.
Abschließend bleibt der Fall ein lebendiges Beispiel dafür, wie lokal scheinende Ereignisse internationale Wellen schlagen und mit ihnen die grundlegenden Fragen über Vertrauen, Wissenschaft und Demokratie neu verhandelt werden. Der Ausgang wird nicht nur für die Tiere am Universal Ostrich Farm prägend sein, sondern auch für das politische Klima, in dem gesundheitliche Krisen künftig bewältigt werden müssen.