Die Bearbeitung transparenter Materialien stellt seit jeher eine große Herausforderung dar. Glas, Saphir oder Diamant verfügen über außergewöhnliche Eigenschaften wie hohe Härte, große optische Transparenz und chemische Beständigkeit, die sie für vielfältige Anwendungen unentbehrlich machen. Gleichzeitig machen genau diese Eigenschaften ihre präzise und effiziente Bearbeitung jedoch äußerst schwierig. Traditionelle Verfahren zur Bearbeitung dieser Materialien stoßen oft an Grenzen, wenn es um Geschwindigkeit, Präzision und Vermeidung von Materialschäden geht. In den letzten Jahrzehnten haben Lasertechnologien als vielversprechende Lösung enorme Fortschritte erzielt und insbesondere ultrakurze Laserpulse neue Bearbeitungsmöglichkeiten geschaffen.
Doch trotz dieser Entwicklungen blieb die Operation mit sehr hohen Bearbeitungsgeschwindigkeiten bislang aus. Die neuartige Technik des ultrahochgeschwindigkeits Laserbohrens mit transienter elektronischer Anregung verspricht nun einen Paradigmenwechsel in der Bearbeitung transparenter Medien. Dabei wird eine Kombination aus zwei zeitlich abgestimmten Laserpulsen genutzt, um die optischen und elektronischen Eigenschaften des Materials gezielt zu verändern und so den Bohrvorgang erheblich zu beschleunigen. Ein ultrakurzer Picosekunden-Laserpuls, der in Form eines Bessel-Strahls strukturiert wird, erzeugt eine längliche elektronische Anregung im Materialinneren. Diese transient entstandene elektronische Kanalisation verändert die Absorptionseigenschaften vorübergehend und ermöglicht so einer nachfolgenden, längeren Laserpulse mit Mikrosekunden-Dauer eine selektive und sehr effiziente Energieaufnahme.
Dadurch erfolgt eine extrem schnelle und gleichmäßige Verdampfung des Materials entlang des erzeugten Kanals, ohne dass thermisch bedingte Schäden oder Mikrorisse entstehen. Das Herausragende an diesem Verfahren ist die enorme Steigerung der Bohrgeschwindigkeit, die um den Faktor einer Million schneller erfolgt als bei herkömmlichen Mehrfach-Impuls-Percussionbohrungen. Zudem bedarf es im Gegensatz zu bisherigen Hochleistungslaserquellen nur einer vergleichsweise geringen Laserleistung, etwa um vier Größenordnungen niedriger, was das Verfahren energieeffizient und wirtschaftlich attraktiv macht. Bereits in wenigen Mikrosekunden können durch diesen Ansatz durchgehende Bohrungen mit einem Durchmesser von rund 3 Mikrometern in einem Millimeter dicker Silicaglasprobe erzeugt werden. Dabei lassen sich bemerkenswert hohe Seitenverhältnisse von über 300 realisieren, wobei die Bohrwände glatt und frei von Mikrorissen bleiben.
Die Nutzung von Bessel-Strahlen ist dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Anders als herkömmliche Gaußsche Laserstrahlen verfügen Bessel-Strahlen über eine hohe Tiefenschärfe und eine zylinderförmige Intensitätsverteilung, was eine längliche, gleichmäßige Anregung im Material ermöglicht. Im Experiment werden zuerst der ultrakurze Picosekunden-Laserpuls und im zeitlichen Versatz von etwa 10 Mikrosekunden ein Microsecond-Laserpuls coaxial in Form von Bessel-Strahlen auf das bearbeitete Glas fokussiert. Die durch den ersten Pulsschuss induzierte transient elektronische Anregung bewirkt eine semimetallische Zustandsänderung des Materials im Kanal, was den Absorptionskoeffizienten stark erhöht. So kann der zweite Laserpuls gezielt und selektiv diese angeregte Region erwärmen, ohne das übrige Material zu beeinflussen.
Die präzise Kontrolle der Pulsdauern und der zeitlichen Abstimmung ist dabei entscheidend. Untersuchungen zeigen, dass eine Pulsdauer von etwa 5 Picosekunden ideal ist, um die maximale Länge und Lebensdauer der transienten elektronischen Anregung zu gewährleisten. Der nachfolgende Mikrosekunden-Laserpuls sollte eine Dauer im Bereich von einigen zehn Mikrosekunden haben, wobei es eine Sättigung in der effektiven Bohrlochweite bei längeren Pulsen gibt. Die gezielte Kombination ermöglicht es, den Energieeintrag exakt an der gewünschten Stelle zu fokussieren und eine Hohlbohrung mit hohen Seitenverhältnissen zu erzielen. Das Verfahren ist universell einsetzbar und wurde nicht nur an reinem Silicaglas demonstriert, sondern zeigt auch hervorragende Ergebnisse bei anderen gebräuchlichen optischen Gläsern wie Borosilikat- oder Natron-Kalk-Glas sowie in technisch wichtigen Materialien wie Saphir und Siliziumkarbid.
Dies erweitert das Anwendungsfeld von der Mikroelektronik und Photonik über die Medizintechnik bis hin zur Materialforschung und industriellen Fertigung. Ein weiterer Vorteil ist die hohe Wiederholbarkeit und Präzision. Die durch dieses Verfahren hergestellten Bohrungen besitzen eine nahezu perfekte zylindrische Geometrie, mit glatten Oberflächen und geringer Streuung der Bohrdurchmesser. Die Bohrgeschwindigkeit ist so hoch, dass tausende Bohrlöcher pro Sekunde hergestellt werden können, was insbesondere für Anwendungen in der Mikroelektronik mit Durchkontaktierungen in Glassubstraten oder für 3D-Mikrofluidik-Systeme relevant ist. Die zugrundeliegende physikalische Grundlage beruht auf der transienten Veränderung des Bandstrukturzustands während der kurzen Laseranregung.
Das ultrakurze Laserpuls erzeugt dichte elektronische Plasmen innerhalb des Materials, was eine semimetallische Phase induziert und dadurch optisch aktive Zustände entstehen lässt. Diese angeregten Elektronen erleichtern die im Anschluss folgende Energieabsorption erheblich und verschieben die Prozesse vom thermisch limitierten zum elektronisch gesteuerten Regime. Eine derartige Gezielte Modifikation der Materialeigenschaften nur für extrem kurze Zeitfenster war bislang technisch kaum realisierbar. Die Kombination von ultrakurzen Pulsformen mit präziser räumlicher und zeitlicher Formung des Laserstrahls eröffnet somit völlig neue Möglichkeiten. Im industriellen Kontext eröffnet dies vielfältige Optionen für die kosteneffiziente Fertigung von hochpräzisen Mikrolöchern mit geringer thermischer Schädigung.
Beispielsweise erfordern Halbleiteranwendungen oft mikroskopisch kleine Durchkontaktierungen, die präzise durch Glassubstrate gebohrt werden müssen. Auch die Herstellung von medizinischen Filtern oder biofunktionalen Mikrostrukturen aus Glas wird durch die gesteigerte Bearbeitungsgeschwindigkeit und Qualitätsverbesserung deutlich erleichtert. Neben der Fertigung von Bohrungen lässt sich der Ansatz der transienten elektronischen Anregung auch auf andere Bearbeitungsvorgänge übertragen, beispielsweise auf die selektive Materialmodifikation, das Ätzen oder die Strukturierung von Oberflächen mit ultrafeinen Details. Durch die Kontrolle der Laserparameter kann gezielt steuern, ob Material ionisiert, verdampft oder chemisch verändert wird, während unerwünschte thermische Einflüsse minimiert bleiben. Ein bemerkenswerter Aspekt liegt zudem in der Effizienzsteigerung und Energieersparnis.
Die ultraschnellen Bohrvorgänge erfordern deutlich geringere Leistung und reduzieren den Energieverbrauch, was für nachhaltige Fertigungsprozesse immer wichtiger wird. Zudem reduziert die Vermeidung von Mikrorissen und thermischen Schäden Nachbearbeitungsschritte und fördert die Langlebigkeit der gefertigten Bauteile. Die Entwicklung solcher Technologien beruht auf interdisziplinärer Forschung in den Bereichen Lasertechnik, Materialwissenschaften, Optik und Elektronik. Experimentelle Untersuchungen mit Hochgeschwindigkeitskameras, Pump-Probe-Messungen und Simulationen der Plasmaprozesse liefern wichtige Einblicke in den Ablauf der transienten Anregungen und Materialreaktionen. Das Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen wird durch theoretische Modelle ergänzt, die die Wechselwirkungen von Licht mit hochdichten Elektronengasen und die daraus resultierende Energiedissemination beschreiben.