In der Mitte der 1990er Jahre befand sich die Technologiebranche in einer Phase tiefgreifender Veränderungen und intensivem Wettbewerb. Microsoft, zu dieser Zeit bereits ein dominanter Player im Bereich Betriebssysteme und Bürosuiten, strebte danach, seine Position mit weiteren strategischen Zukäufen zu festigen. Eine der ambitioniertesten Akquisitionen war der Versuch, Intuit, den Hersteller der weit verbreiteten Finanzsoftware Quicken, zu übernehmen. Dieser Deal, der im Oktober 1994 angekündigt wurde, scheiterte jedoch innerhalb weniger Monate an kartellrechtlichen Bedenken und einer darauf folgenden Klage der US-Justizbehörden. Die Geschichte dieses Übernahmeversuchs offenbart vieles über die Dynamik des Softwaremarktes jener Zeit, die Rolle der Wettbewerbsvorschriften und die spätere Entwicklung beider Unternehmen.
Quicken – das Juwel von Intuit Quicken war Anfang der 1990er Jahre das führende Programm für persönliche Finanzverwaltung. Die Software ermöglichte es Millionen von Nutzern, ihre Finanzen effizient zu organisieren, Kontoauszüge zu verwalten, Haushaltsbudgets zu planen und sogar Schecks auszudrucken. Mit über sechs Millionen Anwendern hatte Quicken eine dominante Stellung im Markt für Finanzsoftware inne. Neben dem einmaligen Kaufpreis von ungefähr 40 US-Dollar generierte Intuit auch Einnahmen durch Gebühren für elektronische Transaktionen, was die Software zu einer lukrativen Kombination aus Produkt und Service machte. Microsoft erkannte das Wachstumspotenzial von Quicken schnell.
Mit Microsoft Money hatte der Konzern bereits ein eigenes Programm im Wettbewerb zu Quicken entwickelt, war damit jedoch nicht erfolgreich. Quicken behielt eine dreimal so große Nutzerbasis wie Microsoft Money und profitierte von hoher Kundenloyalität dank einfacher Bedienung und guter Unterstützung durch Intuit. Deshalb war der Gedanke einer Übernahme naheliegend – Microsoft sah darin eine Möglichkeit, seine Position im aufstrebenden Markt für Finanzsoftware deutlich auszubauen. Die Übernahmepläne und strategische Überlegungen Im Oktober 1994 kündigte Microsoft an, Intuit für etwa zwei Milliarden US-Dollar zu übernehmen – eine Rekordsumme für den Softwarebereich zu dieser Zeit. Im Rahmen der Vereinbarung wollte Microsoft sein eigenes Produkt, Microsoft Money, an Novell veräußern.
Novell war damals im Besitz von Softwareklassikern wie WordPerfect und DR-DOS und schien die Übernahme bereitwillig anzunehmen, auch um gegen Microsoft weiterhin im Softwaremarkt präsent zu bleiben. Die Idee war, den Wettbewerb zumindest formal aufrechtzuerhalten und die Entstehung eines Monopols zu verhindern. Darüber hinaus wurde spekuliert, dass Microsoft möglicherweise weitere Teile von Intuit wie QuickBooks, eine Buchhaltungssoftware für kleine Unternehmen, abstoßen würde, um die Kartellbehörden zu besänftigen. Doch diese Zusagen reichten letztlich nicht aus, um regulatorische Bedenken zu zerstreuen. Wettbewerbsrechtliche Bedenken und die Intervention des DOJ Trotz anfänglicher Spekulationen zogen die US-Behörden ihre Überprüfung langsam voran.
Wenige Monate nach der Ankündigung, im April 1995, erhob das US-Justizministerium Klage gegen den Deal und blockierte die Übernahme. Die Argumentation basierte vor allem darauf, dass die Fusion den Wettbewerb kaum zulassen würde. Nach Analysen der Behörde beherrschte Quicken zu diesem Zeitpunkt etwa 70 Prozent des Marktes, Microsoft Money ca. 22 Prozent, während andere Programme, wie H&R Blocks „Managing Your Money“ und Computer Associates „Simply Money“, zusammen weniger als 10 Prozent erreichten. Ein weiterer Punkt war die Skepsis gegenüber Novell, das Microsoft Money übernehmen sollte.
Die Historie zeigte, dass Novell in direkter Konkurrenz zu Microsoft kaum Fuß fassen konnte. Die Behörden befürchteten, dass der Wettbewerb somit nicht erhalten bliebe, womit die Übernahme eine faktische Monopolstellung schaffen würde – ein Szenario, das strikt verboten war. Die Kartellrechtslage der 1990er Jahre war streng und zielte darauf ab, Marktkonzentrationen zu vermeiden, die Innovation und Verbraucherwahl einschränken könnten. Microsofts bereits vorhandene marktbeherrschende Position mit Windows und Office ließ die Kartellwächter besonders sensibel reagieren. Die Aussicht, dass Microsoft durch den Zusatz von Intuit seine Macht in weiteren Softwaresegmenten zusätzliche stärken würde, wurde als zu riskant beurteilt.
Ablehnung und Folgen für Microsoft Die juristische Auseinandersetzung führte letztlich dazu, dass Microsoft den Übernahmeversuch im Mai 1995 aufgegeben hat. Statt jahrelang vor Gericht zu streiten, entschied sich das Unternehmen, den Deal aufzugeben und eine Vertragsstrafe in Höhe von 46,5 Millionen US-Dollar an Intuit zu zahlen. Diese Summe stand in keinem Verhältnis zu der strategischen Bedeutung der Übernahme, die Microsoft jedoch aufgrund der sich anbahnenden intensiven rechtlichen Konflikte nicht weiter verfolgen wollte. Kurz darauf veränderte Microsoft seine Geschäftsausrichtung signifikant. Das Jahr 1995 markierte mit Bill Gates’ „Internet Tidal Wave Memo“ den Beginn ihres Fokus auf das Internet, dessen Bedeutung für das Unternehmen und die gesamte IT-Welt nicht zu unterschätzen war.
Dieses strategische Umdenken führte zu einem weiteren antitrustgerichtlichen Verfahren gegen Microsoft, das 1998 mit einer berüchtigten Klage endete und bis weit in die 2000er Jahre nachwirkte. Die Entwicklung von Intuit nach dem gescheiterten Deal Während Intuit den Übernahmeversuch überstand, verlagerte sich der Fokus des Unternehmens im Laufe der folgenden Jahre. Produkte wie TurboTax und QuickBooks gewannen an Bedeutung und ersetzten Quicken als Hauptumsatzlieferanten. TurboTax wurde insbesondere durch die zunehmende Komplexität des US-Steuersystems erfolgreich, das Nutzer zwang, häufig auf spezialisierte Software zurückzugreifen, um ihre Steuererklärung korrekt einzureichen. Bemerkenswert ist, dass Intuit und Unternehmen wie H&R Block lange politisch aktiv blieben, um die Komplexität der Steuergesetze zu erhalten, was ihren Geschäftsmodellen zuträglich war.
Scott Cook, Mitgründer von Intuit, war lange Zeit eine öffentliche Persönlichkeit, die das Unternehmen als kundenfreundlichen Ratgeber für Finanzfragen positionierte, in scharfem Kontrast zu heutigen finanziellen Beratern, die oft als belehrend empfunden werden. Obwohl Cook heute weniger sichtbar ist, bleibt er im Vorstand von Intuit und anderen großen Unternehmen aktiv. Intuit selbst hat sich weiterhin als Marktführer im Bereich Steuersoftware und Buchhaltung etabliert und wächst in diesen Segmenten stetig weiter. Bedeutung für die Softwarebranche und Lehren aus dem gescheiterten Deal Der gescheiterte Übernahmeversuch von Intuit durch Microsoft ist ein prägendes Beispiel für das Spannungsfeld zwischen unternehmerischer Expansionsstrategie und regulatorischem Wettbewerbsschutz. Dabei zeigt sich, wie Antitrustgesetze wirkungsvoll eingesetzt werden können, um einen fairen Wettbewerb zu sichern und Monopolbildungen zu verhindern.
Darüber hinaus spiegelt sich in dieser Episode der Wandel im Softwaremarkt wider. Während Anfang der 1990er Jahre Desktopsoftware wie Quicken dominierte, verschoben sich die Prioritäten in den folgenden Jahrzehnten hin zu neuen Technologien, wie dem Internet und später cloudbasierten Lösungen. Microsofts schnelle Verlagung des Fokus auf das Internet nach dem Scheitern des Intuit-Deals war eine strategische Weichenstellung. Die Geschichte bietet auch wichtige Impulse für heutige Technologieunternehmen. Fusionen und Übernahmen können zwar Chancen eröffnen, sind aber oft auch großen regulatorischen Hürden ausgesetzt, besonders wenn dadurch marktbeherrschende Stellungen weiter ausgebaut werden können.
Ein vorschneller Schritt ohne detaillierte Compliance-Strategien kann finanzielle Verluste und Imageprobleme nach sich ziehen. Abschließend bleibt der Übernahmeversuch als ein spannendes Kapitel im Computergeschäft der 1990er Jahre erhalten. Er illustriert die Herausforderungen, vor denen Giganten wie Microsoft standen, aber auch die Marktkräfte und rechtliche Rahmenbedingungen, die zu Gunsten fairer Wettbewerbsbedingungen eingreifen. Ebenso zeigt sie, wie Unternehmen sich neu orientieren und trotz Rückschlägen erfolgreich bleiben können – Intuit ist heute dafür ein eindrucksvolles Beispiel.